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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Die Pappeln wachsen da, wo man sie bewässern kann, un-
glaublich schnell zu großer Mächtigkeit heran; in Hasru
bewunderte ich einen künstlichen Pappelhain, in welchem
die schlanken Stämme dicht wie ein Kornfeld neben einan-
der standen.

Am folgenden Tage ritten wir durch das Gebirg nach
Jllidscha, und am 4. Abends erreichten wir nach einem Ge-
waltmarsch Sivan-Maaden; nur die besten Pferde hielten
noch neben der trefflichen arabischen Stute des Pascha's
aus, wohl die Hälfte des Gefolges war zurückgeblieben,
und die minder guten Thiere erlagen der Anstrengung.

Jn Sivan läßt Hafiß-Pascha einen Hochofen bauen.
Kaum kann es eine reichere Eisenmine geben, und die leich-
ter zu benutzen wäre, als diese; man braucht gar nicht
unter die Erddecke hinab zu gehen, denn Berge und Thä-
ler sind hier weit und breit mit kleinen und großen Stein-
blöcken von schwarzer Farbe bedeckt; man darf diese Steine
nur in die Hand nehmen, so überzeugt schon die bloße
Schwere davon, wie metallhaltig sie sind. Der Vorrath
für ein Jahrhundert liegt an Tageslicht umher gestreut.

Jndem wir einen der Zuflüsse zum Tigris hinauf rit-
ten, erreichten wir die hohe Wasserscheide zwischen diesem
Flusse und dem Euphrat oder Murad; aber sehr überra-
schend ist es, wie nahe die Quellen des ersten an dem Ufer
des letztern liegen, welcher dort bereits zu einem mächtigen
Strome herangewachsen ist. Die Entfernung beträgt kaum
mehr als 1000 oder 1500 Schritte.

Es macht meinem Pascha Ehre, daß er die ganze Wich-
tigkeit des Euphrat aufzufassen weiß; die Ufer des obern
Flusses besitzen Alles, was den untern fehlt, Holz, Eisen
und Korn. Der Benutzung des Stromes selbst, als Was-
serstraße für den Transport dieser Gegenstände durch eine
fast ganz unwegsame Gegend, steht der Durchbruch durch
das klein-armenische, jetzt kurdische, Gebirge als bedeuten-
tendes Hinderniß entgegen; unsere Karten fertigen die Sache
kurz ab, indem sie den Fluß quer durchziehen und "Wasser-

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Die Pappeln wachſen da, wo man ſie bewaͤſſern kann, un-
glaublich ſchnell zu großer Maͤchtigkeit heran; in Hasru
bewunderte ich einen kuͤnſtlichen Pappelhain, in welchem
die ſchlanken Staͤmme dicht wie ein Kornfeld neben einan-
der ſtanden.

Am folgenden Tage ritten wir durch das Gebirg nach
Jllidſcha, und am 4. Abends erreichten wir nach einem Ge-
waltmarſch Sivan-Maaden; nur die beſten Pferde hielten
noch neben der trefflichen arabiſchen Stute des Paſcha's
aus, wohl die Haͤlfte des Gefolges war zuruͤckgeblieben,
und die minder guten Thiere erlagen der Anſtrengung.

Jn Sivan laͤßt Hafiß-Paſcha einen Hochofen bauen.
Kaum kann es eine reichere Eiſenmine geben, und die leich-
ter zu benutzen waͤre, als dieſe; man braucht gar nicht
unter die Erddecke hinab zu gehen, denn Berge und Thaͤ-
ler ſind hier weit und breit mit kleinen und großen Stein-
bloͤcken von ſchwarzer Farbe bedeckt; man darf dieſe Steine
nur in die Hand nehmen, ſo uͤberzeugt ſchon die bloße
Schwere davon, wie metallhaltig ſie ſind. Der Vorrath
fuͤr ein Jahrhundert liegt an Tageslicht umher geſtreut.

Jndem wir einen der Zufluͤſſe zum Tigris hinauf rit-
ten, erreichten wir die hohe Waſſerſcheide zwiſchen dieſem
Fluſſe und dem Euphrat oder Murad; aber ſehr uͤberra-
ſchend iſt es, wie nahe die Quellen des erſten an dem Ufer
des letztern liegen, welcher dort bereits zu einem maͤchtigen
Strome herangewachſen iſt. Die Entfernung betraͤgt kaum
mehr als 1000 oder 1500 Schritte.

Es macht meinem Paſcha Ehre, daß er die ganze Wich-
tigkeit des Euphrat aufzufaſſen weiß; die Ufer des obern
Fluſſes beſitzen Alles, was den untern fehlt, Holz, Eiſen
und Korn. Der Benutzung des Stromes ſelbſt, als Waſ-
ſerſtraße fuͤr den Transport dieſer Gegenſtaͤnde durch eine
faſt ganz unwegſame Gegend, ſteht der Durchbruch durch
das klein-armeniſche, jetzt kurdiſche, Gebirge als bedeuten-
tendes Hinderniß entgegen; unſere Karten fertigen die Sache
kurz ab, indem ſie den Fluß quer durchziehen und „Waſſer-

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[289/0299] Die Pappeln wachſen da, wo man ſie bewaͤſſern kann, un- glaublich ſchnell zu großer Maͤchtigkeit heran; in Hasru bewunderte ich einen kuͤnſtlichen Pappelhain, in welchem die ſchlanken Staͤmme dicht wie ein Kornfeld neben einan- der ſtanden. Am folgenden Tage ritten wir durch das Gebirg nach Jllidſcha, und am 4. Abends erreichten wir nach einem Ge- waltmarſch Sivan-Maaden; nur die beſten Pferde hielten noch neben der trefflichen arabiſchen Stute des Paſcha's aus, wohl die Haͤlfte des Gefolges war zuruͤckgeblieben, und die minder guten Thiere erlagen der Anſtrengung. Jn Sivan laͤßt Hafiß-Paſcha einen Hochofen bauen. Kaum kann es eine reichere Eiſenmine geben, und die leich- ter zu benutzen waͤre, als dieſe; man braucht gar nicht unter die Erddecke hinab zu gehen, denn Berge und Thaͤ- ler ſind hier weit und breit mit kleinen und großen Stein- bloͤcken von ſchwarzer Farbe bedeckt; man darf dieſe Steine nur in die Hand nehmen, ſo uͤberzeugt ſchon die bloße Schwere davon, wie metallhaltig ſie ſind. Der Vorrath fuͤr ein Jahrhundert liegt an Tageslicht umher geſtreut. Jndem wir einen der Zufluͤſſe zum Tigris hinauf rit- ten, erreichten wir die hohe Waſſerſcheide zwiſchen dieſem Fluſſe und dem Euphrat oder Murad; aber ſehr uͤberra- ſchend iſt es, wie nahe die Quellen des erſten an dem Ufer des letztern liegen, welcher dort bereits zu einem maͤchtigen Strome herangewachſen iſt. Die Entfernung betraͤgt kaum mehr als 1000 oder 1500 Schritte. Es macht meinem Paſcha Ehre, daß er die ganze Wich- tigkeit des Euphrat aufzufaſſen weiß; die Ufer des obern Fluſſes beſitzen Alles, was den untern fehlt, Holz, Eiſen und Korn. Der Benutzung des Stromes ſelbſt, als Waſ- ſerſtraße fuͤr den Transport dieſer Gegenſtaͤnde durch eine faſt ganz unwegſame Gegend, ſteht der Durchbruch durch das klein-armeniſche, jetzt kurdiſche, Gebirge als bedeuten- tendes Hinderniß entgegen; unſere Karten fertigen die Sache kurz ab, indem ſie den Fluß quer durchziehen und „Waſſer- 19

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/299>, abgerufen am 22.11.2024.