Am Tage, nachdem ich Dir das letztemal geschrieben, wurde ich ins Mabein befohlen. Dies Gebäude ist durch eine hohe Mauer noch von dem eigentlichen Seraj oder Schloß geschieden, in welchem dann das Haremm wieder besonders abgetheilt ist, welches nur von Frauen, Verschnit- tenen und dem Großherrn selbst bewohnt wird. Wassaf- Effendi, der bisherige erste Sekretair und Günstling des Großherrn, von dem ich Dir geschrieben, war abgesetzt und seine Stelle durch Sayd-Bey eingenommen, den ich auf der Reise näher kennen gelernt. Das Gespräch drehte sich um gleichgültige Gegenstände und unvermeidliche Compli- mente. Eine Pfeife wurde nach der andern geraucht, und Zeit und Weile fingen mir an lang zu werden, als Sayd- Bey mich aufforderte, ihm zum Großherrn zu folgen; da dergleichen Audienzen hier selten und ungewöhnlich sind, so kam mir dieser Vorschlag sehr unvermuthet. Jch war in meinem Ueberrock und Strohhut, also nichts weniger als hochzeitlich gekleidet. Das Palais Beglerbey, wo der Sul- tan im Sommer residirt, erhebt sich an der asiatischen Seite des Bosphorus in einer sehr schönen Lage. Rechts sieht man die weißen Thürme der Hissar oder alten Schlösser, und den Bosphorus hinauf bis fast nach Bujukdere, links Scutari, Pera und Galata, Konstantinopel und die Seraj- spitze mit ihren weißen Minarehs und schwarzen Cypressen. Beglerbey selbst ist ein ausgedehntes Gebäude, hellgelb an- gemalt, wie alle übrigen Wohnungen aus Brettern zusam- mengenagelt und mit zahllosen Fenstern, eins über dem an- dern. Jch trat durch ein vergoldetes Thor in einen ächt türkischen Garten mit kleinen, von Buxbäumen eingefaßten Blumenparterres, die Gänge mit Muscheln ausgestreut; Bassins mit Goldfischen und Springbrunnen waren um-
30. Zweite Audienz beim Großherrn.
Bujukdere, den 26. Juli 1837.
Am Tage, nachdem ich Dir das letztemal geſchrieben, wurde ich ins Mabeïn befohlen. Dies Gebaͤude iſt durch eine hohe Mauer noch von dem eigentlichen Seraj oder Schloß geſchieden, in welchem dann das Haremm wieder beſonders abgetheilt iſt, welches nur von Frauen, Verſchnit- tenen und dem Großherrn ſelbſt bewohnt wird. Waſſaf- Effendi, der bisherige erſte Sekretair und Guͤnſtling des Großherrn, von dem ich Dir geſchrieben, war abgeſetzt und ſeine Stelle durch Sayd-Bey eingenommen, den ich auf der Reiſe naͤher kennen gelernt. Das Geſpraͤch drehte ſich um gleichguͤltige Gegenſtaͤnde und unvermeidliche Compli- mente. Eine Pfeife wurde nach der andern geraucht, und Zeit und Weile fingen mir an lang zu werden, als Sayd- Bey mich aufforderte, ihm zum Großherrn zu folgen; da dergleichen Audienzen hier ſelten und ungewoͤhnlich ſind, ſo kam mir dieſer Vorſchlag ſehr unvermuthet. Jch war in meinem Ueberrock und Strohhut, alſo nichts weniger als hochzeitlich gekleidet. Das Palais Beglerbey, wo der Sul- tan im Sommer reſidirt, erhebt ſich an der aſiatiſchen Seite des Bosphorus in einer ſehr ſchoͤnen Lage. Rechts ſieht man die weißen Thuͤrme der Hiſſar oder alten Schloͤſſer, und den Bosphorus hinauf bis faſt nach Bujukdere, links Scutari, Pera und Galata, Konſtantinopel und die Seraj- ſpitze mit ihren weißen Minarehs und ſchwarzen Cypreſſen. Beglerbey ſelbſt iſt ein ausgedehntes Gebaͤude, hellgelb an- gemalt, wie alle uͤbrigen Wohnungen aus Brettern zuſam- mengenagelt und mit zahlloſen Fenſtern, eins uͤber dem an- dern. Jch trat durch ein vergoldetes Thor in einen aͤcht tuͤrkiſchen Garten mit kleinen, von Buxbaͤumen eingefaßten Blumenparterres, die Gaͤnge mit Muſcheln ausgeſtreut; Baſſins mit Goldfiſchen und Springbrunnen waren um-
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30.
Zweite Audienz beim Großherrn.
Bujukdere, den 26. Juli 1837.
Am Tage, nachdem ich Dir das letztemal geſchrieben,
wurde ich ins Mabeïn befohlen. Dies Gebaͤude iſt durch
eine hohe Mauer noch von dem eigentlichen Seraj oder
Schloß geſchieden, in welchem dann das Haremm wieder
beſonders abgetheilt iſt, welches nur von Frauen, Verſchnit-
tenen und dem Großherrn ſelbſt bewohnt wird. Waſſaf-
Effendi, der bisherige erſte Sekretair und Guͤnſtling des
Großherrn, von dem ich Dir geſchrieben, war abgeſetzt und
ſeine Stelle durch Sayd-Bey eingenommen, den ich auf
der Reiſe naͤher kennen gelernt. Das Geſpraͤch drehte ſich
um gleichguͤltige Gegenſtaͤnde und unvermeidliche Compli-
mente. Eine Pfeife wurde nach der andern geraucht, und
Zeit und Weile fingen mir an lang zu werden, als Sayd-
Bey mich aufforderte, ihm zum Großherrn zu folgen; da
dergleichen Audienzen hier ſelten und ungewoͤhnlich ſind, ſo
kam mir dieſer Vorſchlag ſehr unvermuthet. Jch war in
meinem Ueberrock und Strohhut, alſo nichts weniger als
hochzeitlich gekleidet. Das Palais Beglerbey, wo der Sul-
tan im Sommer reſidirt, erhebt ſich an der aſiatiſchen Seite
des Bosphorus in einer ſehr ſchoͤnen Lage. Rechts ſieht
man die weißen Thuͤrme der Hiſſar oder alten Schloͤſſer,
und den Bosphorus hinauf bis faſt nach Bujukdere, links
Scutari, Pera und Galata, Konſtantinopel und die Seraj-
ſpitze mit ihren weißen Minarehs und ſchwarzen Cypreſſen.
Beglerbey ſelbſt iſt ein ausgedehntes Gebaͤude, hellgelb an-
gemalt, wie alle uͤbrigen Wohnungen aus Brettern zuſam-
mengenagelt und mit zahlloſen Fenſtern, eins uͤber dem an-
dern. Jch trat durch ein vergoldetes Thor in einen aͤcht
tuͤrkiſchen Garten mit kleinen, von Buxbaͤumen eingefaßten
Blumenparterres, die Gaͤnge mit Muſcheln ausgeſtreut;
Baſſins mit Goldfiſchen und Springbrunnen waren um-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/161>, abgerufen am 26.11.2024.
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