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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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35.
Reise nach Samsun. -- Die Häfen des Schwarzen
Meeres. -- Dampfschifffahrt.

Kaum finde ich Zeit, Dir einige Zeilen zu schreiben,
so schnell geht unsere Reise vorwärts; heute erst machen
wir einen halben Tag Halt, und ich setze mich sogleich ne-
ben ein loderndes Kaminfeuer (denn die Berge ringsum
sind mit Schnee bedeckt), schichte eine Menge Sophakissen
über einander, um ein hier unbekanntes Möbel, einen Tisch,
zu construiren, und fange an, meine Reiseschicksale her zu
zählen; aber da kömmt alle Augenblick ein Besuch, ein Oberst
aus Konstantinopel, der mein alter Reisegefährte in Ru-
melien war und jetzt Commandeur der Redif oder Land-
wehr ist, das Corps der sämmtlichen Hauptleute, welche
ihre Aufwartung machen, ein Jman, ein Jude mit alten
Münzen u. s. w. Es werden zahlreiche Pfeifen und Kaf-
fee getrunken, schon fängt es an dunkel zu werden, und
morgen mit den Frühsten geht es zwanzig Stunden über
Schnee-bedeckte Berge nach Siwas.

Jch bin Dir noch den Bericht über die Abschieds-
audienz schuldig, welche v. M. und ich beim Großherrn
hatten; sie ist indessen für mich die vierte, und weicht in
nichts von den übrigen ab, so daß ich die Wiederholung
erspare. Das einzige Neue war, daß ich diesmal in tür-
kischer Kleidung ging und deshalb im Vorgemach Sr. Ho-
heit desarmirt wurde. Niemand kann nämlich, selbst der
Vezier nicht, bewaffnet eintreten; daß es indeß die Absicht
Sr. Majestät nicht war, uns unsere Waffe zu nehmen, be-
weiset Dir, daß er jedem von uns einen Pascha-Säbel
mit schöner Damascener-Klinge schenkte, die wohl sehr gut
sein muß, da Se. Hoheit uns selbst aufforderte, sie heraus
zu ziehen, um sie zu sehen. Der Großherr war sehr huld-
voll wie immer.

35.
Reiſe nach Samſun. — Die Haͤfen des Schwarzen
Meeres. — Dampfſchifffahrt.

Kaum finde ich Zeit, Dir einige Zeilen zu ſchreiben,
ſo ſchnell geht unſere Reiſe vorwaͤrts; heute erſt machen
wir einen halben Tag Halt, und ich ſetze mich ſogleich ne-
ben ein loderndes Kaminfeuer (denn die Berge ringsum
ſind mit Schnee bedeckt), ſchichte eine Menge Sophakiſſen
uͤber einander, um ein hier unbekanntes Moͤbel, einen Tiſch,
zu conſtruiren, und fange an, meine Reiſeſchickſale her zu
zaͤhlen; aber da koͤmmt alle Augenblick ein Beſuch, ein Oberſt
aus Konſtantinopel, der mein alter Reiſegefaͤhrte in Ru-
melien war und jetzt Commandeur der Redif oder Land-
wehr iſt, das Corps der ſaͤmmtlichen Hauptleute, welche
ihre Aufwartung machen, ein Jman, ein Jude mit alten
Muͤnzen u. ſ. w. Es werden zahlreiche Pfeifen und Kaf-
fee getrunken, ſchon faͤngt es an dunkel zu werden, und
morgen mit den Fruͤhſten geht es zwanzig Stunden uͤber
Schnee-bedeckte Berge nach Siwas.

Jch bin Dir noch den Bericht uͤber die Abſchieds-
audienz ſchuldig, welche v. M. und ich beim Großherrn
hatten; ſie iſt indeſſen fuͤr mich die vierte, und weicht in
nichts von den uͤbrigen ab, ſo daß ich die Wiederholung
erſpare. Das einzige Neue war, daß ich diesmal in tuͤr-
kiſcher Kleidung ging und deshalb im Vorgemach Sr. Ho-
heit deſarmirt wurde. Niemand kann naͤmlich, ſelbſt der
Vezier nicht, bewaffnet eintreten; daß es indeß die Abſicht
Sr. Majeſtaͤt nicht war, uns unſere Waffe zu nehmen, be-
weiſet Dir, daß er jedem von uns einen Paſcha-Saͤbel
mit ſchoͤner Damaſcener-Klinge ſchenkte, die wohl ſehr gut
ſein muß, da Se. Hoheit uns ſelbſt aufforderte, ſie heraus
zu ziehen, um ſie zu ſehen. Der Großherr war ſehr huld-
voll wie immer.

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[198/0208] 35. Reiſe nach Samſun. — Die Haͤfen des Schwarzen Meeres. — Dampfſchifffahrt. Tokat in Aſien, den 8. Maͤrz 1838. Kaum finde ich Zeit, Dir einige Zeilen zu ſchreiben, ſo ſchnell geht unſere Reiſe vorwaͤrts; heute erſt machen wir einen halben Tag Halt, und ich ſetze mich ſogleich ne- ben ein loderndes Kaminfeuer (denn die Berge ringsum ſind mit Schnee bedeckt), ſchichte eine Menge Sophakiſſen uͤber einander, um ein hier unbekanntes Moͤbel, einen Tiſch, zu conſtruiren, und fange an, meine Reiſeſchickſale her zu zaͤhlen; aber da koͤmmt alle Augenblick ein Beſuch, ein Oberſt aus Konſtantinopel, der mein alter Reiſegefaͤhrte in Ru- melien war und jetzt Commandeur der Redif oder Land- wehr iſt, das Corps der ſaͤmmtlichen Hauptleute, welche ihre Aufwartung machen, ein Jman, ein Jude mit alten Muͤnzen u. ſ. w. Es werden zahlreiche Pfeifen und Kaf- fee getrunken, ſchon faͤngt es an dunkel zu werden, und morgen mit den Fruͤhſten geht es zwanzig Stunden uͤber Schnee-bedeckte Berge nach Siwas. Jch bin Dir noch den Bericht uͤber die Abſchieds- audienz ſchuldig, welche v. M. und ich beim Großherrn hatten; ſie iſt indeſſen fuͤr mich die vierte, und weicht in nichts von den uͤbrigen ab, ſo daß ich die Wiederholung erſpare. Das einzige Neue war, daß ich diesmal in tuͤr- kiſcher Kleidung ging und deshalb im Vorgemach Sr. Ho- heit deſarmirt wurde. Niemand kann naͤmlich, ſelbſt der Vezier nicht, bewaffnet eintreten; daß es indeß die Abſicht Sr. Majeſtaͤt nicht war, uns unſere Waffe zu nehmen, be- weiſet Dir, daß er jedem von uns einen Paſcha-Saͤbel mit ſchoͤner Damaſcener-Klinge ſchenkte, die wohl ſehr gut ſein muß, da Se. Hoheit uns ſelbſt aufforderte, ſie heraus zu ziehen, um ſie zu ſehen. Der Großherr war ſehr huld- voll wie immer.

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/208>, abgerufen am 28.11.2024.