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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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scher Sprache geführt, als ob nur ein Mißverständniß ob-
gewaltet.

Sayd ist ein großer schöner Mann mit ausdrucks-
vollem Gesicht; seine kleinen Augen blitzten in der Ver-
sammlung umher, aber sein Gesicht war vollkommen ruhig.
Nun soll das Schloß geschleift werden -- es ist ein Jam-
mer, aber freilich ist es nöthig; wollte man einen Com-
mandanten mit einer Garnison darauf setzen, so würde der
Commandant bald Sayd-Bey spielen.


Jch muß Dich nun auf ein paar Augenblicke in die
Burg hineinführen, welche ich Dir bisher von Außen ge-
zeigt, und Du wirst in Gedanken leichter den steilen ge-
wundenen Pfad hinan kommen, als ich auf meinem Maul-
esel, erschöpft und müde wie ich bin.

So weit es mit einer Arschine, einer Lanze und einer
Wasserwaage geschehen kann, habe ich die Höhe gemessen,
und habe gefunden, daß die Spitze des großen Thurms
1363 Fuß über dem Zelte des Pascha's in der Wiese liegt.

Hinter den Coulissen sieht man anders, als vom Bal-
kon. Dies Schloß ist stark durch seine Lage, aber schwach
durch seine bauliche Ausführung; es kann auf keine Weise
mit den soliden prächtigen Bauten der Genueser verglichen
werden, die Mauern sind dünn, gewölbt war nur das
Kornmagazin, eine der Cisternen und die obere Etage des
Thurms, welcher Sayd-Bey's Gemach enthielt. Der Bau-
meister hatte sich nie träumen lassen, daß Kugeln von den
Klippen westlich des Schlosses herkommen würden, und
hatte die Eingangsthür dieses Gemachs dorthin gekehrt.
Nun kam aber wirklich eine 3 Okalik Kugel von jenem
Adlerhorst, zerschmetterte den Schlußstein des Gewölbes
über der Thür, und fuhr in den Spiegel (gewiß den ein-
zigen seiner Species funfzig Stunden in der Runde) über
des Bey's Ruhebette.

ſcher Sprache gefuͤhrt, als ob nur ein Mißverſtaͤndniß ob-
gewaltet.

Sayd iſt ein großer ſchoͤner Mann mit ausdrucks-
vollem Geſicht; ſeine kleinen Augen blitzten in der Ver-
ſammlung umher, aber ſein Geſicht war vollkommen ruhig.
Nun ſoll das Schloß geſchleift werden — es iſt ein Jam-
mer, aber freilich iſt es noͤthig; wollte man einen Com-
mandanten mit einer Garniſon darauf ſetzen, ſo wuͤrde der
Commandant bald Sayd-Bey ſpielen.


Jch muß Dich nun auf ein paar Augenblicke in die
Burg hineinfuͤhren, welche ich Dir bisher von Außen ge-
zeigt, und Du wirſt in Gedanken leichter den ſteilen ge-
wundenen Pfad hinan kommen, als ich auf meinem Maul-
eſel, erſchoͤpft und muͤde wie ich bin.

So weit es mit einer Arſchine, einer Lanze und einer
Waſſerwaage geſchehen kann, habe ich die Hoͤhe gemeſſen,
und habe gefunden, daß die Spitze des großen Thurms
1363 Fuß uͤber dem Zelte des Paſcha's in der Wieſe liegt.

Hinter den Couliſſen ſieht man anders, als vom Bal-
kon. Dies Schloß iſt ſtark durch ſeine Lage, aber ſchwach
durch ſeine bauliche Ausfuͤhrung; es kann auf keine Weiſe
mit den ſoliden praͤchtigen Bauten der Genueſer verglichen
werden, die Mauern ſind duͤnn, gewoͤlbt war nur das
Kornmagazin, eine der Ciſternen und die obere Etage des
Thurms, welcher Sayd-Bey's Gemach enthielt. Der Bau-
meiſter hatte ſich nie traͤumen laſſen, daß Kugeln von den
Klippen weſtlich des Schloſſes herkommen wuͤrden, und
hatte die Eingangsthuͤr dieſes Gemachs dorthin gekehrt.
Nun kam aber wirklich eine 3 Okalik Kugel von jenem
Adlerhorſt, zerſchmetterte den Schlußſtein des Gewoͤlbes
uͤber der Thuͤr, und fuhr in den Spiegel (gewiß den ein-
zigen ſeiner Species funfzig Stunden in der Runde) uͤber
des Bey's Ruhebette.

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[266/0276] ſcher Sprache gefuͤhrt, als ob nur ein Mißverſtaͤndniß ob- gewaltet. Sayd iſt ein großer ſchoͤner Mann mit ausdrucks- vollem Geſicht; ſeine kleinen Augen blitzten in der Ver- ſammlung umher, aber ſein Geſicht war vollkommen ruhig. Nun ſoll das Schloß geſchleift werden — es iſt ein Jam- mer, aber freilich iſt es noͤthig; wollte man einen Com- mandanten mit einer Garniſon darauf ſetzen, ſo wuͤrde der Commandant bald Sayd-Bey ſpielen. Sayd-Bey-Kaleſſi (im Lager), den 13. Mai 1838. Jch muß Dich nun auf ein paar Augenblicke in die Burg hineinfuͤhren, welche ich Dir bisher von Außen ge- zeigt, und Du wirſt in Gedanken leichter den ſteilen ge- wundenen Pfad hinan kommen, als ich auf meinem Maul- eſel, erſchoͤpft und muͤde wie ich bin. So weit es mit einer Arſchine, einer Lanze und einer Waſſerwaage geſchehen kann, habe ich die Hoͤhe gemeſſen, und habe gefunden, daß die Spitze des großen Thurms 1363 Fuß uͤber dem Zelte des Paſcha's in der Wieſe liegt. Hinter den Couliſſen ſieht man anders, als vom Bal- kon. Dies Schloß iſt ſtark durch ſeine Lage, aber ſchwach durch ſeine bauliche Ausfuͤhrung; es kann auf keine Weiſe mit den ſoliden praͤchtigen Bauten der Genueſer verglichen werden, die Mauern ſind duͤnn, gewoͤlbt war nur das Kornmagazin, eine der Ciſternen und die obere Etage des Thurms, welcher Sayd-Bey's Gemach enthielt. Der Bau- meiſter hatte ſich nie traͤumen laſſen, daß Kugeln von den Klippen weſtlich des Schloſſes herkommen wuͤrden, und hatte die Eingangsthuͤr dieſes Gemachs dorthin gekehrt. Nun kam aber wirklich eine 3 Okalik Kugel von jenem Adlerhorſt, zerſchmetterte den Schlußſtein des Gewoͤlbes uͤber der Thuͤr, und fuhr in den Spiegel (gewiß den ein- zigen ſeiner Species funfzig Stunden in der Runde) uͤber des Bey's Ruhebette.

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/276>, abgerufen am 24.11.2024.