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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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wohl übrigens auf den Raub angewiesen, den Truppen ist
eine doppelte Löhnung gezahlt; Geld wird mit vollen Hän-
den gespendet.

Unsere Vorposten (2 Eskadrons) stehen vor Nisib hart
an der Grenze; es waren ihnen Pferde weggelaufen, die
Spahi's suchten sie auf jenseitigem Gebiete, einer von ihnen
wird verwundet und stirbt. Aus diesem Hergange wird
ein entsetzliches Halloh gemacht; Pascha Effendimis con-
vocirt einen Divan der Mollahs, deren wir hier zu Dutzen-
den jetzt haben, und die den Pas vor den General-Lieute-
nants nehmen (wahrscheinlich bis das Fetwa ausgefer-
tigt ist).

Der Pascha bringt in alle Welt, ihm zu bestätigen,
daß jenes Ereigniß eine gültige Ursache zum Kriege sei, die
Mollahs sind vollkommen seiner Meinung; Du kannst Dir
denken, daß wir das nicht so unbedingt sind. Jch habe
dem Pascha gestern, um gewiß deutlich zu sein, durch den
Dragoman ausdrücklich gesagt: "Die Mollahs können dir
sagen, ob der Krieg gerecht -- ob er aber klug, kannst nur
du allein beurtheilen. Die ganze Lage der Verhältnisse, die
Absichten des Großherrn, die der europäischen Höfe, --
Stärke und Stellung aller unserer, so wie der feindlichen
Corps, die Hülfsmittel des Landes, die angehäuften Vor-
räthe etc., Alles das müßte vorliegen, um in dieser hoch-
wichtigen Sache einen Rath zu geben, und alle diese Dinge
wissen weder die Mollahs, noch ich, noch sonst Jemand,
als du. Die ganze Ehre und die ganze Verantwortlichkeit
fällt auf dich, und von Niemand sonst darfst du Rath er-
warten." -- Das ist aber nicht, was er zu hören wünscht.

Der Pascha läßt es zwar nicht an Confiance, wohl aber
zuweilen an Confidences fehlen, er räumt indeß ein, daß
man den Krieg durchaus nicht erklären darf, ehe wir nicht
ganz bereit sind, ihn auch sogleich anzufangen. Wir brau-
chen von heut an noch mindestens vierzehn Tage oder drei
Wochen, um nur marschfertig zu sein, und diese Zeit bleibt
Euch, um eine Vereinigung, oder doch ein Zusammenwir-

wohl uͤbrigens auf den Raub angewieſen, den Truppen iſt
eine doppelte Loͤhnung gezahlt; Geld wird mit vollen Haͤn-
den geſpendet.

Unſere Vorpoſten (2 Eskadrons) ſtehen vor Niſib hart
an der Grenze; es waren ihnen Pferde weggelaufen, die
Spahi's ſuchten ſie auf jenſeitigem Gebiete, einer von ihnen
wird verwundet und ſtirbt. Aus dieſem Hergange wird
ein entſetzliches Halloh gemacht; Paſcha Effendimis con-
vocirt einen Divan der Mollahs, deren wir hier zu Dutzen-
den jetzt haben, und die den Pas vor den General-Lieute-
nants nehmen (wahrſcheinlich bis das Fetwa ausgefer-
tigt iſt).

Der Paſcha bringt in alle Welt, ihm zu beſtaͤtigen,
daß jenes Ereigniß eine guͤltige Urſache zum Kriege ſei, die
Mollahs ſind vollkommen ſeiner Meinung; Du kannſt Dir
denken, daß wir das nicht ſo unbedingt ſind. Jch habe
dem Paſcha geſtern, um gewiß deutlich zu ſein, durch den
Dragoman ausdruͤcklich geſagt: „Die Mollahs koͤnnen dir
ſagen, ob der Krieg gerecht — ob er aber klug, kannſt nur
du allein beurtheilen. Die ganze Lage der Verhaͤltniſſe, die
Abſichten des Großherrn, die der europaͤiſchen Hoͤfe, —
Staͤrke und Stellung aller unſerer, ſo wie der feindlichen
Corps, die Huͤlfsmittel des Landes, die angehaͤuften Vor-
raͤthe ꝛc., Alles das muͤßte vorliegen, um in dieſer hoch-
wichtigen Sache einen Rath zu geben, und alle dieſe Dinge
wiſſen weder die Mollahs, noch ich, noch ſonſt Jemand,
als du. Die ganze Ehre und die ganze Verantwortlichkeit
faͤllt auf dich, und von Niemand ſonſt darfſt du Rath er-
warten.“ — Das iſt aber nicht, was er zu hoͤren wuͤnſcht.

Der Paſcha laͤßt es zwar nicht an Confiance, wohl aber
zuweilen an Confidences fehlen, er raͤumt indeß ein, daß
man den Krieg durchaus nicht erklaͤren darf, ehe wir nicht
ganz bereit ſind, ihn auch ſogleich anzufangen. Wir brau-
chen von heut an noch mindeſtens vierzehn Tage oder drei
Wochen, um nur marſchfertig zu ſein, und dieſe Zeit bleibt
Euch, um eine Vereinigung, oder doch ein Zuſammenwir-

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[375/0385] wohl uͤbrigens auf den Raub angewieſen, den Truppen iſt eine doppelte Loͤhnung gezahlt; Geld wird mit vollen Haͤn- den geſpendet. Unſere Vorpoſten (2 Eskadrons) ſtehen vor Niſib hart an der Grenze; es waren ihnen Pferde weggelaufen, die Spahi's ſuchten ſie auf jenſeitigem Gebiete, einer von ihnen wird verwundet und ſtirbt. Aus dieſem Hergange wird ein entſetzliches Halloh gemacht; Paſcha Effendimis con- vocirt einen Divan der Mollahs, deren wir hier zu Dutzen- den jetzt haben, und die den Pas vor den General-Lieute- nants nehmen (wahrſcheinlich bis das Fetwa ausgefer- tigt iſt). Der Paſcha bringt in alle Welt, ihm zu beſtaͤtigen, daß jenes Ereigniß eine guͤltige Urſache zum Kriege ſei, die Mollahs ſind vollkommen ſeiner Meinung; Du kannſt Dir denken, daß wir das nicht ſo unbedingt ſind. Jch habe dem Paſcha geſtern, um gewiß deutlich zu ſein, durch den Dragoman ausdruͤcklich geſagt: „Die Mollahs koͤnnen dir ſagen, ob der Krieg gerecht — ob er aber klug, kannſt nur du allein beurtheilen. Die ganze Lage der Verhaͤltniſſe, die Abſichten des Großherrn, die der europaͤiſchen Hoͤfe, — Staͤrke und Stellung aller unſerer, ſo wie der feindlichen Corps, die Huͤlfsmittel des Landes, die angehaͤuften Vor- raͤthe ꝛc., Alles das muͤßte vorliegen, um in dieſer hoch- wichtigen Sache einen Rath zu geben, und alle dieſe Dinge wiſſen weder die Mollahs, noch ich, noch ſonſt Jemand, als du. Die ganze Ehre und die ganze Verantwortlichkeit faͤllt auf dich, und von Niemand ſonſt darfſt du Rath er- warten.“ — Das iſt aber nicht, was er zu hoͤren wuͤnſcht. Der Paſcha laͤßt es zwar nicht an Confiance, wohl aber zuweilen an Confidences fehlen, er raͤumt indeß ein, daß man den Krieg durchaus nicht erklaͤren darf, ehe wir nicht ganz bereit ſind, ihn auch ſogleich anzufangen. Wir brau- chen von heut an noch mindeſtens vierzehn Tage oder drei Wochen, um nur marſchfertig zu ſein, und dieſe Zeit bleibt Euch, um eine Vereinigung, oder doch ein Zuſammenwir-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/385>, abgerufen am 22.11.2024.