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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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ten, die jetzt durchaus unersteiglich für Freund und Feind
zu sein schienen.

Bei hellem Sonnenschein ritten wir den 7. weiter, oft
zurückblickend nach der schönen Lage der Stadt und dem
hochragenden alten Schloß. Wir folgten einem Nebenthal
des von Tokat kommenden Tusanly-Flusses, längs dessen
Ufer Gänge in die Felswand gehauen sind; unser Thal
schloß sich bald so, daß man gar keinen Ausweg sah, und
in einer engen Felspforte, durch die ein wilder Gebirgs-
bach schäumte, kletterten die schwerbeladenen Pferde müh-
sam empor. Wir erstiegen jetzt schon eine bedeutende Höhe
und senkten uns durch ein schönes Gebirgsthal mit einem
rauschenden Bache hinab; abermals traten die Felswände
bis auf einige Schritte zusammen, dem Wege und dem
Bache kaum einen Durchgang gestattend. Bei einem ein-
zelnen Häuschen an dieser schönen Stelle wurde gegen Abend
einen Augenblick gerastet. Wir fanden ein Gerüst, oben
mit 4 Fuß langen Messern besetzt; auf Befragen erfuhren
wir, daß dies Jnstitut für Straßenräuber bestimmt sei,
die darauf gespießt noch drei bis vier Tage leben, und es
stellte sich heraus, daß wir eben beim Schinder unter dem
Galgen Kaffee tranken. Abends spät kamen wir nach Tur-
hall. -- Dies Städtchen liegt in einer weiten schönen Thal-
ebene, die durch den Zusammenfluß von vier beträchtlichen
Wassern gebildet wird; mehrere einzelne Felskegel ragen
aus der Wiesenfläche hervor; der, welcher der Stadt zu-
nächst, ist von den Ruinen eines alten Schlosses gekrönt.

37.
Tokat. -- Siwas.

Der Pascha dieses Orts ist gestern mit achtzig Pfer-
den von hier fortgezogen, so daß die Post keine mehr hat

ten, die jetzt durchaus unerſteiglich fuͤr Freund und Feind
zu ſein ſchienen.

Bei hellem Sonnenſchein ritten wir den 7. weiter, oft
zuruͤckblickend nach der ſchoͤnen Lage der Stadt und dem
hochragenden alten Schloß. Wir folgten einem Nebenthal
des von Tokat kommenden Tuſanly-Fluſſes, laͤngs deſſen
Ufer Gaͤnge in die Felswand gehauen ſind; unſer Thal
ſchloß ſich bald ſo, daß man gar keinen Ausweg ſah, und
in einer engen Felspforte, durch die ein wilder Gebirgs-
bach ſchaͤumte, kletterten die ſchwerbeladenen Pferde muͤh-
ſam empor. Wir erſtiegen jetzt ſchon eine bedeutende Hoͤhe
und ſenkten uns durch ein ſchoͤnes Gebirgsthal mit einem
rauſchenden Bache hinab; abermals traten die Felswaͤnde
bis auf einige Schritte zuſammen, dem Wege und dem
Bache kaum einen Durchgang geſtattend. Bei einem ein-
zelnen Haͤuschen an dieſer ſchoͤnen Stelle wurde gegen Abend
einen Augenblick geraſtet. Wir fanden ein Geruͤſt, oben
mit 4 Fuß langen Meſſern beſetzt; auf Befragen erfuhren
wir, daß dies Jnſtitut fuͤr Straßenraͤuber beſtimmt ſei,
die darauf geſpießt noch drei bis vier Tage leben, und es
ſtellte ſich heraus, daß wir eben beim Schinder unter dem
Galgen Kaffee tranken. Abends ſpaͤt kamen wir nach Tur-
hall. — Dies Staͤdtchen liegt in einer weiten ſchoͤnen Thal-
ebene, die durch den Zuſammenfluß von vier betraͤchtlichen
Waſſern gebildet wird; mehrere einzelne Felskegel ragen
aus der Wieſenflaͤche hervor; der, welcher der Stadt zu-
naͤchſt, iſt von den Ruinen eines alten Schloſſes gekroͤnt.

37.
Tokat. — Siwas.

Der Paſcha dieſes Orts iſt geſtern mit achtzig Pfer-
den von hier fortgezogen, ſo daß die Poſt keine mehr hat

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[206/0216] ten, die jetzt durchaus unerſteiglich fuͤr Freund und Feind zu ſein ſchienen. Bei hellem Sonnenſchein ritten wir den 7. weiter, oft zuruͤckblickend nach der ſchoͤnen Lage der Stadt und dem hochragenden alten Schloß. Wir folgten einem Nebenthal des von Tokat kommenden Tuſanly-Fluſſes, laͤngs deſſen Ufer Gaͤnge in die Felswand gehauen ſind; unſer Thal ſchloß ſich bald ſo, daß man gar keinen Ausweg ſah, und in einer engen Felspforte, durch die ein wilder Gebirgs- bach ſchaͤumte, kletterten die ſchwerbeladenen Pferde muͤh- ſam empor. Wir erſtiegen jetzt ſchon eine bedeutende Hoͤhe und ſenkten uns durch ein ſchoͤnes Gebirgsthal mit einem rauſchenden Bache hinab; abermals traten die Felswaͤnde bis auf einige Schritte zuſammen, dem Wege und dem Bache kaum einen Durchgang geſtattend. Bei einem ein- zelnen Haͤuschen an dieſer ſchoͤnen Stelle wurde gegen Abend einen Augenblick geraſtet. Wir fanden ein Geruͤſt, oben mit 4 Fuß langen Meſſern beſetzt; auf Befragen erfuhren wir, daß dies Jnſtitut fuͤr Straßenraͤuber beſtimmt ſei, die darauf geſpießt noch drei bis vier Tage leben, und es ſtellte ſich heraus, daß wir eben beim Schinder unter dem Galgen Kaffee tranken. Abends ſpaͤt kamen wir nach Tur- hall. — Dies Staͤdtchen liegt in einer weiten ſchoͤnen Thal- ebene, die durch den Zuſammenfluß von vier betraͤchtlichen Waſſern gebildet wird; mehrere einzelne Felskegel ragen aus der Wieſenflaͤche hervor; der, welcher der Stadt zu- naͤchſt, iſt von den Ruinen eines alten Schloſſes gekroͤnt. 37. Tokat. — Siwas. Siwas, den 11. Maͤrz 1838. Der Paſcha dieſes Orts iſt geſtern mit achtzig Pfer- den von hier fortgezogen, ſo daß die Poſt keine mehr hat

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/216>, abgerufen am 27.11.2024.