österreichischen, von der arabischen bis zur russischen Grenze zu schützen.
Die besprochene Maaßregel scheint mir daher billig, nothwendig und in dem Theile von Asien, welchen ich kenne, vollkommen ausführbar, womit ich jedoch keineswegs ge- sagt haben will, daß man sie ohne Einschränkung auf alle Rajahs im Reiche ausdehnen soll. Die asiatischen Arme- nier sind ein zahlreicher kräftiger Menschenschlag, unter- würfig und gehorsam aus Gewohnheit, arbeitsam und meh- rentheils wohlhabend; leicht möchte in diesem Augenblick die christlich-armenische Bevölkerung der Pforte treuer er- geben sein, als die muselmännisch-kurdische, oder die mu- selmännisch-arabische.
Hafiß-Pascha hatte den Gedanken, jeder Corporal- schaft einen Armenier einzuverleiben, wodurch ungefähr ein Zwanzigstel des Corps aus dieser Nation bestehen würde. Diese Ansicht theile ich nicht ganz, denn der letzte kurdische Rekrut würde sich noch immer für berechtigt halten, dem Gjaur zu befehlen. Die Rajahs würden eine sehr unglück- liche Existenz haben, und man könnte auf diesem Wege um so weniger gute Soldaten erzielen, als dem Armenier jede Aussicht auch auf die unterste Befehlshaberstelle abgeschnit- ten wäre.
Bildete man dagegen für jedes unserer Rediff-Regi- menter ein viertes armenisches Bataillon, so öffnete sich für den Rajah ein Avancement im Heere bis zum Bimbaschi oder Major incl.; es würde ohne Zweifel ein Wetteifer zwi- schen den muselmännischen und christlichen Bataillonen ein- treten, der nur zum Vortheil beider ausschlagen könnte, die Maaßregel würde von dem Rajah mit weniger Miß- trauen aufgenommen werden, das Heer einen bedeutenden Zuwachs und das Land eine große Erleichterung erlangen. Diejenigen Rajahs, welche die Waffen tragen, müßten na- türlich vom Haradsch befreit sein, und eine Emancipation der christlichen Bevölkerung vielleicht so auf dem gerechte- sten und leichtesten Wege erzielt werden.
oͤſterreichiſchen, von der arabiſchen bis zur ruſſiſchen Grenze zu ſchuͤtzen.
Die beſprochene Maaßregel ſcheint mir daher billig, nothwendig und in dem Theile von Aſien, welchen ich kenne, vollkommen ausfuͤhrbar, womit ich jedoch keineswegs ge- ſagt haben will, daß man ſie ohne Einſchraͤnkung auf alle Rajahs im Reiche ausdehnen ſoll. Die aſiatiſchen Arme- nier ſind ein zahlreicher kraͤftiger Menſchenſchlag, unter- wuͤrfig und gehorſam aus Gewohnheit, arbeitſam und meh- rentheils wohlhabend; leicht moͤchte in dieſem Augenblick die chriſtlich-armeniſche Bevoͤlkerung der Pforte treuer er- geben ſein, als die muſelmaͤnniſch-kurdiſche, oder die mu- ſelmaͤnniſch-arabiſche.
Hafiß-Paſcha hatte den Gedanken, jeder Corporal- ſchaft einen Armenier einzuverleiben, wodurch ungefaͤhr ein Zwanzigſtel des Corps aus dieſer Nation beſtehen wuͤrde. Dieſe Anſicht theile ich nicht ganz, denn der letzte kurdiſche Rekrut wuͤrde ſich noch immer fuͤr berechtigt halten, dem Gjaur zu befehlen. Die Rajahs wuͤrden eine ſehr ungluͤck- liche Exiſtenz haben, und man koͤnnte auf dieſem Wege um ſo weniger gute Soldaten erzielen, als dem Armenier jede Ausſicht auch auf die unterſte Befehlshaberſtelle abgeſchnit- ten waͤre.
Bildete man dagegen fuͤr jedes unſerer Rediff-Regi- menter ein viertes armeniſches Bataillon, ſo oͤffnete ſich fuͤr den Rajah ein Avancement im Heere bis zum Bimbaſchi oder Major incl.; es wuͤrde ohne Zweifel ein Wetteifer zwi- ſchen den muſelmaͤnniſchen und chriſtlichen Bataillonen ein- treten, der nur zum Vortheil beider ausſchlagen koͤnnte, die Maaßregel wuͤrde von dem Rajah mit weniger Miß- trauen aufgenommen werden, das Heer einen bedeutenden Zuwachs und das Land eine große Erleichterung erlangen. Diejenigen Rajahs, welche die Waffen tragen, muͤßten na- tuͤrlich vom Haradſch befreit ſein, und eine Emancipation der chriſtlichen Bevoͤlkerung vielleicht ſo auf dem gerechte- ſten und leichteſten Wege erzielt werden.
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oͤſterreichiſchen, von der arabiſchen bis zur ruſſiſchen Grenze
zu ſchuͤtzen.
Die beſprochene Maaßregel ſcheint mir daher billig,
nothwendig und in dem Theile von Aſien, welchen ich kenne,
vollkommen ausfuͤhrbar, womit ich jedoch keineswegs ge-
ſagt haben will, daß man ſie ohne Einſchraͤnkung auf alle
Rajahs im Reiche ausdehnen ſoll. Die aſiatiſchen Arme-
nier ſind ein zahlreicher kraͤftiger Menſchenſchlag, unter-
wuͤrfig und gehorſam aus Gewohnheit, arbeitſam und meh-
rentheils wohlhabend; leicht moͤchte in dieſem Augenblick
die chriſtlich-armeniſche Bevoͤlkerung der Pforte treuer er-
geben ſein, als die muſelmaͤnniſch-kurdiſche, oder die mu-
ſelmaͤnniſch-arabiſche.
Hafiß-Paſcha hatte den Gedanken, jeder Corporal-
ſchaft einen Armenier einzuverleiben, wodurch ungefaͤhr ein
Zwanzigſtel des Corps aus dieſer Nation beſtehen wuͤrde.
Dieſe Anſicht theile ich nicht ganz, denn der letzte kurdiſche
Rekrut wuͤrde ſich noch immer fuͤr berechtigt halten, dem
Gjaur zu befehlen. Die Rajahs wuͤrden eine ſehr ungluͤck-
liche Exiſtenz haben, und man koͤnnte auf dieſem Wege um
ſo weniger gute Soldaten erzielen, als dem Armenier jede
Ausſicht auch auf die unterſte Befehlshaberſtelle abgeſchnit-
ten waͤre.
Bildete man dagegen fuͤr jedes unſerer Rediff-Regi-
menter ein viertes armeniſches Bataillon, ſo oͤffnete ſich fuͤr
den Rajah ein Avancement im Heere bis zum Bimbaſchi
oder Major incl.; es wuͤrde ohne Zweifel ein Wetteifer zwi-
ſchen den muſelmaͤnniſchen und chriſtlichen Bataillonen ein-
treten, der nur zum Vortheil beider ausſchlagen koͤnnte,
die Maaßregel wuͤrde von dem Rajah mit weniger Miß-
trauen aufgenommen werden, das Heer einen bedeutenden
Zuwachs und das Land eine große Erleichterung erlangen.
Diejenigen Rajahs, welche die Waffen tragen, muͤßten na-
tuͤrlich vom Haradſch befreit ſein, und eine Emancipation
der chriſtlichen Bevoͤlkerung vielleicht ſo auf dem gerechte-
ſten und leichteſten Wege erzielt werden.
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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