men. Nur mit Mühe gelang es, aus grünen Tannenzwei- gen ein Feuer mitten auf dem Fußboden anzufachen und der Rauch wurde bald so unerträglich, daß man es nur an der Erde liegend aushalten konnte. Zu essen gab es hier nichts, und wir mußten uns, bis auf die Haut durchnäßt, schlafen legen, denn selbst die Mantelsäcke trieften von Regen.
Jch suchte mir den trockensten Platz in der Hütte auf und schlief aus Ermüdung sehr bald fest ein. Als ich am folgenden Morgen aufwachte, fühlte ich jedoch, daß ich kein ganz bequemes Lager gehabt hatte. Jch befand mich auf einer Art Schleife, deren ganze Fläche mit scharfen Feuer- steinen besetzt war. Man drischt nämlich hier das Korn nicht wie bei uns, sondern legt es im Freien auf eine Art Tenne "Harman" und fährt dann mit dem beschriebenen Schlit- ten im Kreise darauf herum. Das Stroh wird dabei zu- gleich zermalmt und den Pferden genießbarer gemacht.
Nachdem wir unsern kleinen Führer reichlich beschenkt, setzten wir bei fortwährendem Regen die Reise weiter fort. Aber schon Mittags mußten wir in einem elenden Dorfe liegen bleiben, weil es keine Möglichkeit war, einen der Zuflußbäche zur Tundscha zu passiren. Als am folgenden Morgen das Wasser etwas gefallen, furtheten wir durch; das Packpferd aber stürzte mit unsern Sachen in den Fluß und wäre beinah davon geschwommen. Die Wege waren bodenlos aufgeweicht, und unsere Caravane gewährte den traurigsten Anblick, als wir endlich in Adrianopel einzogen.
Wie alle türkischen Städte ist auch Adrianopel von Außen gesehen sehr schön. Jn einem weiten Wiesenthal, zwischen mächtigen Baumgruppen und schlängelnden Fluß- armen erheben sich die Kuppeln und Minarehs, die Mau- ern und Thürme über ein Gewirr von flachen rothen Dä- chern, zwischen denen lichtgrüne Sträucher und hohe schwarze Cypressen hervorleuchten. Die mächtige Moschee Sultan Selims mit ihren vier schlanken Minarehs ragt auf dem höchsten Hügel über die ganze Stadt empor,
men. Nur mit Muͤhe gelang es, aus gruͤnen Tannenzwei- gen ein Feuer mitten auf dem Fußboden anzufachen und der Rauch wurde bald ſo unertraͤglich, daß man es nur an der Erde liegend aushalten konnte. Zu eſſen gab es hier nichts, und wir mußten uns, bis auf die Haut durchnaͤßt, ſchlafen legen, denn ſelbſt die Mantelſaͤcke trieften von Regen.
Jch ſuchte mir den trockenſten Platz in der Huͤtte auf und ſchlief aus Ermuͤdung ſehr bald feſt ein. Als ich am folgenden Morgen aufwachte, fuͤhlte ich jedoch, daß ich kein ganz bequemes Lager gehabt hatte. Jch befand mich auf einer Art Schleife, deren ganze Flaͤche mit ſcharfen Feuer- ſteinen beſetzt war. Man driſcht naͤmlich hier das Korn nicht wie bei uns, ſondern legt es im Freien auf eine Art Tenne „Harman“ und faͤhrt dann mit dem beſchriebenen Schlit- ten im Kreiſe darauf herum. Das Stroh wird dabei zu- gleich zermalmt und den Pferden genießbarer gemacht.
Nachdem wir unſern kleinen Fuͤhrer reichlich beſchenkt, ſetzten wir bei fortwaͤhrendem Regen die Reiſe weiter fort. Aber ſchon Mittags mußten wir in einem elenden Dorfe liegen bleiben, weil es keine Moͤglichkeit war, einen der Zuflußbaͤche zur Tundſcha zu paſſiren. Als am folgenden Morgen das Waſſer etwas gefallen, furtheten wir durch; das Packpferd aber ſtuͤrzte mit unſern Sachen in den Fluß und waͤre beinah davon geſchwommen. Die Wege waren bodenlos aufgeweicht, und unſere Caravane gewaͤhrte den traurigſten Anblick, als wir endlich in Adrianopel einzogen.
Wie alle tuͤrkiſchen Staͤdte iſt auch Adrianopel von Außen geſehen ſehr ſchoͤn. Jn einem weiten Wieſenthal, zwiſchen maͤchtigen Baumgruppen und ſchlaͤngelnden Fluß- armen erheben ſich die Kuppeln und Minarehs, die Mau- ern und Thuͤrme uͤber ein Gewirr von flachen rothen Daͤ- chern, zwiſchen denen lichtgruͤne Straͤucher und hohe ſchwarze Cypreſſen hervorleuchten. Die maͤchtige Moſchee Sultan Selims mit ihren vier ſchlanken Minarehs ragt auf dem hoͤchſten Huͤgel uͤber die ganze Stadt empor,
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men. Nur mit Muͤhe gelang es, aus gruͤnen Tannenzwei-
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Rauch wurde bald ſo unertraͤglich, daß man es nur an der
Erde liegend aushalten konnte. Zu eſſen gab es hier nichts,
und wir mußten uns, bis auf die Haut durchnaͤßt, ſchlafen
legen, denn ſelbſt die Mantelſaͤcke trieften von Regen.
Jch ſuchte mir den trockenſten Platz in der Huͤtte auf
und ſchlief aus Ermuͤdung ſehr bald feſt ein. Als ich am
folgenden Morgen aufwachte, fuͤhlte ich jedoch, daß ich
kein ganz bequemes Lager gehabt hatte. Jch befand mich
auf einer Art Schleife, deren ganze Flaͤche mit ſcharfen Feuer-
ſteinen beſetzt war. Man driſcht naͤmlich hier das Korn nicht
wie bei uns, ſondern legt es im Freien auf eine Art Tenne
„Harman“ und faͤhrt dann mit dem beſchriebenen Schlit-
ten im Kreiſe darauf herum. Das Stroh wird dabei zu-
gleich zermalmt und den Pferden genießbarer gemacht.
Nachdem wir unſern kleinen Fuͤhrer reichlich beſchenkt,
ſetzten wir bei fortwaͤhrendem Regen die Reiſe weiter fort.
Aber ſchon Mittags mußten wir in einem elenden Dorfe
liegen bleiben, weil es keine Moͤglichkeit war, einen der
Zuflußbaͤche zur Tundſcha zu paſſiren. Als am folgenden
Morgen das Waſſer etwas gefallen, furtheten wir durch;
das Packpferd aber ſtuͤrzte mit unſern Sachen in den Fluß
und waͤre beinah davon geſchwommen. Die Wege waren
bodenlos aufgeweicht, und unſere Caravane gewaͤhrte den
traurigſten Anblick, als wir endlich in Adrianopel einzogen.
Wie alle tuͤrkiſchen Staͤdte iſt auch Adrianopel von
Außen geſehen ſehr ſchoͤn. Jn einem weiten Wieſenthal,
zwiſchen maͤchtigen Baumgruppen und ſchlaͤngelnden Fluß-
armen erheben ſich die Kuppeln und Minarehs, die Mau-
ern und Thuͤrme uͤber ein Gewirr von flachen rothen Daͤ-
chern, zwiſchen denen lichtgruͤne Straͤucher und hohe
ſchwarze Cypreſſen hervorleuchten. Die maͤchtige Moſchee
Sultan Selims mit ihren vier ſchlanken Minarehs ragt
auf dem hoͤchſten Huͤgel uͤber die ganze Stadt empor,
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/28>, abgerufen am 23.11.2024.
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