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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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ist von Wohlgerüchen erfüllt, und das ist hier nicht bild-
lich, wie gewöhnlich in Reisebeschreibungen, sondern ganz
buchstäblich zu nehmen. Kasanlik ist das Kaschemir Euro-
pa's, das türkische Güllistan, das Land der Rosen; diese
Blume wird hier nicht, wie bei uns, in Töpfen und Gär-
ten, sondern auf den Feldern und in Furchen wie die Kar-
toffeln gebaut. Nun läßt sich wirklich nichts Anmuthigeres
denken, als solch ein Rosenacker; wenn ein Dekorations-
maler dergleichen malen wollte, so würde man ihn der
Uebertreibung anklagen; Millionen, ja viele Millionen von
Centifolien sind über den lichtgrünen Teppich der Rosen-
felder ausgestreut, und doch ist jetzt vielleicht erst der vierte
Theil der Knospen aufgebrochen. Nach dem Koran ent-
standen die Rosen erst während der nächtlichen Himmel-
fahrt des Propheten, und zwar die weißen aus seinen
Schweißtropfen, die gelben aus denen seines Thiers, die
rothen aus denen des Gabriel; und man kommt in Ka-
sanlik auf die Vermuthung, daß wenigstens für den Erz-
engel jene Fahrt sehr angreifend gewesen sein muß.

Die Rose (Güll) würde mich jetzt auf die Nachtigall
(Büll-büll) leiten, wenn ich nicht fürchtete, mich gar zu
sehr ins Poetische zu verlieren: "Un voyageur doit se gar-
der de l'enthousiasme s'il en a, et surtout s'il n'en a pas."

Jch will daher nur noch bemerken, daß man hier die Ro-
sen nicht nur sieht und riecht, sondern auch ißt; einge-
machte Rosenblätter sind in der Türkei eine sehr beliebte
Confitüre und werden mit einem Glase frischen Wassers
Morgens vor dem Kaffee genossen, was ich zur Nachah-
mung empfehlen kann.

Hier in Kasanlik wird denn auch das Rosenöl gewon-
nen, auf das man so hohen Werth legt. Es ist selbst in
Konstantinopel äußerst schwer, sich dies Oel unversetzt zu
verschaffen, was Du schon aus dem Umstand abnehmen
kannst, daß dort die Drachme 8, hier an Ort und Stelle
aber 15 Piaster kostet. Jch hatte mir einen Vorrath Ro-
senöl mitgenommen, und da ich genöthigt war, einen Tag

iſt von Wohlgeruͤchen erfuͤllt, und das iſt hier nicht bild-
lich, wie gewoͤhnlich in Reiſebeſchreibungen, ſondern ganz
buchſtaͤblich zu nehmen. Kaſanlik iſt das Kaſchemir Euro-
pa's, das tuͤrkiſche Guͤlliſtan, das Land der Roſen; dieſe
Blume wird hier nicht, wie bei uns, in Toͤpfen und Gaͤr-
ten, ſondern auf den Feldern und in Furchen wie die Kar-
toffeln gebaut. Nun laͤßt ſich wirklich nichts Anmuthigeres
denken, als ſolch ein Roſenacker; wenn ein Dekorations-
maler dergleichen malen wollte, ſo wuͤrde man ihn der
Uebertreibung anklagen; Millionen, ja viele Millionen von
Centifolien ſind uͤber den lichtgruͤnen Teppich der Roſen-
felder ausgeſtreut, und doch iſt jetzt vielleicht erſt der vierte
Theil der Knoſpen aufgebrochen. Nach dem Koran ent-
ſtanden die Roſen erſt waͤhrend der naͤchtlichen Himmel-
fahrt des Propheten, und zwar die weißen aus ſeinen
Schweißtropfen, die gelben aus denen ſeines Thiers, die
rothen aus denen des Gabriel; und man kommt in Ka-
ſanlik auf die Vermuthung, daß wenigſtens fuͤr den Erz-
engel jene Fahrt ſehr angreifend geweſen ſein muß.

Die Roſe (Guͤll) wuͤrde mich jetzt auf die Nachtigall
(Buͤll-buͤll) leiten, wenn ich nicht fuͤrchtete, mich gar zu
ſehr ins Poetiſche zu verlieren: „Un voyageur doit se gar-
der de l'enthousiasme s'il en a, et surtout s'il n'en a pas.“

Jch will daher nur noch bemerken, daß man hier die Ro-
ſen nicht nur ſieht und riecht, ſondern auch ißt; einge-
machte Roſenblaͤtter ſind in der Tuͤrkei eine ſehr beliebte
Confituͤre und werden mit einem Glaſe friſchen Waſſers
Morgens vor dem Kaffee genoſſen, was ich zur Nachah-
mung empfehlen kann.

Hier in Kaſanlik wird denn auch das Roſenoͤl gewon-
nen, auf das man ſo hohen Werth legt. Es iſt ſelbſt in
Konſtantinopel aͤußerſt ſchwer, ſich dies Oel unverſetzt zu
verſchaffen, was Du ſchon aus dem Umſtand abnehmen
kannſt, daß dort die Drachme 8, hier an Ort und Stelle
aber 15 Piaſter koſtet. Jch hatte mir einen Vorrath Ro-
ſenoͤl mitgenommen, und da ich genoͤthigt war, einen Tag

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[140/0150] iſt von Wohlgeruͤchen erfuͤllt, und das iſt hier nicht bild- lich, wie gewoͤhnlich in Reiſebeſchreibungen, ſondern ganz buchſtaͤblich zu nehmen. Kaſanlik iſt das Kaſchemir Euro- pa's, das tuͤrkiſche Guͤlliſtan, das Land der Roſen; dieſe Blume wird hier nicht, wie bei uns, in Toͤpfen und Gaͤr- ten, ſondern auf den Feldern und in Furchen wie die Kar- toffeln gebaut. Nun laͤßt ſich wirklich nichts Anmuthigeres denken, als ſolch ein Roſenacker; wenn ein Dekorations- maler dergleichen malen wollte, ſo wuͤrde man ihn der Uebertreibung anklagen; Millionen, ja viele Millionen von Centifolien ſind uͤber den lichtgruͤnen Teppich der Roſen- felder ausgeſtreut, und doch iſt jetzt vielleicht erſt der vierte Theil der Knoſpen aufgebrochen. Nach dem Koran ent- ſtanden die Roſen erſt waͤhrend der naͤchtlichen Himmel- fahrt des Propheten, und zwar die weißen aus ſeinen Schweißtropfen, die gelben aus denen ſeines Thiers, die rothen aus denen des Gabriel; und man kommt in Ka- ſanlik auf die Vermuthung, daß wenigſtens fuͤr den Erz- engel jene Fahrt ſehr angreifend geweſen ſein muß. Die Roſe (Guͤll) wuͤrde mich jetzt auf die Nachtigall (Buͤll-buͤll) leiten, wenn ich nicht fuͤrchtete, mich gar zu ſehr ins Poetiſche zu verlieren: „Un voyageur doit se gar- der de l'enthousiasme s'il en a, et surtout s'il n'en a pas.“ Jch will daher nur noch bemerken, daß man hier die Ro- ſen nicht nur ſieht und riecht, ſondern auch ißt; einge- machte Roſenblaͤtter ſind in der Tuͤrkei eine ſehr beliebte Confituͤre und werden mit einem Glaſe friſchen Waſſers Morgens vor dem Kaffee genoſſen, was ich zur Nachah- mung empfehlen kann. Hier in Kaſanlik wird denn auch das Roſenoͤl gewon- nen, auf das man ſo hohen Werth legt. Es iſt ſelbſt in Konſtantinopel aͤußerſt ſchwer, ſich dies Oel unverſetzt zu verſchaffen, was Du ſchon aus dem Umſtand abnehmen kannſt, daß dort die Drachme 8, hier an Ort und Stelle aber 15 Piaſter koſtet. Jch hatte mir einen Vorrath Ro- ſenoͤl mitgenommen, und da ich genoͤthigt war, einen Tag

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/150>, abgerufen am 21.11.2024.