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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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feuer, und hoch über uns schossen sich die Wachen im Mond-
scheine noch herum. Die sehr große Ermüdung ließ mich
nach eingenommener Mahlzeit unter dem Pelze des Bey's
auf steinigem Lager (denn mein Zelt und Gepäck war mit
meinen Leuten zurückgeblieben) sehr bald einschlafen.

Um Mitternacht stand ich wieder auf, durchstreifte nun
die nähere Umgebung der Burg, und vor Ankunft des Pa-
scha's war kein irgend wichtiger Punkt oder Fußweg, den
ich nicht gekannt hätte.

Meine Ansicht über die Angriffsweise steht fest. Die
sämmtlichen Wurfgeschütze müssen auf die östliche Höhe ge-
bracht werden, das Schloß ist gegen diese Seite geöffnet,
es zeigt Thüren, Fenster, kurz bietet ein weites Ziel; der
Schloßhof ist gegen diese Seite bedeutend geneigt, mit Vieh
aller Art angefüllt. Die schweren Kanonen hingegen müs-
sen nach der westlichen Höhe. Jst die Garnison zaghaft
(viele dieser Menschen haben nie ein Geschütz gesehen), so
wird die erste Batterie sie zur Uebergabe vermögen; sind
sie hartnäckig, so muß von der zweiten aus Bresche an der
einzigen für die Jnfanterie zugänglichen Stelle des Schlos-
ses gelegt werden.

Den 8. Das Corps traf gestern Abend ein, und man
trat sogleich in Unterhandlung, aber so ungeschickt wie mög-
lich. Man fing damit an, sämmtliche Geschütze ohne Ku-
geln abzufeuern, und schickte dann einen Parlamentair, der
zur Uebergabe aufforderte; der Bey ist ganz dazu bereit,
aber auf Bedingungen, die er selbst vorzuschreiben die Güte
hat. So hat sich die Unterhandlung bis heute hingezogen,
und nun müssen denn doch die Top-Mop (Kanonen und
Zubehör) hinaufgeschleppt werden.

Abends. Wenn ich Dir schreibe, daß wir mit unserm
13 Okalik Mortier die Adler aus ihrem Horst vertrieben, so
mußt Du das ganz buchstäblich nehmen. Nie habe ich ge-
glaubt, daß ohne alle Jnstrumente, als ein paar hölzerne
Stangen, bloß mit Menschenhänden so etwas zu leisten sei;
vor jedes Geschütz wurde ein halbes Bataillon gespannt,

feuer, und hoch uͤber uns ſchoſſen ſich die Wachen im Mond-
ſcheine noch herum. Die ſehr große Ermuͤdung ließ mich
nach eingenommener Mahlzeit unter dem Pelze des Bey's
auf ſteinigem Lager (denn mein Zelt und Gepaͤck war mit
meinen Leuten zuruͤckgeblieben) ſehr bald einſchlafen.

Um Mitternacht ſtand ich wieder auf, durchſtreifte nun
die naͤhere Umgebung der Burg, und vor Ankunft des Pa-
ſcha's war kein irgend wichtiger Punkt oder Fußweg, den
ich nicht gekannt haͤtte.

Meine Anſicht uͤber die Angriffsweiſe ſteht feſt. Die
ſaͤmmtlichen Wurfgeſchuͤtze muͤſſen auf die oͤſtliche Hoͤhe ge-
bracht werden, das Schloß iſt gegen dieſe Seite geoͤffnet,
es zeigt Thuͤren, Fenſter, kurz bietet ein weites Ziel; der
Schloßhof iſt gegen dieſe Seite bedeutend geneigt, mit Vieh
aller Art angefuͤllt. Die ſchweren Kanonen hingegen muͤſ-
ſen nach der weſtlichen Hoͤhe. Jſt die Garniſon zaghaft
(viele dieſer Menſchen haben nie ein Geſchuͤtz geſehen), ſo
wird die erſte Batterie ſie zur Uebergabe vermoͤgen; ſind
ſie hartnaͤckig, ſo muß von der zweiten aus Breſche an der
einzigen fuͤr die Jnfanterie zugaͤnglichen Stelle des Schloſ-
ſes gelegt werden.

Den 8. Das Corps traf geſtern Abend ein, und man
trat ſogleich in Unterhandlung, aber ſo ungeſchickt wie moͤg-
lich. Man fing damit an, ſaͤmmtliche Geſchuͤtze ohne Ku-
geln abzufeuern, und ſchickte dann einen Parlamentair, der
zur Uebergabe aufforderte; der Bey iſt ganz dazu bereit,
aber auf Bedingungen, die er ſelbſt vorzuſchreiben die Guͤte
hat. So hat ſich die Unterhandlung bis heute hingezogen,
und nun muͤſſen denn doch die Top-Mop (Kanonen und
Zubehoͤr) hinaufgeſchleppt werden.

Abends. Wenn ich Dir ſchreibe, daß wir mit unſerm
13 Okalik Mortier die Adler aus ihrem Horſt vertrieben, ſo
mußt Du das ganz buchſtaͤblich nehmen. Nie habe ich ge-
glaubt, daß ohne alle Jnſtrumente, als ein paar hoͤlzerne
Stangen, bloß mit Menſchenhaͤnden ſo etwas zu leiſten ſei;
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[260/0270] feuer, und hoch uͤber uns ſchoſſen ſich die Wachen im Mond- ſcheine noch herum. Die ſehr große Ermuͤdung ließ mich nach eingenommener Mahlzeit unter dem Pelze des Bey's auf ſteinigem Lager (denn mein Zelt und Gepaͤck war mit meinen Leuten zuruͤckgeblieben) ſehr bald einſchlafen. Um Mitternacht ſtand ich wieder auf, durchſtreifte nun die naͤhere Umgebung der Burg, und vor Ankunft des Pa- ſcha's war kein irgend wichtiger Punkt oder Fußweg, den ich nicht gekannt haͤtte. Meine Anſicht uͤber die Angriffsweiſe ſteht feſt. Die ſaͤmmtlichen Wurfgeſchuͤtze muͤſſen auf die oͤſtliche Hoͤhe ge- bracht werden, das Schloß iſt gegen dieſe Seite geoͤffnet, es zeigt Thuͤren, Fenſter, kurz bietet ein weites Ziel; der Schloßhof iſt gegen dieſe Seite bedeutend geneigt, mit Vieh aller Art angefuͤllt. Die ſchweren Kanonen hingegen muͤſ- ſen nach der weſtlichen Hoͤhe. Jſt die Garniſon zaghaft (viele dieſer Menſchen haben nie ein Geſchuͤtz geſehen), ſo wird die erſte Batterie ſie zur Uebergabe vermoͤgen; ſind ſie hartnaͤckig, ſo muß von der zweiten aus Breſche an der einzigen fuͤr die Jnfanterie zugaͤnglichen Stelle des Schloſ- ſes gelegt werden. Den 8. Das Corps traf geſtern Abend ein, und man trat ſogleich in Unterhandlung, aber ſo ungeſchickt wie moͤg- lich. Man fing damit an, ſaͤmmtliche Geſchuͤtze ohne Ku- geln abzufeuern, und ſchickte dann einen Parlamentair, der zur Uebergabe aufforderte; der Bey iſt ganz dazu bereit, aber auf Bedingungen, die er ſelbſt vorzuſchreiben die Guͤte hat. So hat ſich die Unterhandlung bis heute hingezogen, und nun muͤſſen denn doch die Top-Mop (Kanonen und Zubehoͤr) hinaufgeſchleppt werden. Abends. Wenn ich Dir ſchreibe, daß wir mit unſerm 13 Okalik Mortier die Adler aus ihrem Horſt vertrieben, ſo mußt Du das ganz buchſtaͤblich nehmen. Nie habe ich ge- glaubt, daß ohne alle Jnſtrumente, als ein paar hoͤlzerne Stangen, bloß mit Menſchenhaͤnden ſo etwas zu leiſten ſei; vor jedes Geſchuͤtz wurde ein halbes Bataillon geſpannt,

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/270>, abgerufen am 24.11.2024.