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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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weiter wir vorrückten, je dichter war das Land mit Basalt-
stücken überdeckt, wie ein aufgerissenes Straßenpflaster, und
doch war Korn zwischen diese Trümmer gesäet. Gegen
Abend endlich öffnete sich eine weite Ebene mit Dörfern
und Weingärten bedeckt und von Wegen und Bächen durch-
schnitten, Pappeln und Nußbäume (aber alle ohne Laub)
trösteten das Auge für die kahlen Berge. Die Dörfer se-
hen stattlich genug aus, die Häuser sind hoch, aus Luft-
ziegeln mit Lehm überzogen und mit Balken und Erd-Ter-
rassen überdeckt; es sind reinliche Wohnungen aus Koth
erbaut. Mitten in der Ebene erhebt sich ein Hügel mit
schroffen Felswänden, auf welchen die Stadt Karput mit
einer alten Citadelle und einigen Minarehs in der Abend-
sonne glänzte; rings umher, aber in weiter Ferne, schlos-
sen Schnee-bedeckte zackige Bergreihen die Aussicht.

Wir hielten eine halbe Stunde vor der Stadt in dem
Dorfe Messre an, wo das Hauptquartier sich gegenwärtig
befindet. Ein weitläuftiges Gebäude aus Lehm mit flachem
Dache, wie ich es eben beschrieben, war die Wohnung des
commandirenden Generals; eine kleine Wache und zahl-
reiche Dienerschaft, Kavasse, Tataren, Seymen und Haus-
offizianten erfüllten den Hof.

Jch fand den Pascha in einem hohen, mit Balken ein-
gedeckten Zimmer, dessen Fußboden und Divan mit grauem
Tuche überzogen und dessen Fenster mit Papier verklebt
waren. An den Wänden hingen Waffen und auf den So-
phas lagen eine Menge von Briefen in Stückchen Musse-
lin gewickelt und mit rothem Wachs versiegelt; Tische,
Stühle, Kommoden, Spiegel, Gardinen oder anderes Gerä-
the, welches wir für unentbehrlich halten, war so wenig
hier, wie in andern türkischen Gemächern vorhanden; da-
gegen stand eine große Zahl von Dienern und Offizieren
mit vor den Leib verschränkten Armen, ehrerbietig schwei-
gend da. Der Pascha saß mit untergeschlagenen Beinen
auf einer Tigerhaut an der Erde; er war in einen blauen
Mantelkragen mit Zobelbesatz gekleidet, den Feß auf dem

weiter wir vorruͤckten, je dichter war das Land mit Baſalt-
ſtuͤcken uͤberdeckt, wie ein aufgeriſſenes Straßenpflaſter, und
doch war Korn zwiſchen dieſe Truͤmmer geſaͤet. Gegen
Abend endlich oͤffnete ſich eine weite Ebene mit Doͤrfern
und Weingaͤrten bedeckt und von Wegen und Baͤchen durch-
ſchnitten, Pappeln und Nußbaͤume (aber alle ohne Laub)
troͤſteten das Auge fuͤr die kahlen Berge. Die Doͤrfer ſe-
hen ſtattlich genug aus, die Haͤuſer ſind hoch, aus Luft-
ziegeln mit Lehm uͤberzogen und mit Balken und Erd-Ter-
raſſen uͤberdeckt; es ſind reinliche Wohnungen aus Koth
erbaut. Mitten in der Ebene erhebt ſich ein Huͤgel mit
ſchroffen Felswaͤnden, auf welchen die Stadt Karput mit
einer alten Citadelle und einigen Minarehs in der Abend-
ſonne glaͤnzte; rings umher, aber in weiter Ferne, ſchloſ-
ſen Schnee-bedeckte zackige Bergreihen die Ausſicht.

Wir hielten eine halbe Stunde vor der Stadt in dem
Dorfe Meſſre an, wo das Hauptquartier ſich gegenwaͤrtig
befindet. Ein weitlaͤuftiges Gebaͤude aus Lehm mit flachem
Dache, wie ich es eben beſchrieben, war die Wohnung des
commandirenden Generals; eine kleine Wache und zahl-
reiche Dienerſchaft, Kavaſſe, Tataren, Seymen und Haus-
offizianten erfuͤllten den Hof.

Jch fand den Paſcha in einem hohen, mit Balken ein-
gedeckten Zimmer, deſſen Fußboden und Divan mit grauem
Tuche uͤberzogen und deſſen Fenſter mit Papier verklebt
waren. An den Waͤnden hingen Waffen und auf den So-
phas lagen eine Menge von Briefen in Stuͤckchen Muſſe-
lin gewickelt und mit rothem Wachs verſiegelt; Tiſche,
Stuͤhle, Kommoden, Spiegel, Gardinen oder anderes Geraͤ-
the, welches wir fuͤr unentbehrlich halten, war ſo wenig
hier, wie in andern tuͤrkiſchen Gemaͤchern vorhanden; da-
gegen ſtand eine große Zahl von Dienern und Offizieren
mit vor den Leib verſchraͤnkten Armen, ehrerbietig ſchwei-
gend da. Der Paſcha ſaß mit untergeſchlagenen Beinen
auf einer Tigerhaut an der Erde; er war in einen blauen
Mantelkragen mit Zobelbeſatz gekleidet, den Feß auf dem

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[215/0225] weiter wir vorruͤckten, je dichter war das Land mit Baſalt- ſtuͤcken uͤberdeckt, wie ein aufgeriſſenes Straßenpflaſter, und doch war Korn zwiſchen dieſe Truͤmmer geſaͤet. Gegen Abend endlich oͤffnete ſich eine weite Ebene mit Doͤrfern und Weingaͤrten bedeckt und von Wegen und Baͤchen durch- ſchnitten, Pappeln und Nußbaͤume (aber alle ohne Laub) troͤſteten das Auge fuͤr die kahlen Berge. Die Doͤrfer ſe- hen ſtattlich genug aus, die Haͤuſer ſind hoch, aus Luft- ziegeln mit Lehm uͤberzogen und mit Balken und Erd-Ter- raſſen uͤberdeckt; es ſind reinliche Wohnungen aus Koth erbaut. Mitten in der Ebene erhebt ſich ein Huͤgel mit ſchroffen Felswaͤnden, auf welchen die Stadt Karput mit einer alten Citadelle und einigen Minarehs in der Abend- ſonne glaͤnzte; rings umher, aber in weiter Ferne, ſchloſ- ſen Schnee-bedeckte zackige Bergreihen die Ausſicht. Wir hielten eine halbe Stunde vor der Stadt in dem Dorfe Meſſre an, wo das Hauptquartier ſich gegenwaͤrtig befindet. Ein weitlaͤuftiges Gebaͤude aus Lehm mit flachem Dache, wie ich es eben beſchrieben, war die Wohnung des commandirenden Generals; eine kleine Wache und zahl- reiche Dienerſchaft, Kavaſſe, Tataren, Seymen und Haus- offizianten erfuͤllten den Hof. Jch fand den Paſcha in einem hohen, mit Balken ein- gedeckten Zimmer, deſſen Fußboden und Divan mit grauem Tuche uͤberzogen und deſſen Fenſter mit Papier verklebt waren. An den Waͤnden hingen Waffen und auf den So- phas lagen eine Menge von Briefen in Stuͤckchen Muſſe- lin gewickelt und mit rothem Wachs verſiegelt; Tiſche, Stuͤhle, Kommoden, Spiegel, Gardinen oder anderes Geraͤ- the, welches wir fuͤr unentbehrlich halten, war ſo wenig hier, wie in andern tuͤrkiſchen Gemaͤchern vorhanden; da- gegen ſtand eine große Zahl von Dienern und Offizieren mit vor den Leib verſchraͤnkten Armen, ehrerbietig ſchwei- gend da. Der Paſcha ſaß mit untergeſchlagenen Beinen auf einer Tigerhaut an der Erde; er war in einen blauen Mantelkragen mit Zobelbeſatz gekleidet, den Feß auf dem

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/225>, abgerufen am 26.11.2024.