diese Prophezeihung auszustreichen, wenn sie nicht eintrifft; geschieht es aber, so habe ich's vorhergesagt.)
Den 9. Heute früh wurde das Feuer eröffnet; die fünf Geschütze, welche bis jetzt oben sind, thaten jedes 20 bis 30 Schuß. Die Hälfte der Bomben fiel in den Schloß- hof, doch verursachte das Platzen (welches nicht immer er- folgte) viel weniger Schaden, als ich geglaubt, weil das Terrain äußerst uneben ist; zweimal fielen die Bomben auf die Terrasse des Schlosses, jedoch ohne durchzuschlagen, die "Baljemeß" (die schweren Kanonen, wörtlich "die nicht Honig fressen") und das 5 Okalik schossen sehr ungleich. Etwa ein Drittel der Kugeln traf das Schloß, ein Drittel fiel in den Hof, ein Drittel ging darüber weg; eine Kugel fuhr durch die Thür des Thurms, und wird wohl etwas "Kalabalyk" in seinem Jnnern gemacht haben.
Die Entfernung der westlichen Batterie ist 750, die der östlichen aber 850 Schritte vom Schlosse. Du wirst sagen: das ist zu weit; aber, "ne japalym", was können wir thun? wir danken Gott, so nahe gekommen zu sein. Der Feind zeigt übrigens gute Contenance; wenn wir vor- bei schießen, so verhöhnt er uns mit lautem Geschrei, tref- fen wir, so erwiedert er mit Flintenschüssen, von denen wir, bei der Entfernung, aber gar keine Notiz nehmen. Mei- nes Wissens ist von dem Nisam noch Niemand verwundet, von unsern Kurden jedoch viele. Der Pascha hat mir so eben den Auftrag gegeben, heute Nacht nach dem Schlosse hinauf zu steigen, um einen Ort auszusuchen, wo man den Mineur ansetzen kann.
Da morgen ein Tatar von Diarbekr abgeht, so über- sende ich Dir diesen Bericht, den ich inschallah fortsetzen werde. Vorgestern (eben als wir die Geschütze hinauf ge- bracht) erhielt ich Deine Briefe vom 28. März bis 8. April, für die ich Dir sehr danke; Du kannst Dir denken, daß ich mich sehr darüber freute, denn jenseits des Tigris hat ein freundlicher Gruß von europäischen Bekannten und Freun- den zehnfachen Werth.
dieſe Prophezeihung auszuſtreichen, wenn ſie nicht eintrifft; geſchieht es aber, ſo habe ich's vorhergeſagt.)
Den 9. Heute fruͤh wurde das Feuer eroͤffnet; die fuͤnf Geſchuͤtze, welche bis jetzt oben ſind, thaten jedes 20 bis 30 Schuß. Die Haͤlfte der Bomben fiel in den Schloß- hof, doch verurſachte das Platzen (welches nicht immer er- folgte) viel weniger Schaden, als ich geglaubt, weil das Terrain aͤußerſt uneben iſt; zweimal fielen die Bomben auf die Terraſſe des Schloſſes, jedoch ohne durchzuſchlagen, die „Baljemeß“ (die ſchweren Kanonen, woͤrtlich „die nicht Honig freſſen“) und das 5 Okalik ſchoſſen ſehr ungleich. Etwa ein Drittel der Kugeln traf das Schloß, ein Drittel fiel in den Hof, ein Drittel ging daruͤber weg; eine Kugel fuhr durch die Thuͤr des Thurms, und wird wohl etwas „Kalabalyk“ in ſeinem Jnnern gemacht haben.
Die Entfernung der weſtlichen Batterie iſt 750, die der oͤſtlichen aber 850 Schritte vom Schloſſe. Du wirſt ſagen: das iſt zu weit; aber, „ne japalym“, was koͤnnen wir thun? wir danken Gott, ſo nahe gekommen zu ſein. Der Feind zeigt uͤbrigens gute Contenance; wenn wir vor- bei ſchießen, ſo verhoͤhnt er uns mit lautem Geſchrei, tref- fen wir, ſo erwiedert er mit Flintenſchuͤſſen, von denen wir, bei der Entfernung, aber gar keine Notiz nehmen. Mei- nes Wiſſens iſt von dem Niſam noch Niemand verwundet, von unſern Kurden jedoch viele. Der Paſcha hat mir ſo eben den Auftrag gegeben, heute Nacht nach dem Schloſſe hinauf zu ſteigen, um einen Ort auszuſuchen, wo man den Mineur anſetzen kann.
Da morgen ein Tatar von Diarbekr abgeht, ſo uͤber- ſende ich Dir dieſen Bericht, den ich inschallah fortſetzen werde. Vorgeſtern (eben als wir die Geſchuͤtze hinauf ge- bracht) erhielt ich Deine Briefe vom 28. Maͤrz bis 8. April, fuͤr die ich Dir ſehr danke; Du kannſt Dir denken, daß ich mich ſehr daruͤber freute, denn jenſeits des Tigris hat ein freundlicher Gruß von europaͤiſchen Bekannten und Freun- den zehnfachen Werth.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0272"n="262"/>
dieſe Prophezeihung auszuſtreichen, wenn ſie nicht eintrifft;<lb/>
geſchieht es aber, ſo habe ich's vorhergeſagt.)</p><lb/><p>Den 9. Heute fruͤh wurde das Feuer eroͤffnet; die<lb/>
fuͤnf Geſchuͤtze, welche bis jetzt oben ſind, thaten jedes 20<lb/>
bis 30 Schuß. Die Haͤlfte der Bomben fiel in den Schloß-<lb/>
hof, doch verurſachte das Platzen (welches nicht immer er-<lb/>
folgte) viel weniger Schaden, als ich geglaubt, weil das<lb/>
Terrain aͤußerſt uneben iſt; zweimal fielen die Bomben auf<lb/>
die Terraſſe des Schloſſes, jedoch ohne durchzuſchlagen, die<lb/>„Baljemeß“ (die ſchweren Kanonen, woͤrtlich „die nicht<lb/>
Honig freſſen“) und das 5 Okalik ſchoſſen ſehr ungleich.<lb/>
Etwa ein Drittel der Kugeln traf das Schloß, ein Drittel<lb/>
fiel in den Hof, ein Drittel ging daruͤber weg; eine Kugel<lb/>
fuhr durch die Thuͤr des Thurms, und wird wohl etwas<lb/>„Kalabalyk“ in ſeinem Jnnern gemacht haben.</p><lb/><p>Die Entfernung der weſtlichen Batterie iſt 750, die<lb/>
der oͤſtlichen aber 850 Schritte vom Schloſſe. Du wirſt<lb/>ſagen: das iſt zu weit; aber, „<hirendition="#aq">ne japalym</hi>“, was koͤnnen<lb/>
wir thun? wir danken Gott, ſo nahe gekommen zu ſein.<lb/>
Der Feind zeigt uͤbrigens gute Contenance; wenn wir vor-<lb/>
bei ſchießen, ſo verhoͤhnt er uns mit lautem Geſchrei, tref-<lb/>
fen wir, ſo erwiedert er mit Flintenſchuͤſſen, von denen wir,<lb/>
bei der Entfernung, aber gar keine Notiz nehmen. Mei-<lb/>
nes Wiſſens iſt von dem Niſam noch Niemand verwundet,<lb/>
von unſern Kurden jedoch viele. Der Paſcha hat mir ſo<lb/>
eben den Auftrag gegeben, heute Nacht nach dem Schloſſe<lb/>
hinauf zu ſteigen, um einen Ort auszuſuchen, wo man den<lb/>
Mineur anſetzen kann.</p><lb/><p>Da morgen ein Tatar von Diarbekr abgeht, ſo uͤber-<lb/>ſende ich Dir dieſen Bericht, den ich <hirendition="#aq">inschallah</hi> fortſetzen<lb/>
werde. Vorgeſtern (eben als wir die Geſchuͤtze hinauf ge-<lb/>
bracht) erhielt ich Deine Briefe vom 28. Maͤrz bis 8. April,<lb/>
fuͤr die ich Dir ſehr danke; Du kannſt Dir denken, daß ich<lb/>
mich ſehr daruͤber freute, denn jenſeits des Tigris hat ein<lb/>
freundlicher Gruß von europaͤiſchen Bekannten und Freun-<lb/>
den zehnfachen Werth.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[262/0272]
dieſe Prophezeihung auszuſtreichen, wenn ſie nicht eintrifft;
geſchieht es aber, ſo habe ich's vorhergeſagt.)
Den 9. Heute fruͤh wurde das Feuer eroͤffnet; die
fuͤnf Geſchuͤtze, welche bis jetzt oben ſind, thaten jedes 20
bis 30 Schuß. Die Haͤlfte der Bomben fiel in den Schloß-
hof, doch verurſachte das Platzen (welches nicht immer er-
folgte) viel weniger Schaden, als ich geglaubt, weil das
Terrain aͤußerſt uneben iſt; zweimal fielen die Bomben auf
die Terraſſe des Schloſſes, jedoch ohne durchzuſchlagen, die
„Baljemeß“ (die ſchweren Kanonen, woͤrtlich „die nicht
Honig freſſen“) und das 5 Okalik ſchoſſen ſehr ungleich.
Etwa ein Drittel der Kugeln traf das Schloß, ein Drittel
fiel in den Hof, ein Drittel ging daruͤber weg; eine Kugel
fuhr durch die Thuͤr des Thurms, und wird wohl etwas
„Kalabalyk“ in ſeinem Jnnern gemacht haben.
Die Entfernung der weſtlichen Batterie iſt 750, die
der oͤſtlichen aber 850 Schritte vom Schloſſe. Du wirſt
ſagen: das iſt zu weit; aber, „ne japalym“, was koͤnnen
wir thun? wir danken Gott, ſo nahe gekommen zu ſein.
Der Feind zeigt uͤbrigens gute Contenance; wenn wir vor-
bei ſchießen, ſo verhoͤhnt er uns mit lautem Geſchrei, tref-
fen wir, ſo erwiedert er mit Flintenſchuͤſſen, von denen wir,
bei der Entfernung, aber gar keine Notiz nehmen. Mei-
nes Wiſſens iſt von dem Niſam noch Niemand verwundet,
von unſern Kurden jedoch viele. Der Paſcha hat mir ſo
eben den Auftrag gegeben, heute Nacht nach dem Schloſſe
hinauf zu ſteigen, um einen Ort auszuſuchen, wo man den
Mineur anſetzen kann.
Da morgen ein Tatar von Diarbekr abgeht, ſo uͤber-
ſende ich Dir dieſen Bericht, den ich inschallah fortſetzen
werde. Vorgeſtern (eben als wir die Geſchuͤtze hinauf ge-
bracht) erhielt ich Deine Briefe vom 28. Maͤrz bis 8. April,
fuͤr die ich Dir ſehr danke; Du kannſt Dir denken, daß ich
mich ſehr daruͤber freute, denn jenſeits des Tigris hat ein
freundlicher Gruß von europaͤiſchen Bekannten und Freun-
den zehnfachen Werth.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/272>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.