wahrscheinlich, daß man den mißlichen Uebergang etwas entfernter von Galata jenseit des von Mohammed erbau- ten Schlosses Rumeli-Hissari durch das Thal von Balta- Liman unternommen habe. Das Ufer ist hier sehr niedrig, und man konnte auf eine kurze Strecke den Bach selbst be- nutzen; dann erhebt sich die Thalsohle sehr eben und sanft bis zu den Ruinen von Levend-Tschiftlik, und man konnte über einen schmalen Rücken in das Thal von Kjat-Hane hinabsteigen, wo der Barbyses für kleine Fahrzeuge schiff- bar ist. An den schwierigsten Stellen wurde ein Geleise von Balken gelegt, welche mit Fett beschmiert waren, und mittelst Flaschenzügen und Erdwinden konnte man die grö- ßern Fahrzeuge fortschaffen. Daß man dabei die Seegel aufgespannt, ist wohl nur eine Ausschmückung des Erzäh- lers, so wie, daß die ganze Flotte in einer Nacht diese reichlich eine Meile lange Landparthie ausgeführt habe. Die kleinern türkischen Fahrzeuge waren wahrscheinlich den jetzigen Mahonnen ähnlich, und diese konnten sich in dem nördlichen Theile des Hafens bis Ejub hinab ausbreiten, ohne daß die tiefgehenden feindlichen Galeeren ihnen beizu- kommen vermochten. Der Angriff aber, welcher gegen das Thor des Fanals gerichtet war, wurde auch wirklich von den griechischen Schiffen in die Flanken genommen, und man muß nothwendig annehmen, daß die genuesische Flotte geschlagen, oder, was wahrscheinlicher, daß sie sich freiwil- lig entfernte. Die Genueser hofften nämlich den Fall des Kaiserreichs zu überleben; verleitet durch die Versprechun- gen des Sultans sahen sie von ihren Zinnen dem letzten verzweiflungsvollen Kampf der Byzantiner zu, und erwach- ten erst dann aus ihrer Täuschung, als ihre kurz zuvor noch so wichtigen Hülfsmittel zu ihrem eigenen Schutz nicht mehr ausreichten.
Die Türken zimmerten eine schwimmende Batterie, 100 Ellen lang, 50 breit, aus Tonnen und Fässern, mit Stan- gen und Balken verbunden und belegt; auf dieser wurde unter andern eine der großen Kanonen eingeschifft, und
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wahrſcheinlich, daß man den mißlichen Uebergang etwas entfernter von Galata jenſeit des von Mohammed erbau- ten Schloſſes Rumeli-Hiſſari durch das Thal von Balta- Liman unternommen habe. Das Ufer iſt hier ſehr niedrig, und man konnte auf eine kurze Strecke den Bach ſelbſt be- nutzen; dann erhebt ſich die Thalſohle ſehr eben und ſanft bis zu den Ruinen von Levend-Tſchiftlik, und man konnte uͤber einen ſchmalen Ruͤcken in das Thal von Kjat-Hane hinabſteigen, wo der Barbyſes fuͤr kleine Fahrzeuge ſchiff- bar iſt. An den ſchwierigſten Stellen wurde ein Geleiſe von Balken gelegt, welche mit Fett beſchmiert waren, und mittelſt Flaſchenzuͤgen und Erdwinden konnte man die groͤ- ßern Fahrzeuge fortſchaffen. Daß man dabei die Seegel aufgeſpannt, iſt wohl nur eine Ausſchmuͤckung des Erzaͤh- lers, ſo wie, daß die ganze Flotte in einer Nacht dieſe reichlich eine Meile lange Landparthie ausgefuͤhrt habe. Die kleinern tuͤrkiſchen Fahrzeuge waren wahrſcheinlich den jetzigen Mahonnen aͤhnlich, und dieſe konnten ſich in dem noͤrdlichen Theile des Hafens bis Ejub hinab ausbreiten, ohne daß die tiefgehenden feindlichen Galeeren ihnen beizu- kommen vermochten. Der Angriff aber, welcher gegen das Thor des Fanals gerichtet war, wurde auch wirklich von den griechiſchen Schiffen in die Flanken genommen, und man muß nothwendig annehmen, daß die genueſiſche Flotte geſchlagen, oder, was wahrſcheinlicher, daß ſie ſich freiwil- lig entfernte. Die Genueſer hofften naͤmlich den Fall des Kaiſerreichs zu uͤberleben; verleitet durch die Verſprechun- gen des Sultans ſahen ſie von ihren Zinnen dem letzten verzweiflungsvollen Kampf der Byzantiner zu, und erwach- ten erſt dann aus ihrer Taͤuſchung, als ihre kurz zuvor noch ſo wichtigen Huͤlfsmittel zu ihrem eigenen Schutz nicht mehr ausreichten.
Die Tuͤrken zimmerten eine ſchwimmende Batterie, 100 Ellen lang, 50 breit, aus Tonnen und Faͤſſern, mit Stan- gen und Balken verbunden und belegt; auf dieſer wurde unter andern eine der großen Kanonen eingeſchifft, und
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wahrſcheinlich, daß man den mißlichen Uebergang etwas
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ten Schloſſes Rumeli-Hiſſari durch das Thal von Balta-
Liman unternommen habe. Das Ufer iſt hier ſehr niedrig,
und man konnte auf eine kurze Strecke den Bach ſelbſt be-
nutzen; dann erhebt ſich die Thalſohle ſehr eben und ſanft
bis zu den Ruinen von Levend-Tſchiftlik, und man konnte
uͤber einen ſchmalen Ruͤcken in das Thal von Kjat-Hane
hinabſteigen, wo der Barbyſes fuͤr kleine Fahrzeuge ſchiff-
bar iſt. An den ſchwierigſten Stellen wurde ein Geleiſe
von Balken gelegt, welche mit Fett beſchmiert waren, und
mittelſt Flaſchenzuͤgen und Erdwinden konnte man die groͤ-
ßern Fahrzeuge fortſchaffen. Daß man dabei die Seegel
aufgeſpannt, iſt wohl nur eine Ausſchmuͤckung des Erzaͤh-
lers, ſo wie, daß die ganze Flotte in einer Nacht dieſe
reichlich eine Meile lange Landparthie ausgefuͤhrt habe.
Die kleinern tuͤrkiſchen Fahrzeuge waren wahrſcheinlich den
jetzigen Mahonnen aͤhnlich, und dieſe konnten ſich in dem
noͤrdlichen Theile des Hafens bis Ejub hinab ausbreiten,
ohne daß die tiefgehenden feindlichen Galeeren ihnen beizu-
kommen vermochten. Der Angriff aber, welcher gegen das
Thor des Fanals gerichtet war, wurde auch wirklich von
den griechiſchen Schiffen in die Flanken genommen, und
man muß nothwendig annehmen, daß die genueſiſche Flotte
geſchlagen, oder, was wahrſcheinlicher, daß ſie ſich freiwil-
lig entfernte. Die Genueſer hofften naͤmlich den Fall des
Kaiſerreichs zu uͤberleben; verleitet durch die Verſprechun-
gen des Sultans ſahen ſie von ihren Zinnen dem letzten
verzweiflungsvollen Kampf der Byzantiner zu, und erwach-
ten erſt dann aus ihrer Taͤuſchung, als ihre kurz zuvor
noch ſo wichtigen Huͤlfsmittel zu ihrem eigenen Schutz nicht
mehr ausreichten.
Die Tuͤrken zimmerten eine ſchwimmende Batterie, 100
Ellen lang, 50 breit, aus Tonnen und Faͤſſern, mit Stan-
gen und Balken verbunden und belegt; auf dieſer wurde
unter andern eine der großen Kanonen eingeſchifft, und
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/203>, abgerufen am 28.11.2024.
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