Nach alt-morgenländischer Sitte wurden alle öffent- lichen Geschäfte unter dem Thor der Wohnung abgemacht, welches auf arabisch Bab, auf türkisch Kapu heißt, auch haben diese Portale ihre frühere, diesem Zweck entsprechende Bauart beibehalten. Gewöhnlich sind sie mit einer Kuppel gedeckt, auf welcher der goldene Halbmond blitzt, und von einem weit vorgreifenden Dache umgeben, welches den Har- renden Schatten und Schutz gewährt. Solcher Thore sind zu Konstantinopel, namentlich das Pascha-Kapussi oder die eigentliche "Hohe Pforte" vor dem Eingang zum Pallast der Großveziere; das Baba-Humajun oder Kaiserthor im Seraj; Aga-Kapussi, das Thor der Janitscharen-Aga's, wo jetzt der Scheich ül Jslam wohnt, das Seraskier-Kapu u. a. m.
Die Wohnung dieses Würdenträgers ist ein ausge- dehntes hölzernes Gebäude, welches einen schönen Blick auf das Marmor-Meer gewährt. Ein geräumiger Exer- zierplatz befindet sich vor, eine Kaserne für zwei Jnfanterie- Regimenter hinter demselben. Der Seraskier empfing den Gesandten stehend in einem sehr großen Saal mit vielen Fenstern. Außer dem breiten Divan befinden sich Sopha's, Stühle, Tafeluhren und Tische im Zimmer, eben so viel Dokumente von der Europäisirung des türkischen Generals. Ein schöner Teppich bedeckte den Fußboden, und ein gro- ßes bronzenes Mangall oder Kohlenbecken glühte in der Mitte des Saals. Nachdem man sich gesetzt, waren wohl zwanzig bis dreißig Aga's beschäftigt, die Pfeifen und den Kaffee zu reichen, denn je mehr man seinen Gast ehren will, je mehr Diener müssen erscheinen. Diese Schaar zog sich dann in tiefer Stille, die Hände als Zeichen der Ehr- furcht vor den Leib gekreuzt, rückwärts nach der Thür und verschwand auf einen Wink des Gebieters.
Der Seraskier führte die Unterhaltung durch das Me- dium eines Dragomans mit vieler Jovialität und Unge- bundenheit. Er richtete auch einige Fragen an mich über das Preußische Landwehrsystem, welche zeigten, daß er sich wohl mit diesem Gegenstand beschäftigt hatte, und rühmte
Nach alt-morgenlaͤndiſcher Sitte wurden alle oͤffent- lichen Geſchaͤfte unter dem Thor der Wohnung abgemacht, welches auf arabiſch Bab, auf tuͤrkiſch Kapu heißt, auch haben dieſe Portale ihre fruͤhere, dieſem Zweck entſprechende Bauart beibehalten. Gewoͤhnlich ſind ſie mit einer Kuppel gedeckt, auf welcher der goldene Halbmond blitzt, und von einem weit vorgreifenden Dache umgeben, welches den Har- renden Schatten und Schutz gewaͤhrt. Solcher Thore ſind zu Konſtantinopel, namentlich das Paſcha-Kapuſſi oder die eigentliche „Hohe Pforte“ vor dem Eingang zum Pallaſt der Großveziere; das Baba-Humajun oder Kaiſerthor im Seraj; Aga-Kapuſſi, das Thor der Janitſcharen-Aga's, wo jetzt der Scheich uͤl Jslam wohnt, das Seraskier-Kapu u. a. m.
Die Wohnung dieſes Wuͤrdentraͤgers iſt ein ausge- dehntes hoͤlzernes Gebaͤude, welches einen ſchoͤnen Blick auf das Marmor-Meer gewaͤhrt. Ein geraͤumiger Exer- zierplatz befindet ſich vor, eine Kaſerne fuͤr zwei Jnfanterie- Regimenter hinter demſelben. Der Seraskier empfing den Geſandten ſtehend in einem ſehr großen Saal mit vielen Fenſtern. Außer dem breiten Divan befinden ſich Sopha's, Stuͤhle, Tafeluhren und Tiſche im Zimmer, eben ſo viel Dokumente von der Europaͤiſirung des tuͤrkiſchen Generals. Ein ſchoͤner Teppich bedeckte den Fußboden, und ein gro- ßes bronzenes Mangall oder Kohlenbecken gluͤhte in der Mitte des Saals. Nachdem man ſich geſetzt, waren wohl zwanzig bis dreißig Aga's beſchaͤftigt, die Pfeifen und den Kaffee zu reichen, denn je mehr man ſeinen Gaſt ehren will, je mehr Diener muͤſſen erſcheinen. Dieſe Schaar zog ſich dann in tiefer Stille, die Haͤnde als Zeichen der Ehr- furcht vor den Leib gekreuzt, ruͤckwaͤrts nach der Thuͤr und verſchwand auf einen Wink des Gebieters.
Der Seraskier fuͤhrte die Unterhaltung durch das Me- dium eines Dragomans mit vieler Jovialitaͤt und Unge- bundenheit. Er richtete auch einige Fragen an mich uͤber das Preußiſche Landwehrſyſtem, welche zeigten, daß er ſich wohl mit dieſem Gegenſtand beſchaͤftigt hatte, und ruͤhmte
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0033"n="23"/><p>Nach alt-morgenlaͤndiſcher Sitte wurden alle oͤffent-<lb/>
lichen Geſchaͤfte unter dem Thor der Wohnung abgemacht,<lb/>
welches auf arabiſch Bab, auf tuͤrkiſch Kapu heißt, auch<lb/>
haben dieſe Portale ihre fruͤhere, dieſem Zweck entſprechende<lb/>
Bauart beibehalten. Gewoͤhnlich ſind ſie mit einer Kuppel<lb/>
gedeckt, auf welcher der goldene Halbmond blitzt, und von<lb/>
einem weit vorgreifenden Dache umgeben, welches den Har-<lb/>
renden Schatten und Schutz gewaͤhrt. Solcher Thore ſind<lb/>
zu Konſtantinopel, namentlich das Paſcha-Kapuſſi oder die<lb/>
eigentliche „Hohe Pforte“ vor dem Eingang zum Pallaſt der<lb/>
Großveziere; das Baba-Humajun oder Kaiſerthor im Seraj;<lb/>
Aga-Kapuſſi, das Thor der Janitſcharen-Aga's, wo jetzt der<lb/>
Scheich <hirendition="#g">uͤl Jslam</hi> wohnt, das Seraskier-Kapu u. a. m.</p><lb/><p>Die Wohnung dieſes Wuͤrdentraͤgers iſt ein ausge-<lb/>
dehntes hoͤlzernes Gebaͤude, welches einen ſchoͤnen Blick<lb/>
auf das Marmor-Meer gewaͤhrt. Ein geraͤumiger Exer-<lb/>
zierplatz befindet ſich vor, eine Kaſerne fuͤr zwei Jnfanterie-<lb/>
Regimenter hinter demſelben. Der Seraskier empfing den<lb/>
Geſandten ſtehend in einem ſehr großen Saal mit vielen<lb/>
Fenſtern. Außer dem breiten Divan befinden ſich Sopha's,<lb/>
Stuͤhle, Tafeluhren und Tiſche im Zimmer, eben ſo viel<lb/>
Dokumente von der Europaͤiſirung des tuͤrkiſchen Generals.<lb/>
Ein ſchoͤner Teppich bedeckte den Fußboden, und ein gro-<lb/>
ßes bronzenes Mangall oder Kohlenbecken gluͤhte in der<lb/>
Mitte des Saals. Nachdem man ſich geſetzt, waren wohl<lb/>
zwanzig bis dreißig Aga's beſchaͤftigt, die Pfeifen und den<lb/>
Kaffee zu reichen, denn je mehr man ſeinen Gaſt ehren<lb/>
will, je mehr Diener muͤſſen erſcheinen. Dieſe Schaar zog<lb/>ſich dann in tiefer Stille, die Haͤnde als Zeichen der Ehr-<lb/>
furcht vor den Leib gekreuzt, ruͤckwaͤrts nach der Thuͤr und<lb/>
verſchwand auf einen Wink des Gebieters.</p><lb/><p>Der Seraskier fuͤhrte die Unterhaltung durch das Me-<lb/>
dium eines Dragomans mit vieler Jovialitaͤt und Unge-<lb/>
bundenheit. Er richtete auch einige Fragen an mich uͤber<lb/>
das Preußiſche Landwehrſyſtem, welche zeigten, daß er ſich<lb/>
wohl mit dieſem Gegenſtand beſchaͤftigt hatte, und ruͤhmte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[23/0033]
Nach alt-morgenlaͤndiſcher Sitte wurden alle oͤffent-
lichen Geſchaͤfte unter dem Thor der Wohnung abgemacht,
welches auf arabiſch Bab, auf tuͤrkiſch Kapu heißt, auch
haben dieſe Portale ihre fruͤhere, dieſem Zweck entſprechende
Bauart beibehalten. Gewoͤhnlich ſind ſie mit einer Kuppel
gedeckt, auf welcher der goldene Halbmond blitzt, und von
einem weit vorgreifenden Dache umgeben, welches den Har-
renden Schatten und Schutz gewaͤhrt. Solcher Thore ſind
zu Konſtantinopel, namentlich das Paſcha-Kapuſſi oder die
eigentliche „Hohe Pforte“ vor dem Eingang zum Pallaſt der
Großveziere; das Baba-Humajun oder Kaiſerthor im Seraj;
Aga-Kapuſſi, das Thor der Janitſcharen-Aga's, wo jetzt der
Scheich uͤl Jslam wohnt, das Seraskier-Kapu u. a. m.
Die Wohnung dieſes Wuͤrdentraͤgers iſt ein ausge-
dehntes hoͤlzernes Gebaͤude, welches einen ſchoͤnen Blick
auf das Marmor-Meer gewaͤhrt. Ein geraͤumiger Exer-
zierplatz befindet ſich vor, eine Kaſerne fuͤr zwei Jnfanterie-
Regimenter hinter demſelben. Der Seraskier empfing den
Geſandten ſtehend in einem ſehr großen Saal mit vielen
Fenſtern. Außer dem breiten Divan befinden ſich Sopha's,
Stuͤhle, Tafeluhren und Tiſche im Zimmer, eben ſo viel
Dokumente von der Europaͤiſirung des tuͤrkiſchen Generals.
Ein ſchoͤner Teppich bedeckte den Fußboden, und ein gro-
ßes bronzenes Mangall oder Kohlenbecken gluͤhte in der
Mitte des Saals. Nachdem man ſich geſetzt, waren wohl
zwanzig bis dreißig Aga's beſchaͤftigt, die Pfeifen und den
Kaffee zu reichen, denn je mehr man ſeinen Gaſt ehren
will, je mehr Diener muͤſſen erſcheinen. Dieſe Schaar zog
ſich dann in tiefer Stille, die Haͤnde als Zeichen der Ehr-
furcht vor den Leib gekreuzt, ruͤckwaͤrts nach der Thuͤr und
verſchwand auf einen Wink des Gebieters.
Der Seraskier fuͤhrte die Unterhaltung durch das Me-
dium eines Dragomans mit vieler Jovialitaͤt und Unge-
bundenheit. Er richtete auch einige Fragen an mich uͤber
das Preußiſche Landwehrſyſtem, welche zeigten, daß er ſich
wohl mit dieſem Gegenſtand beſchaͤftigt hatte, und ruͤhmte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/33>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.