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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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nischen Banquiers an einer sprudelnden Fontaine unter
blühenden Mandelbäumen.

42.
Das turkmennische Lager. -- Der mittlere Lauf des
Euphrats. -- Rumkaleh. -- Biradschik. -- Orfa.

Nur ungern wendete ich mich vom schönen Syrien
abwärts, dem ich in Marasch so nahe war, und lenkte die
Zügel meines Pferdes wieder dem Euphrat zu.

Am 29. März hatte ich einen achtzehnstündigen Ritt
mit demselben Pferde zu machen, denn auf dieser ganzen
Tour bis Belveren giebt es kein Dorf, kein Haus. Wir
passirten die Bazardschik-ovassi, eine weite Ebene, auf wel-
cher drei Turkmennen-Stämme: Atmaly, Kilidschli und
Sinimini, lagern, die zusammen 2000 Zelte bewohnen. --
Nachdem Reschid-Pascha die mächtigsten Kurden-Häupt-
lingen zu Paaren getrieben, haben auch diese Turkmennen
ihre Liebe und Anhänglichkeit für die Pforte erklärt, und
zahlen den Salian oder eine Abgabe von 400 Beuteln (etwa
20,000 Fl.). Einige von ihnen treiben Ackerbau, die mehr-
sten ziehen des Sommers mit ihren Heerden auf die Berge.
Der Stamm Kilidschli kann über 600 Reiter stellen, die bei-
den andern fechten meist zu Fuß und sind gute Schützen, mit
alten türkischen und persischen kostbar verzierten Gewehren
bewaffnet; die Reiter tragen eine lange Lanze von Bambus-
rohr mit eiserner Spitze, unter welcher ein runder Wulst
von Straußfedern sitzt. Jhre Pferde, die mit ihnen im
Zelt wohnen, sind vortrefflich.

Suleiman, Pascha von Marasch, hatte einen Boten
an den Aga des Stammes Sinimini vorausgeschickt, um
ihn zu benachrichtigen, daß ein Gjaur kommen werde, dem
allerlei Jkram oder Ehrenbezeugungen zu machen wären;
er hatte aber zugleich für zweckmäßig befunden, meine Be-

niſchen Banquiers an einer ſprudelnden Fontaine unter
bluͤhenden Mandelbaͤumen.

42.
Das turkmenniſche Lager. — Der mittlere Lauf des
Euphrats. — Rumkaleh. — Biradſchik. — Orfa.

Nur ungern wendete ich mich vom ſchoͤnen Syrien
abwaͤrts, dem ich in Maraſch ſo nahe war, und lenkte die
Zuͤgel meines Pferdes wieder dem Euphrat zu.

Am 29. Maͤrz hatte ich einen achtzehnſtuͤndigen Ritt
mit demſelben Pferde zu machen, denn auf dieſer ganzen
Tour bis Belveren giebt es kein Dorf, kein Haus. Wir
paſſirten die Bazardſchik-ovaſſi, eine weite Ebene, auf wel-
cher drei Turkmennen-Staͤmme: Atmaly, Kilidſchli und
Sinimini, lagern, die zuſammen 2000 Zelte bewohnen. —
Nachdem Reſchid-Paſcha die maͤchtigſten Kurden-Haͤupt-
lingen zu Paaren getrieben, haben auch dieſe Turkmennen
ihre Liebe und Anhaͤnglichkeit fuͤr die Pforte erklaͤrt, und
zahlen den Salian oder eine Abgabe von 400 Beuteln (etwa
20,000 Fl.). Einige von ihnen treiben Ackerbau, die mehr-
ſten ziehen des Sommers mit ihren Heerden auf die Berge.
Der Stamm Kilidſchli kann uͤber 600 Reiter ſtellen, die bei-
den andern fechten meiſt zu Fuß und ſind gute Schuͤtzen, mit
alten tuͤrkiſchen und perſiſchen koſtbar verzierten Gewehren
bewaffnet; die Reiter tragen eine lange Lanze von Bambus-
rohr mit eiſerner Spitze, unter welcher ein runder Wulſt
von Straußfedern ſitzt. Jhre Pferde, die mit ihnen im
Zelt wohnen, ſind vortrefflich.

Suleiman, Paſcha von Maraſch, hatte einen Boten
an den Aga des Stammes Sinimini vorausgeſchickt, um
ihn zu benachrichtigen, daß ein Gjaur kommen werde, dem
allerlei Jkram oder Ehrenbezeugungen zu machen waͤren;
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[221/0231] niſchen Banquiers an einer ſprudelnden Fontaine unter bluͤhenden Mandelbaͤumen. 42. Das turkmenniſche Lager. — Der mittlere Lauf des Euphrats. — Rumkaleh. — Biradſchik. — Orfa. Orfa, den 6. April 1838. Nur ungern wendete ich mich vom ſchoͤnen Syrien abwaͤrts, dem ich in Maraſch ſo nahe war, und lenkte die Zuͤgel meines Pferdes wieder dem Euphrat zu. Am 29. Maͤrz hatte ich einen achtzehnſtuͤndigen Ritt mit demſelben Pferde zu machen, denn auf dieſer ganzen Tour bis Belveren giebt es kein Dorf, kein Haus. Wir paſſirten die Bazardſchik-ovaſſi, eine weite Ebene, auf wel- cher drei Turkmennen-Staͤmme: Atmaly, Kilidſchli und Sinimini, lagern, die zuſammen 2000 Zelte bewohnen. — Nachdem Reſchid-Paſcha die maͤchtigſten Kurden-Haͤupt- lingen zu Paaren getrieben, haben auch dieſe Turkmennen ihre Liebe und Anhaͤnglichkeit fuͤr die Pforte erklaͤrt, und zahlen den Salian oder eine Abgabe von 400 Beuteln (etwa 20,000 Fl.). Einige von ihnen treiben Ackerbau, die mehr- ſten ziehen des Sommers mit ihren Heerden auf die Berge. Der Stamm Kilidſchli kann uͤber 600 Reiter ſtellen, die bei- den andern fechten meiſt zu Fuß und ſind gute Schuͤtzen, mit alten tuͤrkiſchen und perſiſchen koſtbar verzierten Gewehren bewaffnet; die Reiter tragen eine lange Lanze von Bambus- rohr mit eiſerner Spitze, unter welcher ein runder Wulſt von Straußfedern ſitzt. Jhre Pferde, die mit ihnen im Zelt wohnen, ſind vortrefflich. Suleiman, Paſcha von Maraſch, hatte einen Boten an den Aga des Stammes Sinimini vorausgeſchickt, um ihn zu benachrichtigen, daß ein Gjaur kommen werde, dem allerlei Jkram oder Ehrenbezeugungen zu machen waͤren; er hatte aber zugleich fuͤr zweckmaͤßig befunden, meine Be-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/231>, abgerufen am 26.11.2024.