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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Das Weichselkirschrohr ist 2 bis 6 Fuß und darüber
lang, je länger und je dicker, um so kostbarer. Wenn der
unwissende Franke (die Türken sagen Jabandschi -- "der
Wilde") einen Tschibuk kauft, so erhält er in der Regel
ein aus Ahornholz gedrechseltes und mit Kirschbaumrinde
plattirtes Rohr. Die Türken erkennen den Europäer auf
den ersten Blick, besonders, wenn er den Feß aufsetzt und
mit Sommersprossen, rothem Bart und blauen Augen, mit
Handschuhen an den Händen und Brillen auf der Nase,
Prätension macht, für einen ächten Gläubigen zu gelten.

Das zweite Requisit ist der Kopf (Luleh); der rothe
Thon wird in bleierne Formen gepreßt, getrocknet und ge-
brannt. Du findest ganze Straßen von Läden, wo nur
solche rothe Köpfe, andere, in welchen nur die Röhre feil
geboten werden; dieser Umstand bewirkt, daß man nie sehr
übertheuert werden kann.

Das letzte und kostbarste Stück der Pfeife ist die Bern-
steinspitze (Takkim). Am geschätztesten ist der milchweiße
Bernstein ohne Adern oder Flecken, und wenn eine solche
Spitze aus großen Stücken besteht, so kostet sie vierzig,
funfzig, selbst hundert Thaler. Jch glaube, daß der größte
Theil alles seit Jahrhunderten gefundenen Bernsteins nach
der Türkei gewandert ist, denn auch der geringste Türke
sucht davon ein Stückchen für seine Pfeife an sich zu brin-
gen. Wahr ist es, daß keine andere Substanz oder Com-
position so angenehm für die Lippen ist, wie der Bernstein,
von dem man sich noch überdies überzeugt hält, daß er
keinen ansteckenden Stoff annimmt; dies ist zur Zeit der
Pest beruhigend, denn wenn ein besonders geschätzter Gast
eintritt, so giebt der Türke ihm sogleich seine eigene Pfeife
zu rauchen.

Der Taback (Tütün) ist vortrefflich und besonders der
syrische von Ladik geschätzt; er wird sehr dünn geschnitten,
brennt leicht und knistert wie Salpeter.

Ein eigener Diener hat nichts Anderes zu thun, als
seinem Herrn, der selbst nichts zu thun hat, die Pfeife rein

Das Weichſelkirſchrohr iſt 2 bis 6 Fuß und daruͤber
lang, je laͤnger und je dicker, um ſo koſtbarer. Wenn der
unwiſſende Franke (die Tuͤrken ſagen Jabandſchi — „der
Wilde“) einen Tſchibuk kauft, ſo erhaͤlt er in der Regel
ein aus Ahornholz gedrechſeltes und mit Kirſchbaumrinde
plattirtes Rohr. Die Tuͤrken erkennen den Europaͤer auf
den erſten Blick, beſonders, wenn er den Feß aufſetzt und
mit Sommerſproſſen, rothem Bart und blauen Augen, mit
Handſchuhen an den Haͤnden und Brillen auf der Naſe,
Praͤtenſion macht, fuͤr einen aͤchten Glaͤubigen zu gelten.

Das zweite Requiſit iſt der Kopf (Luleh); der rothe
Thon wird in bleierne Formen gepreßt, getrocknet und ge-
brannt. Du findeſt ganze Straßen von Laͤden, wo nur
ſolche rothe Koͤpfe, andere, in welchen nur die Roͤhre feil
geboten werden; dieſer Umſtand bewirkt, daß man nie ſehr
uͤbertheuert werden kann.

Das letzte und koſtbarſte Stuͤck der Pfeife iſt die Bern-
ſteinſpitze (Takkim). Am geſchaͤtzteſten iſt der milchweiße
Bernſtein ohne Adern oder Flecken, und wenn eine ſolche
Spitze aus großen Stuͤcken beſteht, ſo koſtet ſie vierzig,
funfzig, ſelbſt hundert Thaler. Jch glaube, daß der groͤßte
Theil alles ſeit Jahrhunderten gefundenen Bernſteins nach
der Tuͤrkei gewandert iſt, denn auch der geringſte Tuͤrke
ſucht davon ein Stuͤckchen fuͤr ſeine Pfeife an ſich zu brin-
gen. Wahr iſt es, daß keine andere Subſtanz oder Com-
poſition ſo angenehm fuͤr die Lippen iſt, wie der Bernſtein,
von dem man ſich noch uͤberdies uͤberzeugt haͤlt, daß er
keinen anſteckenden Stoff annimmt; dies iſt zur Zeit der
Peſt beruhigend, denn wenn ein beſonders geſchaͤtzter Gaſt
eintritt, ſo giebt der Tuͤrke ihm ſogleich ſeine eigene Pfeife
zu rauchen.

Der Taback (Tuͤtuͤn) iſt vortrefflich und beſonders der
ſyriſche von Ladik geſchaͤtzt; er wird ſehr duͤnn geſchnitten,
brennt leicht und kniſtert wie Salpeter.

Ein eigener Diener hat nichts Anderes zu thun, als
ſeinem Herrn, der ſelbſt nichts zu thun hat, die Pfeife rein

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[148/0158] Das Weichſelkirſchrohr iſt 2 bis 6 Fuß und daruͤber lang, je laͤnger und je dicker, um ſo koſtbarer. Wenn der unwiſſende Franke (die Tuͤrken ſagen Jabandſchi — „der Wilde“) einen Tſchibuk kauft, ſo erhaͤlt er in der Regel ein aus Ahornholz gedrechſeltes und mit Kirſchbaumrinde plattirtes Rohr. Die Tuͤrken erkennen den Europaͤer auf den erſten Blick, beſonders, wenn er den Feß aufſetzt und mit Sommerſproſſen, rothem Bart und blauen Augen, mit Handſchuhen an den Haͤnden und Brillen auf der Naſe, Praͤtenſion macht, fuͤr einen aͤchten Glaͤubigen zu gelten. Das zweite Requiſit iſt der Kopf (Luleh); der rothe Thon wird in bleierne Formen gepreßt, getrocknet und ge- brannt. Du findeſt ganze Straßen von Laͤden, wo nur ſolche rothe Koͤpfe, andere, in welchen nur die Roͤhre feil geboten werden; dieſer Umſtand bewirkt, daß man nie ſehr uͤbertheuert werden kann. Das letzte und koſtbarſte Stuͤck der Pfeife iſt die Bern- ſteinſpitze (Takkim). Am geſchaͤtzteſten iſt der milchweiße Bernſtein ohne Adern oder Flecken, und wenn eine ſolche Spitze aus großen Stuͤcken beſteht, ſo koſtet ſie vierzig, funfzig, ſelbſt hundert Thaler. Jch glaube, daß der groͤßte Theil alles ſeit Jahrhunderten gefundenen Bernſteins nach der Tuͤrkei gewandert iſt, denn auch der geringſte Tuͤrke ſucht davon ein Stuͤckchen fuͤr ſeine Pfeife an ſich zu brin- gen. Wahr iſt es, daß keine andere Subſtanz oder Com- poſition ſo angenehm fuͤr die Lippen iſt, wie der Bernſtein, von dem man ſich noch uͤberdies uͤberzeugt haͤlt, daß er keinen anſteckenden Stoff annimmt; dies iſt zur Zeit der Peſt beruhigend, denn wenn ein beſonders geſchaͤtzter Gaſt eintritt, ſo giebt der Tuͤrke ihm ſogleich ſeine eigene Pfeife zu rauchen. Der Taback (Tuͤtuͤn) iſt vortrefflich und beſonders der ſyriſche von Ladik geſchaͤtzt; er wird ſehr duͤnn geſchnitten, brennt leicht und kniſtert wie Salpeter. Ein eigener Diener hat nichts Anderes zu thun, als ſeinem Herrn, der ſelbſt nichts zu thun hat, die Pfeife rein

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/158>, abgerufen am 25.11.2024.