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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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zwanzig Meilen weit östlich erstreckt und von vielen und
großen Wasserläufen durchschnitten wird.

Zuerst überschritten wir das Battman-suj auf einer
prachtvollen alten Brücke, "Battman-köpry"; sie ist durch-
aus von derselben Bauart, und wahrscheinlich aus der-
selben Zeit, wie die bei Haßn-kejfa, aber noch ganz er-
halten; ein gewaltiger Bogen von 100 Fuß Spannung
und wohl 80 Fuß Höhe setzt über den reißenden Berg-
strom. Jndem wir um eine Felsecke bogen, standen wir
plötzlich vor dem ungeheuern Bauwerk; das ehrwürdige
alte Gemäuer, der brausende Strom und die bewegte Scene
eines türkischen Reiterzuges gewährten in der lauwarmen
Mondnacht einen malerischen Anblick.

Gegen Morgen erreichten wir Meja-Farkin, das alte
Tigranocerta, den Sitz der einst mächtigen Könige von Ar-
menien; Mauern und Thürme sind wohl erhalten, und die
schönen Thürme einer großen Burg dürften wohl die Stelle
bezeichnen, wo die Nachfolger Arsazes gehauset. Die Stadt
liegt auf der untersten Stufe des Gebirgs, aus welchem
ein reicher Fluß hervortritt und in schönen Windungen
durch die Ebene dem Tigris zuzieht; aber das Jnnere zeigt
fast nur Trümmer und die frischen Spuren des Zerstö-
rungskrieges, welcher die Kurden unlängst mit Mühe un-
ter die Herrschaft der Türken gebracht hat. Diese Erobe-
rung hat Tausenden, nicht blos von Bewaffneten, sondern
auch von Wehrlosen, von Weibern und Kindern das Leben
gekostet, hat tausende von Ortschaften zerstört und den Fleiß
vieler Jahre nutzlos gemacht. Es ist betrübend, zu den-
ken, daß sie wahrscheinlich auch diesmal, wie so oft früher,
nur vorübergehend sein wird, wenn eine bessere Verwal-
tung den Kurden nicht ihre Unabhängigkeit ersetzt.

Nach kurzer Rast auf einer feuchten Wiese, während
unsere Pferde sich in dem hohen Grase erholten, weckten
uns die brennenden Strahlen der aufgehenden Sonne; wir
setzten unsern Marsch in derselben Richtung über den stei-
nigen öden Gebirgsfuß fort. Die Hitze war sehr groß;

zwanzig Meilen weit oͤſtlich erſtreckt und von vielen und
großen Waſſerlaͤufen durchſchnitten wird.

Zuerſt uͤberſchritten wir das Battman-ſuj auf einer
prachtvollen alten Bruͤcke, „Battman-koͤpry“; ſie iſt durch-
aus von derſelben Bauart, und wahrſcheinlich aus der-
ſelben Zeit, wie die bei Haßn-kejfa, aber noch ganz er-
halten; ein gewaltiger Bogen von 100 Fuß Spannung
und wohl 80 Fuß Hoͤhe ſetzt uͤber den reißenden Berg-
ſtrom. Jndem wir um eine Felsecke bogen, ſtanden wir
ploͤtzlich vor dem ungeheuern Bauwerk; das ehrwuͤrdige
alte Gemaͤuer, der brauſende Strom und die bewegte Scene
eines tuͤrkiſchen Reiterzuges gewaͤhrten in der lauwarmen
Mondnacht einen maleriſchen Anblick.

Gegen Morgen erreichten wir Meja-Farkin, das alte
Tigranocerta, den Sitz der einſt maͤchtigen Koͤnige von Ar-
menien; Mauern und Thuͤrme ſind wohl erhalten, und die
ſchoͤnen Thuͤrme einer großen Burg duͤrften wohl die Stelle
bezeichnen, wo die Nachfolger Arſazes gehauſet. Die Stadt
liegt auf der unterſten Stufe des Gebirgs, aus welchem
ein reicher Fluß hervortritt und in ſchoͤnen Windungen
durch die Ebene dem Tigris zuzieht; aber das Jnnere zeigt
faſt nur Truͤmmer und die friſchen Spuren des Zerſtoͤ-
rungskrieges, welcher die Kurden unlaͤngſt mit Muͤhe un-
ter die Herrſchaft der Tuͤrken gebracht hat. Dieſe Erobe-
rung hat Tauſenden, nicht blos von Bewaffneten, ſondern
auch von Wehrloſen, von Weibern und Kindern das Leben
gekoſtet, hat tauſende von Ortſchaften zerſtoͤrt und den Fleiß
vieler Jahre nutzlos gemacht. Es iſt betruͤbend, zu den-
ken, daß ſie wahrſcheinlich auch diesmal, wie ſo oft fruͤher,
nur voruͤbergehend ſein wird, wenn eine beſſere Verwal-
tung den Kurden nicht ihre Unabhaͤngigkeit erſetzt.

Nach kurzer Raſt auf einer feuchten Wieſe, waͤhrend
unſere Pferde ſich in dem hohen Graſe erholten, weckten
uns die brennenden Strahlen der aufgehenden Sonne; wir
ſetzten unſern Marſch in derſelben Richtung uͤber den ſtei-
nigen oͤden Gebirgsfuß fort. Die Hitze war ſehr groß;

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[287/0297] zwanzig Meilen weit oͤſtlich erſtreckt und von vielen und großen Waſſerlaͤufen durchſchnitten wird. Zuerſt uͤberſchritten wir das Battman-ſuj auf einer prachtvollen alten Bruͤcke, „Battman-koͤpry“; ſie iſt durch- aus von derſelben Bauart, und wahrſcheinlich aus der- ſelben Zeit, wie die bei Haßn-kejfa, aber noch ganz er- halten; ein gewaltiger Bogen von 100 Fuß Spannung und wohl 80 Fuß Hoͤhe ſetzt uͤber den reißenden Berg- ſtrom. Jndem wir um eine Felsecke bogen, ſtanden wir ploͤtzlich vor dem ungeheuern Bauwerk; das ehrwuͤrdige alte Gemaͤuer, der brauſende Strom und die bewegte Scene eines tuͤrkiſchen Reiterzuges gewaͤhrten in der lauwarmen Mondnacht einen maleriſchen Anblick. Gegen Morgen erreichten wir Meja-Farkin, das alte Tigranocerta, den Sitz der einſt maͤchtigen Koͤnige von Ar- menien; Mauern und Thuͤrme ſind wohl erhalten, und die ſchoͤnen Thuͤrme einer großen Burg duͤrften wohl die Stelle bezeichnen, wo die Nachfolger Arſazes gehauſet. Die Stadt liegt auf der unterſten Stufe des Gebirgs, aus welchem ein reicher Fluß hervortritt und in ſchoͤnen Windungen durch die Ebene dem Tigris zuzieht; aber das Jnnere zeigt faſt nur Truͤmmer und die friſchen Spuren des Zerſtoͤ- rungskrieges, welcher die Kurden unlaͤngſt mit Muͤhe un- ter die Herrſchaft der Tuͤrken gebracht hat. Dieſe Erobe- rung hat Tauſenden, nicht blos von Bewaffneten, ſondern auch von Wehrloſen, von Weibern und Kindern das Leben gekoſtet, hat tauſende von Ortſchaften zerſtoͤrt und den Fleiß vieler Jahre nutzlos gemacht. Es iſt betruͤbend, zu den- ken, daß ſie wahrſcheinlich auch diesmal, wie ſo oft fruͤher, nur voruͤbergehend ſein wird, wenn eine beſſere Verwal- tung den Kurden nicht ihre Unabhaͤngigkeit erſetzt. Nach kurzer Raſt auf einer feuchten Wieſe, waͤhrend unſere Pferde ſich in dem hohen Graſe erholten, weckten uns die brennenden Strahlen der aufgehenden Sonne; wir ſetzten unſern Marſch in derſelben Richtung uͤber den ſtei- nigen oͤden Gebirgsfuß fort. Die Hitze war ſehr groß;

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/297>, abgerufen am 23.11.2024.