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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Lastthiere in Anspruch. -- Die Kameele gehen in einer
Schnur zehn bis zwanzig in einer Reihe hinter einander;
voraus reitet auf einem kleinen Esel der Besitzer, dessen
Beine, trotz der kurzen Bügel, fast an die Erde stoßen; er
arbeitet dem armen Thiere unaufhörlich mit den scharfen
Schaufeln in die Flanken und raucht dabei gemächlich die
Pfeife; seine Diener sind zu Fuß. Ohne die Anführung
des Esels gehen die Kameele nicht aus der Stelle; mit
langen bedächtigen Schritten ziehen sie hin und langen sich
mit ihren dünnen beweglichen Hälsen die Disteln und das
Dornengetrüpp am Wege. Die Maulthiere schreiten leb-
haft einher, sie sind mit Glocken und mit schönen Halftern
herausgeputzt, welche mit Schneckenköpfen bunt besetzt sind.

Sobald die Caravane das Nachtquartier erreicht, sprengt
der Kjerwan-Baschi voraus und bezeichnet die Stelle des
Lagers. Je nachdem sie ankommen, werden die Lastthiere
abgeladen und die großen Säcke zu einer Art Burg oder
Schanze in ein Viereck gestellt, innerhalb dessen Jeder
sein Lager bereitet. Unser Zelt, das einzige bei der Cara-
vane, stand außerhalb, und wurde mit einer besondern
Wache vom Baschi-Bosuks versehen. Die Kameele und
Maulesel werden nun ganz frei in das hohe Gras getrie-
ben und suchen sich das Wasser selbst auf, die Pferde aber
stehen gefesselt an den Füßen: ein Strick aus Ziegenhaar
vereint mittelst zwei wattirter Schleifen den rechten Vor-
der- und Hinterfuß, und wird rückwärts mittelst eines
Pflocks an der Erde befestigt.

Sobald aber die Dämmerung eintritt, werden die Ka-
meele, welche sich oft eine halbe Stunde weit zerstreuen,
versammelt. Die Führer rufen ihnen mit lauter Stimme
zu, jedes kennt das Poah! Poah! seines Herrn und kommt
folgsam herbei. Jnnerhalb des Vierecks werden sie regel-
mäßig aufgestellt; der kleinste Knabe regiert das große,
kräftige, aber durchaus harmlose und wehrlose Geschöpf;
er ruft: Krr! Krr! und die gewaltigen Thiere werfen sich
geduldig auf die Vorderkniee, dann falten sie die langen

Laſtthiere in Anſpruch. — Die Kameele gehen in einer
Schnur zehn bis zwanzig in einer Reihe hinter einander;
voraus reitet auf einem kleinen Eſel der Beſitzer, deſſen
Beine, trotz der kurzen Buͤgel, faſt an die Erde ſtoßen; er
arbeitet dem armen Thiere unaufhoͤrlich mit den ſcharfen
Schaufeln in die Flanken und raucht dabei gemaͤchlich die
Pfeife; ſeine Diener ſind zu Fuß. Ohne die Anfuͤhrung
des Eſels gehen die Kameele nicht aus der Stelle; mit
langen bedaͤchtigen Schritten ziehen ſie hin und langen ſich
mit ihren duͤnnen beweglichen Haͤlſen die Diſteln und das
Dornengetruͤpp am Wege. Die Maulthiere ſchreiten leb-
haft einher, ſie ſind mit Glocken und mit ſchoͤnen Halftern
herausgeputzt, welche mit Schneckenkoͤpfen bunt beſetzt ſind.

Sobald die Caravane das Nachtquartier erreicht, ſprengt
der Kjerwan-Baſchi voraus und bezeichnet die Stelle des
Lagers. Je nachdem ſie ankommen, werden die Laſtthiere
abgeladen und die großen Saͤcke zu einer Art Burg oder
Schanze in ein Viereck geſtellt, innerhalb deſſen Jeder
ſein Lager bereitet. Unſer Zelt, das einzige bei der Cara-
vane, ſtand außerhalb, und wurde mit einer beſondern
Wache vom Baſchi-Boſuks verſehen. Die Kameele und
Mauleſel werden nun ganz frei in das hohe Gras getrie-
ben und ſuchen ſich das Waſſer ſelbſt auf, die Pferde aber
ſtehen gefeſſelt an den Fuͤßen: ein Strick aus Ziegenhaar
vereint mittelſt zwei wattirter Schleifen den rechten Vor-
der- und Hinterfuß, und wird ruͤckwaͤrts mittelſt eines
Pflocks an der Erde befeſtigt.

Sobald aber die Daͤmmerung eintritt, werden die Ka-
meele, welche ſich oft eine halbe Stunde weit zerſtreuen,
verſammelt. Die Fuͤhrer rufen ihnen mit lauter Stimme
zu, jedes kennt das Poah! Poah! ſeines Herrn und kommt
folgſam herbei. Jnnerhalb des Vierecks werden ſie regel-
maͤßig aufgeſtellt; der kleinſte Knabe regiert das große,
kraͤftige, aber durchaus harmloſe und wehrloſe Geſchoͤpf;
er ruft: Krr! Krr! und die gewaltigen Thiere werfen ſich
geduldig auf die Vorderkniee, dann falten ſie die langen

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[250/0260] Laſtthiere in Anſpruch. — Die Kameele gehen in einer Schnur zehn bis zwanzig in einer Reihe hinter einander; voraus reitet auf einem kleinen Eſel der Beſitzer, deſſen Beine, trotz der kurzen Buͤgel, faſt an die Erde ſtoßen; er arbeitet dem armen Thiere unaufhoͤrlich mit den ſcharfen Schaufeln in die Flanken und raucht dabei gemaͤchlich die Pfeife; ſeine Diener ſind zu Fuß. Ohne die Anfuͤhrung des Eſels gehen die Kameele nicht aus der Stelle; mit langen bedaͤchtigen Schritten ziehen ſie hin und langen ſich mit ihren duͤnnen beweglichen Haͤlſen die Diſteln und das Dornengetruͤpp am Wege. Die Maulthiere ſchreiten leb- haft einher, ſie ſind mit Glocken und mit ſchoͤnen Halftern herausgeputzt, welche mit Schneckenkoͤpfen bunt beſetzt ſind. Sobald die Caravane das Nachtquartier erreicht, ſprengt der Kjerwan-Baſchi voraus und bezeichnet die Stelle des Lagers. Je nachdem ſie ankommen, werden die Laſtthiere abgeladen und die großen Saͤcke zu einer Art Burg oder Schanze in ein Viereck geſtellt, innerhalb deſſen Jeder ſein Lager bereitet. Unſer Zelt, das einzige bei der Cara- vane, ſtand außerhalb, und wurde mit einer beſondern Wache vom Baſchi-Boſuks verſehen. Die Kameele und Mauleſel werden nun ganz frei in das hohe Gras getrie- ben und ſuchen ſich das Waſſer ſelbſt auf, die Pferde aber ſtehen gefeſſelt an den Fuͤßen: ein Strick aus Ziegenhaar vereint mittelſt zwei wattirter Schleifen den rechten Vor- der- und Hinterfuß, und wird ruͤckwaͤrts mittelſt eines Pflocks an der Erde befeſtigt. Sobald aber die Daͤmmerung eintritt, werden die Ka- meele, welche ſich oft eine halbe Stunde weit zerſtreuen, verſammelt. Die Fuͤhrer rufen ihnen mit lauter Stimme zu, jedes kennt das Poah! Poah! ſeines Herrn und kommt folgſam herbei. Jnnerhalb des Vierecks werden ſie regel- maͤßig aufgeſtellt; der kleinſte Knabe regiert das große, kraͤftige, aber durchaus harmloſe und wehrloſe Geſchoͤpf; er ruft: Krr! Krr! und die gewaltigen Thiere werfen ſich geduldig auf die Vorderkniee, dann falten ſie die langen

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/260>, abgerufen am 24.11.2024.