Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
62.
Versammlung des Corps zu Biradschik.

Der Pascha hatte mich nach Karakaik voraus geschickt,
wo ich einen guten Lagerplatz für das gesammte Corps fand;
mittlerweile war er selbst nach Biradschik gegangen, hatte sich
in die Stellung verliebt, und befahl ohne Weiteres, daß
Alles direkt dahin abrücken sollte, d. h. er verlegte den
Sammelplatz unter sich getrennter Colonnen unter den Bart
des Feindes. Obwohl wir 700 Keleks oder Flöße aus
Hammelfellen in Malatia hatten, so war, als wir sie ge-
brauchten, nicht eins am untern Murad vorhanden, und
es gab kein Mittel, die Artillerie weder über den Gok-suj
noch über den Euphrat zu schaffen. Nach der hierüber ge-
machten Meldung sollte das Fuhrwerk auf den alten Straßen
Sultan Murads an Rumkaleh vorüber nach Biradschik gehen.

Die ganze Anordnung rückgängig zu machen war nicht
in meiner Macht; der Commandirende mit neun Pascha's
befand sich mit nur 12 Bataillonen, 2 Eskadrons und 9
Geschützen zu Biradschik; die übrigen Colonnen traten natür-
lich sogleich ihren Marsch auf beiden Seiten des Murad
an, und es galt jetzt nur, sobald wie möglich Verstärkun-
gen, namentlich an Geschütz, nach Biradschik zu schaffen.

Da die Keleks doch unfehlbar bald ankommen mußten
(es wurde täglich ein Tatar danach abgeschickt), so kam
es überhaupt darauf an, einen fahrbaren Weg von Be-
hesne an den Murad unterhalb des Gök-suj zu finden.
Kaum von Karakaik aufgebrochen, begegnete ich zu meiner
großen Freude L., mit dem ich durch das Gök-suj zurück-
schwamm. Als wir das graue flache Gebirg vor uns sa-
hen, hatte ich wenig Hoffnung, da ich seine Ungangbarkeit
auf drei Straßen erprobt; nichts desto weniger fanden wir
einen ganz bequemen Weg (wahrscheinlich der Rest einer
Römerstraße; sie endet mit prächtigen Ruinen einer Brücke

62.
Verſammlung des Corps zu Biradſchik.

Der Paſcha hatte mich nach Karakaik voraus geſchickt,
wo ich einen guten Lagerplatz fuͤr das geſammte Corps fand;
mittlerweile war er ſelbſt nach Biradſchik gegangen, hatte ſich
in die Stellung verliebt, und befahl ohne Weiteres, daß
Alles direkt dahin abruͤcken ſollte, d. h. er verlegte den
Sammelplatz unter ſich getrennter Colonnen unter den Bart
des Feindes. Obwohl wir 700 Keleks oder Floͤße aus
Hammelfellen in Malatia hatten, ſo war, als wir ſie ge-
brauchten, nicht eins am untern Murad vorhanden, und
es gab kein Mittel, die Artillerie weder uͤber den Gok-ſuj
noch uͤber den Euphrat zu ſchaffen. Nach der hieruͤber ge-
machten Meldung ſollte das Fuhrwerk auf den alten Straßen
Sultan Murads an Rumkaleh voruͤber nach Biradſchik gehen.

Die ganze Anordnung ruͤckgaͤngig zu machen war nicht
in meiner Macht; der Commandirende mit neun Paſcha's
befand ſich mit nur 12 Bataillonen, 2 Eskadrons und 9
Geſchuͤtzen zu Biradſchik; die uͤbrigen Colonnen traten natuͤr-
lich ſogleich ihren Marſch auf beiden Seiten des Murad
an, und es galt jetzt nur, ſobald wie moͤglich Verſtaͤrkun-
gen, namentlich an Geſchuͤtz, nach Biradſchik zu ſchaffen.

Da die Keleks doch unfehlbar bald ankommen mußten
(es wurde taͤglich ein Tatar danach abgeſchickt), ſo kam
es uͤberhaupt darauf an, einen fahrbaren Weg von Be-
hesne an den Murad unterhalb des Goͤk-ſuj zu finden.
Kaum von Karakaik aufgebrochen, begegnete ich zu meiner
großen Freude L., mit dem ich durch das Goͤk-ſuj zuruͤck-
ſchwamm. Als wir das graue flache Gebirg vor uns ſa-
hen, hatte ich wenig Hoffnung, da ich ſeine Ungangbarkeit
auf drei Straßen erprobt; nichts deſto weniger fanden wir
einen ganz bequemen Weg (wahrſcheinlich der Reſt einer
Roͤmerſtraße; ſie endet mit praͤchtigen Ruinen einer Bruͤcke

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0378" n="368"/>
      <div n="1">
        <head>62.<lb/><hi rendition="#b">Ver&#x017F;ammlung des Corps zu Birad&#x017F;chik</hi>.</head><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#et">Beledjik, den 7. Mai 1839.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Der Pa&#x017F;cha hatte mich nach Karakaik voraus ge&#x017F;chickt,<lb/>
wo ich einen guten Lagerplatz fu&#x0364;r das ge&#x017F;ammte Corps fand;<lb/>
mittlerweile war er &#x017F;elb&#x017F;t nach Birad&#x017F;chik gegangen, hatte &#x017F;ich<lb/>
in die Stellung verliebt, und befahl ohne Weiteres, daß<lb/>
Alles direkt dahin abru&#x0364;cken &#x017F;ollte, d. h. er verlegte den<lb/>
Sammelplatz unter &#x017F;ich getrennter Colonnen unter den Bart<lb/>
des Feindes. Obwohl wir 700 Keleks oder Flo&#x0364;ße aus<lb/>
Hammelfellen in Malatia hatten, &#x017F;o war, als wir &#x017F;ie ge-<lb/>
brauchten, nicht eins am untern Murad vorhanden, und<lb/>
es gab kein Mittel, die Artillerie weder u&#x0364;ber den Gok-&#x017F;uj<lb/>
noch u&#x0364;ber den Euphrat zu &#x017F;chaffen. Nach der hieru&#x0364;ber ge-<lb/>
machten Meldung &#x017F;ollte das Fuhrwerk auf den alten Straßen<lb/>
Sultan Murads an Rumkaleh voru&#x0364;ber nach Birad&#x017F;chik gehen.</p><lb/>
          <p>Die ganze Anordnung ru&#x0364;ckga&#x0364;ngig zu machen war nicht<lb/>
in meiner Macht; der Commandirende mit neun Pa&#x017F;cha's<lb/>
befand &#x017F;ich mit nur 12 Bataillonen, 2 Eskadrons und 9<lb/>
Ge&#x017F;chu&#x0364;tzen zu Birad&#x017F;chik; die u&#x0364;brigen Colonnen traten natu&#x0364;r-<lb/>
lich &#x017F;ogleich ihren Mar&#x017F;ch auf beiden Seiten des Murad<lb/>
an, und es galt jetzt nur, &#x017F;obald wie mo&#x0364;glich Ver&#x017F;ta&#x0364;rkun-<lb/>
gen, namentlich an Ge&#x017F;chu&#x0364;tz, nach Birad&#x017F;chik zu &#x017F;chaffen.</p><lb/>
          <p>Da die Keleks doch unfehlbar bald ankommen mußten<lb/>
(es wurde ta&#x0364;glich ein Tatar danach abge&#x017F;chickt), &#x017F;o kam<lb/>
es u&#x0364;berhaupt darauf an, einen fahrbaren Weg von Be-<lb/>
hesne an den Murad unterhalb des Go&#x0364;k-&#x017F;uj zu finden.<lb/>
Kaum von Karakaik aufgebrochen, begegnete ich zu meiner<lb/>
großen Freude L., mit dem ich durch das Go&#x0364;k-&#x017F;uj zuru&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;chwamm. Als wir das graue flache Gebirg vor uns &#x017F;a-<lb/>
hen, hatte ich wenig Hoffnung, da ich &#x017F;eine Ungangbarkeit<lb/>
auf drei Straßen erprobt; nichts de&#x017F;to weniger fanden wir<lb/>
einen ganz bequemen Weg (wahr&#x017F;cheinlich der Re&#x017F;t einer<lb/>
Ro&#x0364;mer&#x017F;traße; &#x017F;ie endet mit pra&#x0364;chtigen Ruinen einer Bru&#x0364;cke<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0378] 62. Verſammlung des Corps zu Biradſchik. Beledjik, den 7. Mai 1839. Der Paſcha hatte mich nach Karakaik voraus geſchickt, wo ich einen guten Lagerplatz fuͤr das geſammte Corps fand; mittlerweile war er ſelbſt nach Biradſchik gegangen, hatte ſich in die Stellung verliebt, und befahl ohne Weiteres, daß Alles direkt dahin abruͤcken ſollte, d. h. er verlegte den Sammelplatz unter ſich getrennter Colonnen unter den Bart des Feindes. Obwohl wir 700 Keleks oder Floͤße aus Hammelfellen in Malatia hatten, ſo war, als wir ſie ge- brauchten, nicht eins am untern Murad vorhanden, und es gab kein Mittel, die Artillerie weder uͤber den Gok-ſuj noch uͤber den Euphrat zu ſchaffen. Nach der hieruͤber ge- machten Meldung ſollte das Fuhrwerk auf den alten Straßen Sultan Murads an Rumkaleh voruͤber nach Biradſchik gehen. Die ganze Anordnung ruͤckgaͤngig zu machen war nicht in meiner Macht; der Commandirende mit neun Paſcha's befand ſich mit nur 12 Bataillonen, 2 Eskadrons und 9 Geſchuͤtzen zu Biradſchik; die uͤbrigen Colonnen traten natuͤr- lich ſogleich ihren Marſch auf beiden Seiten des Murad an, und es galt jetzt nur, ſobald wie moͤglich Verſtaͤrkun- gen, namentlich an Geſchuͤtz, nach Biradſchik zu ſchaffen. Da die Keleks doch unfehlbar bald ankommen mußten (es wurde taͤglich ein Tatar danach abgeſchickt), ſo kam es uͤberhaupt darauf an, einen fahrbaren Weg von Be- hesne an den Murad unterhalb des Goͤk-ſuj zu finden. Kaum von Karakaik aufgebrochen, begegnete ich zu meiner großen Freude L., mit dem ich durch das Goͤk-ſuj zuruͤck- ſchwamm. Als wir das graue flache Gebirg vor uns ſa- hen, hatte ich wenig Hoffnung, da ich ſeine Ungangbarkeit auf drei Straßen erprobt; nichts deſto weniger fanden wir einen ganz bequemen Weg (wahrſcheinlich der Reſt einer Roͤmerſtraße; ſie endet mit praͤchtigen Ruinen einer Bruͤcke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/378
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/378>, abgerufen am 25.11.2024.