lich gegen eine Brücke zu bewegten, welche den Bach von Nisib, anderthalb Stunden unterhalb unserer Aufstellung, überschreitet. Aufgefordert, erklärte ich, da wir den Geg- ner während der Umgehung nicht haben angreifen wollen, so hätten wir jetzt keine andere Wahl, als bevor sie voll- endet, zurück zu gehen. Wir hatten drei Stunden hinter uns die feste Stellung von Biradschik; nach europäischen Grundsätzen hatte diese Stellung den großen Fehler, ganz ohne Rückzug zu sein; nach Allem, was ich schon damals gesehen, war dieser Umstand in meinen Augen der größte Vorzug derselben. Jeder, auch der letzte Kurde sah, daß er dort Stand halten oder untergehen müsse; von Umge- hung war nicht die Rede, beide Flügel lehnten an den Eu- phrat, der auch den Rücken sperrte; die Front war mit guten Verschanzungen versehen, hinter uns hatten wir ein festes Schloß mit ungeheuren Vorräthen, vor uns eine glacisartige Ebene, auf der unsere Fouragirungen dem Feinde auch nicht einen Grashalm übrig gelassen*). Der Pascha erklärte es für eine Schande, zurück zu gehen; dabei fürch- tete er, Biradschik sei eben allzu stark, der Feind würde uns überhaupt da nicht anzugreifen wagen u. s. w., worauf ich ihm erwiederte, er möge hier meine rechte Hand ab- hauen, wenn Jbrahim ohne eine Schlacht nach Aleppo zurück ginge. Da es sich um die wichtigsten Jnteressen handelte, so nahm ich nicht Anstand, mich in Gegenwart der höhern Offiziere des Heeres, Mustapha-Pascha's, Mashar-Pascha's, Han-Effendi's u. a. m., aufs frei- müthigste und nachdrücklichste auszusprechen; ich stellte dem Pascha die geringe Zuverlässigkeit seines Heeres und die Stärke der Gegner vor, wie unsere Verstärkungen von al- len Seiten im Anzuge seien, und es also nur darauf an- käme, Zeit bis zu ihrer Ankunft zu gewinnen, daß es sich ja nur um einen freiwilligen Rückzug handele, der vom
*) Aegyptische Nachrichten haben später bestätigt, daß Jbrahim- Pascha am Tage der Schlacht das letzte Brot an seine Armee ausgegeben hat.
lich gegen eine Bruͤcke zu bewegten, welche den Bach von Niſib, anderthalb Stunden unterhalb unſerer Aufſtellung, uͤberſchreitet. Aufgefordert, erklaͤrte ich, da wir den Geg- ner waͤhrend der Umgehung nicht haben angreifen wollen, ſo haͤtten wir jetzt keine andere Wahl, als bevor ſie voll- endet, zuruͤck zu gehen. Wir hatten drei Stunden hinter uns die feſte Stellung von Biradſchik; nach europaͤiſchen Grundſaͤtzen hatte dieſe Stellung den großen Fehler, ganz ohne Ruͤckzug zu ſein; nach Allem, was ich ſchon damals geſehen, war dieſer Umſtand in meinen Augen der groͤßte Vorzug derſelben. Jeder, auch der letzte Kurde ſah, daß er dort Stand halten oder untergehen muͤſſe; von Umge- hung war nicht die Rede, beide Fluͤgel lehnten an den Eu- phrat, der auch den Ruͤcken ſperrte; die Front war mit guten Verſchanzungen verſehen, hinter uns hatten wir ein feſtes Schloß mit ungeheuren Vorraͤthen, vor uns eine glacisartige Ebene, auf der unſere Fouragirungen dem Feinde auch nicht einen Grashalm uͤbrig gelaſſen*). Der Paſcha erklaͤrte es fuͤr eine Schande, zuruͤck zu gehen; dabei fuͤrch- tete er, Biradſchik ſei eben allzu ſtark, der Feind wuͤrde uns uͤberhaupt da nicht anzugreifen wagen u. ſ. w., worauf ich ihm erwiederte, er moͤge hier meine rechte Hand ab- hauen, wenn Jbrahim ohne eine Schlacht nach Aleppo zuruͤck ginge. Da es ſich um die wichtigſten Jntereſſen handelte, ſo nahm ich nicht Anſtand, mich in Gegenwart der hoͤhern Offiziere des Heeres, Muſtapha-Paſcha's, Mashar-Paſcha's, Han-Effendi's u. a. m., aufs frei- muͤthigſte und nachdruͤcklichſte auszuſprechen; ich ſtellte dem Paſcha die geringe Zuverlaͤſſigkeit ſeines Heeres und die Staͤrke der Gegner vor, wie unſere Verſtaͤrkungen von al- len Seiten im Anzuge ſeien, und es alſo nur darauf an- kaͤme, Zeit bis zu ihrer Ankunft zu gewinnen, daß es ſich ja nur um einen freiwilligen Ruͤckzug handele, der vom
*) Aegyptiſche Nachrichten haben ſpaͤter beſtaͤtigt, daß Jbrahim- Paſcha am Tage der Schlacht das letzte Brot an ſeine Armee ausgegeben hat.
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lich gegen eine Bruͤcke zu bewegten, welche den Bach von
Niſib, anderthalb Stunden unterhalb unſerer Aufſtellung,
uͤberſchreitet. Aufgefordert, erklaͤrte ich, da wir den Geg-
ner waͤhrend der Umgehung nicht haben angreifen wollen,
ſo haͤtten wir jetzt keine andere Wahl, als bevor ſie voll-
endet, zuruͤck zu gehen. Wir hatten drei Stunden hinter
uns die feſte Stellung von Biradſchik; nach europaͤiſchen
Grundſaͤtzen hatte dieſe Stellung den großen Fehler, ganz
ohne Ruͤckzug zu ſein; nach Allem, was ich ſchon damals
geſehen, war dieſer Umſtand in meinen Augen der groͤßte
Vorzug derſelben. Jeder, auch der letzte Kurde ſah, daß
er dort Stand halten oder untergehen muͤſſe; von Umge-
hung war nicht die Rede, beide Fluͤgel lehnten an den Eu-
phrat, der auch den Ruͤcken ſperrte; die Front war mit
guten Verſchanzungen verſehen, hinter uns hatten wir ein
feſtes Schloß mit ungeheuren Vorraͤthen, vor uns eine
glacisartige Ebene, auf der unſere Fouragirungen dem Feinde
auch nicht einen Grashalm uͤbrig gelaſſen *). Der Paſcha
erklaͤrte es fuͤr eine Schande, zuruͤck zu gehen; dabei fuͤrch-
tete er, Biradſchik ſei eben allzu ſtark, der Feind wuͤrde
uns uͤberhaupt da nicht anzugreifen wagen u. ſ. w., worauf
ich ihm erwiederte, er moͤge hier meine rechte Hand ab-
hauen, wenn Jbrahim ohne eine Schlacht nach Aleppo
zuruͤck ginge. Da es ſich um die wichtigſten Jntereſſen
handelte, ſo nahm ich nicht Anſtand, mich in Gegenwart
der hoͤhern Offiziere des Heeres, Muſtapha-Paſcha's,
Mashar-Paſcha's, Han-Effendi's u. a. m., aufs frei-
muͤthigſte und nachdruͤcklichſte auszuſprechen; ich ſtellte dem
Paſcha die geringe Zuverlaͤſſigkeit ſeines Heeres und die
Staͤrke der Gegner vor, wie unſere Verſtaͤrkungen von al-
len Seiten im Anzuge ſeien, und es alſo nur darauf an-
kaͤme, Zeit bis zu ihrer Ankunft zu gewinnen, daß es ſich
ja nur um einen freiwilligen Ruͤckzug handele, der vom
*) Aegyptiſche Nachrichten haben ſpaͤter beſtaͤtigt, daß Jbrahim-
Paſcha am Tage der Schlacht das letzte Brot an ſeine Armee
ausgegeben hat.
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/397>, abgerufen am 25.11.2024.
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