sehr die Vortrefflichkeit unserer Militair-Einrichtungen. Jm Laufe des Gesprächs kam die Rede auf das Kriegsspiel, von welchem er ein Exemplar besaß. Der Pascha schien sehr erfreut, zu erfahren, daß ich im Stande sein würde, ihm den Gebrauch desselben zu erklären.
Du weißt, daß meine Absicht war, nur etwa drei Wo- chen in Konstantinopel zu verweilen und dann über Athen und Neapel zurückzukehren. Nun hat aber der Seraskier mich durch die Gesandtschaft förmlich auffordern lassen, die Abreise zu verschieben, was meinen ganzen Reiseplan ändert. Jch muß meinen Gefährten, den Baron B., allein ziehen lassen, was mir in jeder Beziehung äußerst leid ist.
6. Spaziergang durch Tophane. -- Oeffentliche Brief- schreiber. -- Galata.
Konstantinopel, den 4. Januar 1836.
Jch schrieb Dir in meinem letzten Brief, daß mein Aufenthalt sich hier unerwartet verlängert. Der Seras- kier läßt mich alle Woche ein paarmal rufen; da die Tür- ken aber jetzt den Ramasan feiern, wo alle Geschäfte des Tages über ruhen, so finden die Besuche des Nachts statt. Das 10-ruderige Kaik des Seraskiers erwartet mich zu Galata, und am jenseitigen Ufer des Hafens finde ich seine Pferde. Eben so geht es zurück. Voraus schreitet ein Kawaß oder Polizei-Soldat, der mit seinem langen Stock unbarmherzig auf Alles losschlägt, was nicht aus dem Wege geht; dann folgt der Jmrohor oder Stallmeister des Pascha und zwei Fackelträger zu Fuß; dann ich auf einem schönen türkischen Hengst mit Tigerdecken und goldenen Zügeln, begleitet von den Dolmetsch. Die hohen Kuppeln und Minarehs erglänzen vom röthlichen Schein der flak- kernden "Maschallahs" oder Fackeln; der Sturm fegt die Funken an die schneebedeckten Dächer, und die Wachen
ſehr die Vortrefflichkeit unſerer Militair-Einrichtungen. Jm Laufe des Geſpraͤchs kam die Rede auf das Kriegsſpiel, von welchem er ein Exemplar beſaß. Der Paſcha ſchien ſehr erfreut, zu erfahren, daß ich im Stande ſein wuͤrde, ihm den Gebrauch deſſelben zu erklaͤren.
Du weißt, daß meine Abſicht war, nur etwa drei Wo- chen in Konſtantinopel zu verweilen und dann uͤber Athen und Neapel zuruͤckzukehren. Nun hat aber der Seraskier mich durch die Geſandtſchaft foͤrmlich auffordern laſſen, die Abreiſe zu verſchieben, was meinen ganzen Reiſeplan aͤndert. Jch muß meinen Gefaͤhrten, den Baron B., allein ziehen laſſen, was mir in jeder Beziehung aͤußerſt leid iſt.
6. Spaziergang durch Tophane. — Oeffentliche Brief- ſchreiber. — Galata.
Konſtantinopel, den 4. Januar 1836.
Jch ſchrieb Dir in meinem letzten Brief, daß mein Aufenthalt ſich hier unerwartet verlaͤngert. Der Seras- kier laͤßt mich alle Woche ein paarmal rufen; da die Tuͤr- ken aber jetzt den Ramaſan feiern, wo alle Geſchaͤfte des Tages uͤber ruhen, ſo finden die Beſuche des Nachts ſtatt. Das 10-ruderige Kaik des Seraskiers erwartet mich zu Galata, und am jenſeitigen Ufer des Hafens finde ich ſeine Pferde. Eben ſo geht es zuruͤck. Voraus ſchreitet ein Kawaß oder Polizei-Soldat, der mit ſeinem langen Stock unbarmherzig auf Alles losſchlaͤgt, was nicht aus dem Wege geht; dann folgt der Jmrohor oder Stallmeiſter des Paſcha und zwei Fackeltraͤger zu Fuß; dann ich auf einem ſchoͤnen tuͤrkiſchen Hengſt mit Tigerdecken und goldenen Zuͤgeln, begleitet von den Dolmetſch. Die hohen Kuppeln und Minarehs erglaͤnzen vom roͤthlichen Schein der flak- kernden „Maſchallahs“ oder Fackeln; der Sturm fegt die Funken an die ſchneebedeckten Daͤcher, und die Wachen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="24"/>ſehr die Vortrefflichkeit unſerer Militair-Einrichtungen. Jm<lb/>
Laufe des Geſpraͤchs kam die Rede auf das Kriegsſpiel,<lb/>
von welchem er ein Exemplar beſaß. Der Paſcha ſchien<lb/>ſehr erfreut, zu erfahren, daß ich im Stande ſein wuͤrde,<lb/>
ihm den Gebrauch deſſelben zu erklaͤren.</p><lb/><p>Du weißt, daß meine Abſicht war, nur etwa drei Wo-<lb/>
chen in Konſtantinopel zu verweilen und dann uͤber Athen<lb/>
und Neapel zuruͤckzukehren. Nun hat aber der Seraskier<lb/>
mich durch die Geſandtſchaft foͤrmlich auffordern laſſen, die<lb/>
Abreiſe zu verſchieben, was meinen ganzen Reiſeplan aͤndert.<lb/>
Jch muß meinen Gefaͤhrten, den Baron B., allein ziehen<lb/>
laſſen, was mir in jeder Beziehung aͤußerſt leid iſt.</p></div><lb/><divn="1"><head>6.<lb/><hirendition="#b">Spaziergang durch Tophane. — Oeffentliche Brief-<lb/>ſchreiber. — Galata.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Konſtantinopel, den 4. Januar 1836.</hi></dateline><lb/><p>Jch ſchrieb Dir in meinem letzten Brief, daß mein<lb/>
Aufenthalt ſich hier unerwartet verlaͤngert. Der Seras-<lb/>
kier laͤßt mich alle Woche ein paarmal rufen; da die Tuͤr-<lb/>
ken aber jetzt den Ramaſan feiern, wo alle Geſchaͤfte des<lb/>
Tages uͤber ruhen, ſo finden die Beſuche des Nachts ſtatt.<lb/>
Das 10-ruderige Kaik des Seraskiers erwartet mich zu<lb/>
Galata, und am jenſeitigen Ufer des Hafens finde ich ſeine<lb/>
Pferde. Eben ſo geht es zuruͤck. Voraus ſchreitet ein<lb/>
Kawaß oder Polizei-Soldat, der mit ſeinem langen Stock<lb/>
unbarmherzig auf Alles losſchlaͤgt, was nicht aus dem<lb/>
Wege geht; dann folgt der Jmrohor oder Stallmeiſter des<lb/>
Paſcha und zwei Fackeltraͤger zu Fuß; dann ich auf einem<lb/>ſchoͤnen tuͤrkiſchen Hengſt mit Tigerdecken und goldenen<lb/>
Zuͤgeln, begleitet von den Dolmetſch. Die hohen Kuppeln<lb/>
und Minarehs erglaͤnzen vom roͤthlichen Schein der flak-<lb/>
kernden „Maſchallahs“ oder Fackeln; der Sturm fegt die<lb/>
Funken an die ſchneebedeckten Daͤcher, und die Wachen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[24/0034]
ſehr die Vortrefflichkeit unſerer Militair-Einrichtungen. Jm
Laufe des Geſpraͤchs kam die Rede auf das Kriegsſpiel,
von welchem er ein Exemplar beſaß. Der Paſcha ſchien
ſehr erfreut, zu erfahren, daß ich im Stande ſein wuͤrde,
ihm den Gebrauch deſſelben zu erklaͤren.
Du weißt, daß meine Abſicht war, nur etwa drei Wo-
chen in Konſtantinopel zu verweilen und dann uͤber Athen
und Neapel zuruͤckzukehren. Nun hat aber der Seraskier
mich durch die Geſandtſchaft foͤrmlich auffordern laſſen, die
Abreiſe zu verſchieben, was meinen ganzen Reiſeplan aͤndert.
Jch muß meinen Gefaͤhrten, den Baron B., allein ziehen
laſſen, was mir in jeder Beziehung aͤußerſt leid iſt.
6.
Spaziergang durch Tophane. — Oeffentliche Brief-
ſchreiber. — Galata.
Konſtantinopel, den 4. Januar 1836.
Jch ſchrieb Dir in meinem letzten Brief, daß mein
Aufenthalt ſich hier unerwartet verlaͤngert. Der Seras-
kier laͤßt mich alle Woche ein paarmal rufen; da die Tuͤr-
ken aber jetzt den Ramaſan feiern, wo alle Geſchaͤfte des
Tages uͤber ruhen, ſo finden die Beſuche des Nachts ſtatt.
Das 10-ruderige Kaik des Seraskiers erwartet mich zu
Galata, und am jenſeitigen Ufer des Hafens finde ich ſeine
Pferde. Eben ſo geht es zuruͤck. Voraus ſchreitet ein
Kawaß oder Polizei-Soldat, der mit ſeinem langen Stock
unbarmherzig auf Alles losſchlaͤgt, was nicht aus dem
Wege geht; dann folgt der Jmrohor oder Stallmeiſter des
Paſcha und zwei Fackeltraͤger zu Fuß; dann ich auf einem
ſchoͤnen tuͤrkiſchen Hengſt mit Tigerdecken und goldenen
Zuͤgeln, begleitet von den Dolmetſch. Die hohen Kuppeln
und Minarehs erglaͤnzen vom roͤthlichen Schein der flak-
kernden „Maſchallahs“ oder Fackeln; der Sturm fegt die
Funken an die ſchneebedeckten Daͤcher, und die Wachen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/34>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.