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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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machen. Nicht einmal ein Quai oder Landeplatz ist da;
die Ballen werden von Menschen durchs Wasser in die
Kähne getragen.

Der ostindische Handel nahm früher seinen Weg durch
die Levante. Die Genueser waren Herren aller Hafenplätze
an der kleinasiatischen Küste, wie an so vielen andern Punk-
ten des osmanischen Reichs. Ueberall haben sie dauernde
Spuren ihrer Herrschaft hinterlassen; ihre Anlagen zeich-
nen sich durch Solidität und Tüchtigkeit aus; ihre alten
Schlösser stehen noch jetzt und verspotten durch ihr Profil
die spätern türkischen Anlagen; aber die Molen, welche da-
mals ihre Schiffe von geringerer Größe gegen die Wellen
schützten, sind heute vom Meere verschlungen. Die gänz-
liche Zerrüttung und der Mangel an Sicherheit, welcher
mit der türkischen Herrschaft eintrat, leitete jenen wichtigen
Handel in einen neuen Kanal und ließ ihn den erst ent-
deckten Seeweg nehmen. Heute nun trachtet der ostindi-
sche Handel nach dem alten Zug. Die Euphrat-Expedi-
tion war ein erster Versuch in dieser Richtung, und die
Verbindung durch das rothe Meer mittelst Dampfschiffe
ist wirklich hergestellt.

Persische Kaufleute besuchten auch früher schon die
Leipziger Messe, von wo sie Fabrikwaaren und Pelzwerk
holten. Die Reise dauerte gewöhnlich funfzehn Monate,
und war zahllosen Gefahren und Beschwerden ausgesetzt.
Heute geht derselbe Handelsmann von Trapezunt mit den
Dampfschiffen in vier und dreißig Tagen über Konstantinopel
und Wien nach Leipzig, und kehrt in zwanzig Tagen zurück.
Jch glaube, daß eben diese Dampfschiffe eins der wichtig-
sten Mittel zur Civilisation des Orients sein werden, und
daß Oesterreich durch seine großartige Unternehmung in
dieser Beziehung mehr Verdienst als irgend ein anderer
Staat hat. Zum Mittelpunkt seiner Unternehmung hat es
die Hauptstadt eines fremden Landes gemacht, dessen Re-
gierung zu kurzsichtig ist, um auch nur den lucrativen Ge-
sichtspunkt der Sache aufzufassen; österreichische Schiffe

machen. Nicht einmal ein Quai oder Landeplatz iſt da;
die Ballen werden von Menſchen durchs Waſſer in die
Kaͤhne getragen.

Der oſtindiſche Handel nahm fruͤher ſeinen Weg durch
die Levante. Die Genueſer waren Herren aller Hafenplaͤtze
an der kleinaſiatiſchen Kuͤſte, wie an ſo vielen andern Punk-
ten des osmaniſchen Reichs. Ueberall haben ſie dauernde
Spuren ihrer Herrſchaft hinterlaſſen; ihre Anlagen zeich-
nen ſich durch Soliditaͤt und Tuͤchtigkeit aus; ihre alten
Schloͤſſer ſtehen noch jetzt und verſpotten durch ihr Profil
die ſpaͤtern tuͤrkiſchen Anlagen; aber die Molen, welche da-
mals ihre Schiffe von geringerer Groͤße gegen die Wellen
ſchuͤtzten, ſind heute vom Meere verſchlungen. Die gaͤnz-
liche Zerruͤttung und der Mangel an Sicherheit, welcher
mit der tuͤrkiſchen Herrſchaft eintrat, leitete jenen wichtigen
Handel in einen neuen Kanal und ließ ihn den erſt ent-
deckten Seeweg nehmen. Heute nun trachtet der oſtindi-
ſche Handel nach dem alten Zug. Die Euphrat-Expedi-
tion war ein erſter Verſuch in dieſer Richtung, und die
Verbindung durch das rothe Meer mittelſt Dampfſchiffe
iſt wirklich hergeſtellt.

Perſiſche Kaufleute beſuchten auch fruͤher ſchon die
Leipziger Meſſe, von wo ſie Fabrikwaaren und Pelzwerk
holten. Die Reiſe dauerte gewoͤhnlich funfzehn Monate,
und war zahlloſen Gefahren und Beſchwerden ausgeſetzt.
Heute geht derſelbe Handelsmann von Trapezunt mit den
Dampfſchiffen in vier und dreißig Tagen uͤber Konſtantinopel
und Wien nach Leipzig, und kehrt in zwanzig Tagen zuruͤck.
Jch glaube, daß eben dieſe Dampfſchiffe eins der wichtig-
ſten Mittel zur Civiliſation des Orients ſein werden, und
daß Oeſterreich durch ſeine großartige Unternehmung in
dieſer Beziehung mehr Verdienſt als irgend ein anderer
Staat hat. Zum Mittelpunkt ſeiner Unternehmung hat es
die Hauptſtadt eines fremden Landes gemacht, deſſen Re-
gierung zu kurzſichtig iſt, um auch nur den lucrativen Ge-
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[201/0211] machen. Nicht einmal ein Quai oder Landeplatz iſt da; die Ballen werden von Menſchen durchs Waſſer in die Kaͤhne getragen. Der oſtindiſche Handel nahm fruͤher ſeinen Weg durch die Levante. Die Genueſer waren Herren aller Hafenplaͤtze an der kleinaſiatiſchen Kuͤſte, wie an ſo vielen andern Punk- ten des osmaniſchen Reichs. Ueberall haben ſie dauernde Spuren ihrer Herrſchaft hinterlaſſen; ihre Anlagen zeich- nen ſich durch Soliditaͤt und Tuͤchtigkeit aus; ihre alten Schloͤſſer ſtehen noch jetzt und verſpotten durch ihr Profil die ſpaͤtern tuͤrkiſchen Anlagen; aber die Molen, welche da- mals ihre Schiffe von geringerer Groͤße gegen die Wellen ſchuͤtzten, ſind heute vom Meere verſchlungen. Die gaͤnz- liche Zerruͤttung und der Mangel an Sicherheit, welcher mit der tuͤrkiſchen Herrſchaft eintrat, leitete jenen wichtigen Handel in einen neuen Kanal und ließ ihn den erſt ent- deckten Seeweg nehmen. Heute nun trachtet der oſtindi- ſche Handel nach dem alten Zug. Die Euphrat-Expedi- tion war ein erſter Verſuch in dieſer Richtung, und die Verbindung durch das rothe Meer mittelſt Dampfſchiffe iſt wirklich hergeſtellt. Perſiſche Kaufleute beſuchten auch fruͤher ſchon die Leipziger Meſſe, von wo ſie Fabrikwaaren und Pelzwerk holten. Die Reiſe dauerte gewoͤhnlich funfzehn Monate, und war zahlloſen Gefahren und Beſchwerden ausgeſetzt. Heute geht derſelbe Handelsmann von Trapezunt mit den Dampfſchiffen in vier und dreißig Tagen uͤber Konſtantinopel und Wien nach Leipzig, und kehrt in zwanzig Tagen zuruͤck. Jch glaube, daß eben dieſe Dampfſchiffe eins der wichtig- ſten Mittel zur Civiliſation des Orients ſein werden, und daß Oeſterreich durch ſeine großartige Unternehmung in dieſer Beziehung mehr Verdienſt als irgend ein anderer Staat hat. Zum Mittelpunkt ſeiner Unternehmung hat es die Hauptſtadt eines fremden Landes gemacht, deſſen Re- gierung zu kurzſichtig iſt, um auch nur den lucrativen Ge- ſichtspunkt der Sache aufzufaſſen; oͤſterreichiſche Schiffe

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/211>, abgerufen am 27.11.2024.