während man an viel geringeren Hindernissen strandet. -- Am Mittage des 5. traf L. ein; er hatte das erste ange- kommene Kelek von nur 45 Schläuchen mit einer Kanone nebst Protze und Bedienungsmannschaft beladen, war ohne allen Unfall in fünf Stunden die zehn Meilen von Sübür- güsch nach Biradschik geschwommen und wurde freudigst begrüßt. Seine rastlose Thätigkeit hatte überhaupt allge- meine Anerkennung gefunden. Gestern nun traf Hafiß- Pascha mit 7 Geschützen und 7 Munitionswagen ebenfalls zu Wasser ein, und heute sind wieder Geschütze angelangt. Das Corps besteht jetzt aus 36 Bataillonen, 10 Eskadrons und 34 Kanonen; drei neue Redouten sind in voller Arbeit.
Jbrahim hat den Moment versäumt; er kannte unsere Lage, wenigstens zum Theil; er muß selbst in schwierigen Verhältnissen sein, sonst würde er sie benutzt haben.
Unsere Stellung hier vor Biradschik ist ohne Rückzug und die schulgerechte Kritik wird sie also tadeln; ich rechne ihr das als einen Vorzug mehr an. Eine Brücke würde un- mittelbar hinter dem Schlachtfeld nur den Ausreißern nütz- lich werden, jetzt weiß Jedermann, daß er stehen oder ver- derben muß. Unsere Stellung hat eine Vertheidigungs- front von 3500 Schritt, auf welcher vier Schanzen ihrer Vollendung nahen, beide Flügel lehnen an den Murad, vor der Front ein Glacis von 600 Schritten, dann ein kleines vollkommen eingesehenes Thal und jenseit sanft ansteigende Höhen; rückwärts fällt der Höhenzug stark, das zweite Treffen ist schon vom Feinde nirgends mehr gesehen, und die Reserven sind ganz gedeckt. Hinter der Verschanzung befindet sich ein 1000 Schritte breiter freier Raum, dann eine Linie von 2500 Schritt Länge, gebildet durch die Zelte der Mansurieh oder Linie und Garden, dahinter die Re- diffs oder Landwehr, am Flusse noch weiter zurück die Ca- vallerie und Artillerie.
Der Anblick der 4000 Zelte von der Schanze herab ge- sehen, der Euphrat und das alte Schloß von Biradschik bilden, beiläufig gesagt, einen sehr malerischen Anblick.
waͤhrend man an viel geringeren Hinderniſſen ſtrandet. — Am Mittage des 5. traf L. ein; er hatte das erſte ange- kommene Kelek von nur 45 Schlaͤuchen mit einer Kanone nebſt Protze und Bedienungsmannſchaft beladen, war ohne allen Unfall in fuͤnf Stunden die zehn Meilen von Suͤbuͤr- guͤſch nach Biradſchik geſchwommen und wurde freudigſt begruͤßt. Seine raſtloſe Thaͤtigkeit hatte uͤberhaupt allge- meine Anerkennung gefunden. Geſtern nun traf Hafiß- Paſcha mit 7 Geſchuͤtzen und 7 Munitionswagen ebenfalls zu Waſſer ein, und heute ſind wieder Geſchuͤtze angelangt. Das Corps beſteht jetzt aus 36 Bataillonen, 10 Eskadrons und 34 Kanonen; drei neue Redouten ſind in voller Arbeit.
Jbrahim hat den Moment verſaͤumt; er kannte unſere Lage, wenigſtens zum Theil; er muß ſelbſt in ſchwierigen Verhaͤltniſſen ſein, ſonſt wuͤrde er ſie benutzt haben.
Unſere Stellung hier vor Biradſchik iſt ohne Ruͤckzug und die ſchulgerechte Kritik wird ſie alſo tadeln; ich rechne ihr das als einen Vorzug mehr an. Eine Bruͤcke wuͤrde un- mittelbar hinter dem Schlachtfeld nur den Ausreißern nuͤtz- lich werden, jetzt weiß Jedermann, daß er ſtehen oder ver- derben muß. Unſere Stellung hat eine Vertheidigungs- front von 3500 Schritt, auf welcher vier Schanzen ihrer Vollendung nahen, beide Fluͤgel lehnen an den Murad, vor der Front ein Glacis von 600 Schritten, dann ein kleines vollkommen eingeſehenes Thal und jenſeit ſanft anſteigende Hoͤhen; ruͤckwaͤrts faͤllt der Hoͤhenzug ſtark, das zweite Treffen iſt ſchon vom Feinde nirgends mehr geſehen, und die Reſerven ſind ganz gedeckt. Hinter der Verſchanzung befindet ſich ein 1000 Schritte breiter freier Raum, dann eine Linie von 2500 Schritt Laͤnge, gebildet durch die Zelte der Manſurieh oder Linie und Garden, dahinter die Re- diffs oder Landwehr, am Fluſſe noch weiter zuruͤck die Ca- vallerie und Artillerie.
Der Anblick der 4000 Zelte von der Schanze herab ge- ſehen, der Euphrat und das alte Schloß von Biradſchik bilden, beilaͤufig geſagt, einen ſehr maleriſchen Anblick.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0381"n="371"/>
waͤhrend man an viel geringeren Hinderniſſen ſtrandet. —<lb/>
Am Mittage des 5. traf L. ein; er hatte das erſte ange-<lb/>
kommene Kelek von nur 45 Schlaͤuchen mit einer Kanone<lb/>
nebſt Protze und Bedienungsmannſchaft beladen, war ohne<lb/>
allen Unfall in fuͤnf Stunden die zehn Meilen von Suͤbuͤr-<lb/>
guͤſch nach Biradſchik geſchwommen und wurde freudigſt<lb/>
begruͤßt. Seine raſtloſe Thaͤtigkeit hatte uͤberhaupt allge-<lb/>
meine Anerkennung gefunden. Geſtern nun traf <hirendition="#g">Hafiß-<lb/>
Paſcha</hi> mit 7 Geſchuͤtzen und 7 Munitionswagen ebenfalls<lb/>
zu Waſſer ein, und heute ſind wieder Geſchuͤtze angelangt.<lb/>
Das Corps beſteht jetzt aus 36 Bataillonen, 10 Eskadrons<lb/>
und 34 Kanonen; drei neue Redouten ſind in voller Arbeit.</p><lb/><p><hirendition="#g">Jbrahim</hi> hat den Moment verſaͤumt; er kannte unſere<lb/>
Lage, wenigſtens zum Theil; er muß ſelbſt in ſchwierigen<lb/>
Verhaͤltniſſen ſein, ſonſt wuͤrde er ſie benutzt haben.</p><lb/><p>Unſere Stellung hier vor Biradſchik iſt ohne Ruͤckzug und<lb/>
die ſchulgerechte Kritik wird ſie alſo tadeln; ich rechne ihr<lb/>
das als einen Vorzug mehr an. Eine <hirendition="#g">Bruͤcke</hi> wuͤrde un-<lb/>
mittelbar hinter dem Schlachtfeld nur den Ausreißern nuͤtz-<lb/>
lich werden, jetzt weiß Jedermann, daß er ſtehen oder ver-<lb/>
derben muß. Unſere Stellung hat eine Vertheidigungs-<lb/>
front von 3500 Schritt, auf welcher vier Schanzen ihrer<lb/>
Vollendung nahen, beide Fluͤgel lehnen an den Murad, vor<lb/>
der Front ein Glacis von 600 Schritten, dann ein kleines<lb/>
vollkommen eingeſehenes Thal und jenſeit ſanft anſteigende<lb/>
Hoͤhen; ruͤckwaͤrts faͤllt der Hoͤhenzug ſtark, das zweite<lb/>
Treffen iſt ſchon vom Feinde nirgends mehr geſehen, und<lb/>
die Reſerven ſind ganz gedeckt. Hinter der Verſchanzung<lb/>
befindet ſich ein 1000 Schritte breiter freier Raum, dann<lb/>
eine Linie von 2500 Schritt Laͤnge, gebildet durch die Zelte<lb/>
der Manſurieh oder Linie und Garden, dahinter die Re-<lb/>
diffs oder Landwehr, am Fluſſe noch weiter zuruͤck die Ca-<lb/>
vallerie und Artillerie.</p><lb/><p>Der Anblick der 4000 Zelte von der Schanze herab ge-<lb/>ſehen, der Euphrat und das alte Schloß von Biradſchik<lb/>
bilden, beilaͤufig geſagt, einen ſehr maleriſchen Anblick.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[371/0381]
waͤhrend man an viel geringeren Hinderniſſen ſtrandet. —
Am Mittage des 5. traf L. ein; er hatte das erſte ange-
kommene Kelek von nur 45 Schlaͤuchen mit einer Kanone
nebſt Protze und Bedienungsmannſchaft beladen, war ohne
allen Unfall in fuͤnf Stunden die zehn Meilen von Suͤbuͤr-
guͤſch nach Biradſchik geſchwommen und wurde freudigſt
begruͤßt. Seine raſtloſe Thaͤtigkeit hatte uͤberhaupt allge-
meine Anerkennung gefunden. Geſtern nun traf Hafiß-
Paſcha mit 7 Geſchuͤtzen und 7 Munitionswagen ebenfalls
zu Waſſer ein, und heute ſind wieder Geſchuͤtze angelangt.
Das Corps beſteht jetzt aus 36 Bataillonen, 10 Eskadrons
und 34 Kanonen; drei neue Redouten ſind in voller Arbeit.
Jbrahim hat den Moment verſaͤumt; er kannte unſere
Lage, wenigſtens zum Theil; er muß ſelbſt in ſchwierigen
Verhaͤltniſſen ſein, ſonſt wuͤrde er ſie benutzt haben.
Unſere Stellung hier vor Biradſchik iſt ohne Ruͤckzug und
die ſchulgerechte Kritik wird ſie alſo tadeln; ich rechne ihr
das als einen Vorzug mehr an. Eine Bruͤcke wuͤrde un-
mittelbar hinter dem Schlachtfeld nur den Ausreißern nuͤtz-
lich werden, jetzt weiß Jedermann, daß er ſtehen oder ver-
derben muß. Unſere Stellung hat eine Vertheidigungs-
front von 3500 Schritt, auf welcher vier Schanzen ihrer
Vollendung nahen, beide Fluͤgel lehnen an den Murad, vor
der Front ein Glacis von 600 Schritten, dann ein kleines
vollkommen eingeſehenes Thal und jenſeit ſanft anſteigende
Hoͤhen; ruͤckwaͤrts faͤllt der Hoͤhenzug ſtark, das zweite
Treffen iſt ſchon vom Feinde nirgends mehr geſehen, und
die Reſerven ſind ganz gedeckt. Hinter der Verſchanzung
befindet ſich ein 1000 Schritte breiter freier Raum, dann
eine Linie von 2500 Schritt Laͤnge, gebildet durch die Zelte
der Manſurieh oder Linie und Garden, dahinter die Re-
diffs oder Landwehr, am Fluſſe noch weiter zuruͤck die Ca-
vallerie und Artillerie.
Der Anblick der 4000 Zelte von der Schanze herab ge-
ſehen, der Euphrat und das alte Schloß von Biradſchik
bilden, beilaͤufig geſagt, einen ſehr maleriſchen Anblick.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/381>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.