Die Expedition Mehmet-Pascha's besteht aus drei Bataillonen des ersten und drei des zweiten Linien-Jnfan- terie-Regiments, deren Stärke jedoch nicht über 400 Mann, 150 Pferde und 8 Geschütze. Das ganze Commando war etwa 3000 Mann stark; es ist gegen einen kleinen Kurden- Fürsten gerichtet, der schon seit fünf Jahren der Autorität der Pforte trotzt, gewaltsam Steuern eintreibt und viele Grausamkeiten verübt. Bei der Annäherung der Linien- Truppen sind nun fast alle seine Anhänger abgefallen, er selbst aber hat sich mit 200 Vertrauten in ein angeblich sehr festes Castell in die hohen Berge geworfen.
Den 3. Mai trafen die Flöße aus Diarbekir ein, und ein Regiment nebst der Artillerie überschritt den Tigris, der Rest der Truppen folgte den folgenden Morgen. Ein klei- nes Floß von 40 Schläuchen trägt ein schweres Geschütz (ohne Protze) mit 4 bis 5 Mann, die großen von 80 tra- gen 15 Mann mit ihren Zelten (welche ganz wie die preu- ßischen, aber doppelt, aus Baumwolle und grün angestri- chen sind), die Pferde sind zu 2 oder 4 hinter die Flöße gebunden, und so überschritt die ganze Cavallerie den drei- hundert Schritte breiten, sehr reißenden Strom ohne ein Thier einzubüßen. Die Maulesel wurden mit Steinwürfen durch das Wasser getrieben.
Wir bezogen am linken Ufer ein Lager, und die An- ordnung desselben ist später stets beibehalten worden.
Einen unerfreulichen Eindruck machen die Posten, welche alle 20 oder 40 Schritte Front gegen das Lager stehen und die ganze Nacht jede Minute Hasir-ol! -- "sei bereit!" -- rufen. Dessenungeachtet entfernen sich viele der mit Ge- walt eingestellten Kurden.
44. Belagerung eines Kurden-Schloſſes.
Sayd-Bey Kaleſſi, den 12. Mai 1838.
Die Expedition Mehmet-Paſcha's beſteht aus drei Bataillonen des erſten und drei des zweiten Linien-Jnfan- terie-Regiments, deren Staͤrke jedoch nicht uͤber 400 Mann, 150 Pferde und 8 Geſchuͤtze. Das ganze Commando war etwa 3000 Mann ſtark; es iſt gegen einen kleinen Kurden- Fuͤrſten gerichtet, der ſchon ſeit fuͤnf Jahren der Autoritaͤt der Pforte trotzt, gewaltſam Steuern eintreibt und viele Grauſamkeiten veruͤbt. Bei der Annaͤherung der Linien- Truppen ſind nun faſt alle ſeine Anhaͤnger abgefallen, er ſelbſt aber hat ſich mit 200 Vertrauten in ein angeblich ſehr feſtes Caſtell in die hohen Berge geworfen.
Den 3. Mai trafen die Floͤße aus Diarbekir ein, und ein Regiment nebſt der Artillerie uͤberſchritt den Tigris, der Reſt der Truppen folgte den folgenden Morgen. Ein klei- nes Floß von 40 Schlaͤuchen traͤgt ein ſchweres Geſchuͤtz (ohne Protze) mit 4 bis 5 Mann, die großen von 80 tra- gen 15 Mann mit ihren Zelten (welche ganz wie die preu- ßiſchen, aber doppelt, aus Baumwolle und gruͤn angeſtri- chen ſind), die Pferde ſind zu 2 oder 4 hinter die Floͤße gebunden, und ſo uͤberſchritt die ganze Cavallerie den drei- hundert Schritte breiten, ſehr reißenden Strom ohne ein Thier einzubuͤßen. Die Mauleſel wurden mit Steinwuͤrfen durch das Waſſer getrieben.
Wir bezogen am linken Ufer ein Lager, und die An- ordnung deſſelben iſt ſpaͤter ſtets beibehalten worden.
Einen unerfreulichen Eindruck machen die Poſten, welche alle 20 oder 40 Schritte Front gegen das Lager ſtehen und die ganze Nacht jede Minute Haſir-ol! — „ſei bereit!“ — rufen. Deſſenungeachtet entfernen ſich viele der mit Ge- walt eingeſtellten Kurden.
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44.
Belagerung eines Kurden-Schloſſes.
Sayd-Bey Kaleſſi, den 12. Mai 1838.
Die Expedition Mehmet-Paſcha's beſteht aus drei
Bataillonen des erſten und drei des zweiten Linien-Jnfan-
terie-Regiments, deren Staͤrke jedoch nicht uͤber 400 Mann,
150 Pferde und 8 Geſchuͤtze. Das ganze Commando war
etwa 3000 Mann ſtark; es iſt gegen einen kleinen Kurden-
Fuͤrſten gerichtet, der ſchon ſeit fuͤnf Jahren der Autoritaͤt
der Pforte trotzt, gewaltſam Steuern eintreibt und viele
Grauſamkeiten veruͤbt. Bei der Annaͤherung der Linien-
Truppen ſind nun faſt alle ſeine Anhaͤnger abgefallen, er
ſelbſt aber hat ſich mit 200 Vertrauten in ein angeblich
ſehr feſtes Caſtell in die hohen Berge geworfen.
Den 3. Mai trafen die Floͤße aus Diarbekir ein, und
ein Regiment nebſt der Artillerie uͤberſchritt den Tigris, der
Reſt der Truppen folgte den folgenden Morgen. Ein klei-
nes Floß von 40 Schlaͤuchen traͤgt ein ſchweres Geſchuͤtz
(ohne Protze) mit 4 bis 5 Mann, die großen von 80 tra-
gen 15 Mann mit ihren Zelten (welche ganz wie die preu-
ßiſchen, aber doppelt, aus Baumwolle und gruͤn angeſtri-
chen ſind), die Pferde ſind zu 2 oder 4 hinter die Floͤße
gebunden, und ſo uͤberſchritt die ganze Cavallerie den drei-
hundert Schritte breiten, ſehr reißenden Strom ohne ein
Thier einzubuͤßen. Die Mauleſel wurden mit Steinwuͤrfen
durch das Waſſer getrieben.
Wir bezogen am linken Ufer ein Lager, und die An-
ordnung deſſelben iſt ſpaͤter ſtets beibehalten worden.
Einen unerfreulichen Eindruck machen die Poſten, welche
alle 20 oder 40 Schritte Front gegen das Lager ſtehen und
die ganze Nacht jede Minute Haſir-ol! — „ſei bereit!“ —
rufen. Deſſenungeachtet entfernen ſich viele der mit Ge-
walt eingeſtellten Kurden.
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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