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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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standen von Pyramiden aus Cypressen- und Orangenbäu-
men. Jm Hintergrunde erhoben sich Terrassen mit eben
solchen Parthieen, schönen Treibhäusern und Kiosken; das
Ganze aber ist von hohen Mauern umgeben, die zwar grün
angestrichen sind, aber doch etwas sehr Beengendes haben.
Nach dem Bosphorus sind die Fenster in der Mauer au-
ßer den größeren Gittern mit einem ziemlich dichten Ge-
flecht aus Rohrstäbchen zugesetzt, so daß man zwar hin-
aus, aber nicht hinein sehen kann. An der Seite des Ha-
remms sind diese Rohrjalousien doppelt, und schließen, selbst
im dritten Stock des Palais, die Fenster bis zum obersten
Rande.

Jch sah mir eben diese Herrlichkeiten an, als der Groß-
herr über eine Art Gallerie aus dem Haremm ging und
uns aus dem Fenster rief, herauf zu kommen. Unten auf
dem Flur, welcher mit schönen Marmorplatten ausgelegt
ist, begegneten wir dem dritten Prinzen Sr. Majestät auf
den Armen eines schwarzen Sclaven; ein sehr schöner Knabe
von zwei Jahren, lustig und gesund aussehend. Sayd-
Bey
hatte die Ehre, den Rockzipfel des Kindes zu küssen.
Wir stiegen eine recht schöne, breite Treppe hinauf, durch-
schritten einige Säle, in denen eigentlich nichts war, was
man nicht in jedem gut eingerichteten Privathause bei uns
auch findet (außer etwa die sehr schönen Parquets aus
Cedern- und Nußholz) und standen vor Sr. Hoheit, wel-
cher in einem Cabinet ganz nahe an der Thür in einem
Lehnsessel saß und seine Pfeife rauchte. Vor ihm stand
Mehmet Aly Bey, neben ihm Rißa Bey, seine beiden
Pagen oder Vertrauten, die Arme vorne verschränkt, in
ehrfurchtsvollem Schweigen. Das Zimmer war von einer
angenehmen Dunkelheit; ein starker Zugwind, den hier Nie-
mand fürchtet und ohne den man nicht leben kann, unter-
hielt trotz der Hitze des Tages die angenehmste Kühle; die
Fenster sahen auf den Bosphorus, dessen Strömung sich
hier mit Geräusch gegen den Quai bricht. Nachdem Sayd-
Bey
mit der Hand den Fußboden berührt, meldete er einige

ſtanden von Pyramiden aus Cypreſſen- und Orangenbaͤu-
men. Jm Hintergrunde erhoben ſich Terraſſen mit eben
ſolchen Parthieen, ſchoͤnen Treibhaͤuſern und Kiosken; das
Ganze aber iſt von hohen Mauern umgeben, die zwar gruͤn
angeſtrichen ſind, aber doch etwas ſehr Beengendes haben.
Nach dem Bosphorus ſind die Fenſter in der Mauer au-
ßer den groͤßeren Gittern mit einem ziemlich dichten Ge-
flecht aus Rohrſtaͤbchen zugeſetzt, ſo daß man zwar hin-
aus, aber nicht hinein ſehen kann. An der Seite des Ha-
remms ſind dieſe Rohrjalouſien doppelt, und ſchließen, ſelbſt
im dritten Stock des Palais, die Fenſter bis zum oberſten
Rande.

Jch ſah mir eben dieſe Herrlichkeiten an, als der Groß-
herr uͤber eine Art Gallerie aus dem Haremm ging und
uns aus dem Fenſter rief, herauf zu kommen. Unten auf
dem Flur, welcher mit ſchoͤnen Marmorplatten ausgelegt
iſt, begegneten wir dem dritten Prinzen Sr. Majeſtaͤt auf
den Armen eines ſchwarzen Sclaven; ein ſehr ſchoͤner Knabe
von zwei Jahren, luſtig und geſund ausſehend. Sayd-
Bey
hatte die Ehre, den Rockzipfel des Kindes zu kuͤſſen.
Wir ſtiegen eine recht ſchoͤne, breite Treppe hinauf, durch-
ſchritten einige Saͤle, in denen eigentlich nichts war, was
man nicht in jedem gut eingerichteten Privathauſe bei uns
auch findet (außer etwa die ſehr ſchoͤnen Parquets aus
Cedern- und Nußholz) und ſtanden vor Sr. Hoheit, wel-
cher in einem Cabinet ganz nahe an der Thuͤr in einem
Lehnſeſſel ſaß und ſeine Pfeife rauchte. Vor ihm ſtand
Mehmet Aly Bey, neben ihm Rißa Bey, ſeine beiden
Pagen oder Vertrauten, die Arme vorne verſchraͤnkt, in
ehrfurchtsvollem Schweigen. Das Zimmer war von einer
angenehmen Dunkelheit; ein ſtarker Zugwind, den hier Nie-
mand fuͤrchtet und ohne den man nicht leben kann, unter-
hielt trotz der Hitze des Tages die angenehmſte Kuͤhle; die
Fenſter ſahen auf den Bosphorus, deſſen Stroͤmung ſich
hier mit Geraͤuſch gegen den Quai bricht. Nachdem Sayd-
Bey
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[152/0162] ſtanden von Pyramiden aus Cypreſſen- und Orangenbaͤu- men. Jm Hintergrunde erhoben ſich Terraſſen mit eben ſolchen Parthieen, ſchoͤnen Treibhaͤuſern und Kiosken; das Ganze aber iſt von hohen Mauern umgeben, die zwar gruͤn angeſtrichen ſind, aber doch etwas ſehr Beengendes haben. Nach dem Bosphorus ſind die Fenſter in der Mauer au- ßer den groͤßeren Gittern mit einem ziemlich dichten Ge- flecht aus Rohrſtaͤbchen zugeſetzt, ſo daß man zwar hin- aus, aber nicht hinein ſehen kann. An der Seite des Ha- remms ſind dieſe Rohrjalouſien doppelt, und ſchließen, ſelbſt im dritten Stock des Palais, die Fenſter bis zum oberſten Rande. Jch ſah mir eben dieſe Herrlichkeiten an, als der Groß- herr uͤber eine Art Gallerie aus dem Haremm ging und uns aus dem Fenſter rief, herauf zu kommen. Unten auf dem Flur, welcher mit ſchoͤnen Marmorplatten ausgelegt iſt, begegneten wir dem dritten Prinzen Sr. Majeſtaͤt auf den Armen eines ſchwarzen Sclaven; ein ſehr ſchoͤner Knabe von zwei Jahren, luſtig und geſund ausſehend. Sayd- Bey hatte die Ehre, den Rockzipfel des Kindes zu kuͤſſen. Wir ſtiegen eine recht ſchoͤne, breite Treppe hinauf, durch- ſchritten einige Saͤle, in denen eigentlich nichts war, was man nicht in jedem gut eingerichteten Privathauſe bei uns auch findet (außer etwa die ſehr ſchoͤnen Parquets aus Cedern- und Nußholz) und ſtanden vor Sr. Hoheit, wel- cher in einem Cabinet ganz nahe an der Thuͤr in einem Lehnſeſſel ſaß und ſeine Pfeife rauchte. Vor ihm ſtand Mehmet Aly Bey, neben ihm Rißa Bey, ſeine beiden Pagen oder Vertrauten, die Arme vorne verſchraͤnkt, in ehrfurchtsvollem Schweigen. Das Zimmer war von einer angenehmen Dunkelheit; ein ſtarker Zugwind, den hier Nie- mand fuͤrchtet und ohne den man nicht leben kann, unter- hielt trotz der Hitze des Tages die angenehmſte Kuͤhle; die Fenſter ſahen auf den Bosphorus, deſſen Stroͤmung ſich hier mit Geraͤuſch gegen den Quai bricht. Nachdem Sayd- Bey mit der Hand den Fußboden beruͤhrt, meldete er einige

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/162>, abgerufen am 26.11.2024.