selbst die steilen Berge sind bis zu ihrer halben Höhe mit Gärten und Weinbergen bedeckt.
Jch glaube, daß ich nebst dem Padischah die beste Wohnung in der Stadt habe; unsere Speisen sind vor- trefflich, und wenn wir sie gleich auf gut türkisch mit den Fingern zu uns nehmen, so versäumen wir doch nicht (wenn's Allah eben nicht sieht), einen trefflichen Cyper-Commanda- ria-Wein dazu zu trinken. Dies wir bezieht sich auf meine Begleiter, nämlich einen Dragoman der Gesandtschaft und einen Obersten von den Jngenieurs, welcher mir mit drei jungen Türken von der polytechnischen Schule beige- geben ist. Da wir drei Domestiken haben, so nehme ich allein 2 vierspännige Wagen und 7 Handpferde, 2 Maul- thiere, 4 Kutscher und einige Pferdejungen für die Reise in Anspruch. Du kannst Dir denken, was das für eine Wirthschaft ist; in Varna waren 600 Reit- und an 200 Zugpferde versammelt. Meine Wagen sind aus Rustschuk, Pferde und Kutscher aus der Wallachei herbeigeholt. Die Wege sind eigends für diese Reise gebahnt worden, und das ist wenigstens ein Vortheil, der dem Lande bleiben wird. Das Gefolge des Großherrn ist natürlich sehr zahl- reich, keiner der Pascha's begleitet ihn, als nur die Gou- verneure der Plätze, wo wir uns befinden. Aber außer seinen Sekretairs und Pagen hat er einen besondern Be- amten, der seine Pfeife, einen andern, der seinen Schirm trägt; der Wedel aus Straußfedern, der Feldstuhl, das goldene Wasserbecken, das Schreibzeug, jedes hat seinen be- sondern Träger zu Pferde; diese Pferde aber machen wie- der einen Seis oder Reitknecht nöthig. So reisen wir zwar ganz en petit comite, aber doch mit 800 Pferden.
Am 7. machte der Großherr seinen Ritt durch die Festungswerke und wohnte zugleich dem Exerzieren eines Rediff- oder Landwehr-Bataillons bei. Andere Länder, andere Sitten; in Schumla sieht ein Manöver anders aus, als in Potsdam. Wir sehen dem kriegerischen Schauspiel aus einer angemessenen Ferne von wohl tausend Schritt zu;
ſelbſt die ſteilen Berge ſind bis zu ihrer halben Hoͤhe mit Gaͤrten und Weinbergen bedeckt.
Jch glaube, daß ich nebſt dem Padiſchah die beſte Wohnung in der Stadt habe; unſere Speiſen ſind vor- trefflich, und wenn wir ſie gleich auf gut tuͤrkiſch mit den Fingern zu uns nehmen, ſo verſaͤumen wir doch nicht (wenn's Allah eben nicht ſieht), einen trefflichen Cyper-Commanda- ria-Wein dazu zu trinken. Dies wir bezieht ſich auf meine Begleiter, naͤmlich einen Dragoman der Geſandtſchaft und einen Oberſten von den Jngenieurs, welcher mir mit drei jungen Tuͤrken von der polytechniſchen Schule beige- geben iſt. Da wir drei Domeſtiken haben, ſo nehme ich allein 2 vierſpaͤnnige Wagen und 7 Handpferde, 2 Maul- thiere, 4 Kutſcher und einige Pferdejungen fuͤr die Reiſe in Anſpruch. Du kannſt Dir denken, was das fuͤr eine Wirthſchaft iſt; in Varna waren 600 Reit- und an 200 Zugpferde verſammelt. Meine Wagen ſind aus Ruſtſchuk, Pferde und Kutſcher aus der Wallachei herbeigeholt. Die Wege ſind eigends fuͤr dieſe Reiſe gebahnt worden, und das iſt wenigſtens ein Vortheil, der dem Lande bleiben wird. Das Gefolge des Großherrn iſt natuͤrlich ſehr zahl- reich, keiner der Paſcha's begleitet ihn, als nur die Gou- verneure der Plaͤtze, wo wir uns befinden. Aber außer ſeinen Sekretairs und Pagen hat er einen beſondern Be- amten, der ſeine Pfeife, einen andern, der ſeinen Schirm traͤgt; der Wedel aus Straußfedern, der Feldſtuhl, das goldene Waſſerbecken, das Schreibzeug, jedes hat ſeinen be- ſondern Traͤger zu Pferde; dieſe Pferde aber machen wie- der einen Seïs oder Reitknecht noͤthig. So reiſen wir zwar ganz en petit comité, aber doch mit 800 Pferden.
Am 7. machte der Großherr ſeinen Ritt durch die Feſtungswerke und wohnte zugleich dem Exerzieren eines Rediff- oder Landwehr-Bataillons bei. Andere Laͤnder, andere Sitten; in Schumla ſieht ein Manoͤver anders aus, als in Potsdam. Wir ſehen dem kriegeriſchen Schauſpiel aus einer angemeſſenen Ferne von wohl tauſend Schritt zu;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0140"n="130"/>ſelbſt die ſteilen Berge ſind bis zu ihrer halben Hoͤhe mit<lb/>
Gaͤrten und Weinbergen bedeckt.</p><lb/><p>Jch glaube, daß ich nebſt dem Padiſchah die beſte<lb/>
Wohnung in der Stadt habe; unſere Speiſen ſind vor-<lb/>
trefflich, und wenn wir ſie gleich auf gut tuͤrkiſch mit den<lb/>
Fingern zu uns nehmen, ſo verſaͤumen wir doch nicht (wenn's<lb/>
Allah eben nicht ſieht), einen trefflichen Cyper-Commanda-<lb/>
ria-Wein dazu zu trinken. Dies <hirendition="#g">wir</hi> bezieht ſich auf<lb/>
meine Begleiter, naͤmlich einen Dragoman der Geſandtſchaft<lb/>
und einen Oberſten von den Jngenieurs, welcher mir mit<lb/>
drei jungen Tuͤrken von der polytechniſchen Schule beige-<lb/>
geben iſt. Da wir drei Domeſtiken haben, ſo nehme ich<lb/>
allein 2 vierſpaͤnnige Wagen und 7 Handpferde, 2 Maul-<lb/>
thiere, 4 Kutſcher und einige Pferdejungen fuͤr die Reiſe<lb/>
in Anſpruch. Du kannſt Dir denken, was das fuͤr eine<lb/>
Wirthſchaft iſt; in Varna waren 600 Reit- und an 200<lb/>
Zugpferde verſammelt. Meine Wagen ſind aus Ruſtſchuk,<lb/>
Pferde und Kutſcher aus der Wallachei herbeigeholt. Die<lb/>
Wege ſind eigends fuͤr dieſe Reiſe gebahnt worden, und<lb/>
das iſt wenigſtens ein Vortheil, der dem Lande bleiben<lb/>
wird. Das Gefolge des Großherrn iſt natuͤrlich ſehr zahl-<lb/>
reich, keiner der Paſcha's begleitet ihn, als nur die Gou-<lb/>
verneure der Plaͤtze, wo wir uns befinden. Aber außer<lb/>ſeinen Sekretairs und Pagen hat er einen beſondern Be-<lb/>
amten, der ſeine Pfeife, einen andern, der ſeinen Schirm<lb/>
traͤgt; der Wedel aus Straußfedern, der Feldſtuhl, das<lb/>
goldene Waſſerbecken, das Schreibzeug, jedes hat ſeinen be-<lb/>ſondern Traͤger zu Pferde; dieſe Pferde aber machen wie-<lb/>
der einen Seïs oder Reitknecht noͤthig. So reiſen wir<lb/>
zwar ganz <hirendition="#aq">en petit comité</hi>, aber doch mit 800 Pferden.</p><lb/><p>Am 7. machte der Großherr ſeinen Ritt durch die<lb/>
Feſtungswerke und wohnte zugleich dem Exerzieren eines<lb/>
Rediff- oder Landwehr-Bataillons bei. Andere Laͤnder,<lb/>
andere Sitten; in Schumla ſieht ein Manoͤver anders aus,<lb/>
als in Potsdam. Wir ſehen dem kriegeriſchen Schauſpiel<lb/>
aus einer angemeſſenen Ferne von wohl tauſend Schritt zu;<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[130/0140]
ſelbſt die ſteilen Berge ſind bis zu ihrer halben Hoͤhe mit
Gaͤrten und Weinbergen bedeckt.
Jch glaube, daß ich nebſt dem Padiſchah die beſte
Wohnung in der Stadt habe; unſere Speiſen ſind vor-
trefflich, und wenn wir ſie gleich auf gut tuͤrkiſch mit den
Fingern zu uns nehmen, ſo verſaͤumen wir doch nicht (wenn's
Allah eben nicht ſieht), einen trefflichen Cyper-Commanda-
ria-Wein dazu zu trinken. Dies wir bezieht ſich auf
meine Begleiter, naͤmlich einen Dragoman der Geſandtſchaft
und einen Oberſten von den Jngenieurs, welcher mir mit
drei jungen Tuͤrken von der polytechniſchen Schule beige-
geben iſt. Da wir drei Domeſtiken haben, ſo nehme ich
allein 2 vierſpaͤnnige Wagen und 7 Handpferde, 2 Maul-
thiere, 4 Kutſcher und einige Pferdejungen fuͤr die Reiſe
in Anſpruch. Du kannſt Dir denken, was das fuͤr eine
Wirthſchaft iſt; in Varna waren 600 Reit- und an 200
Zugpferde verſammelt. Meine Wagen ſind aus Ruſtſchuk,
Pferde und Kutſcher aus der Wallachei herbeigeholt. Die
Wege ſind eigends fuͤr dieſe Reiſe gebahnt worden, und
das iſt wenigſtens ein Vortheil, der dem Lande bleiben
wird. Das Gefolge des Großherrn iſt natuͤrlich ſehr zahl-
reich, keiner der Paſcha's begleitet ihn, als nur die Gou-
verneure der Plaͤtze, wo wir uns befinden. Aber außer
ſeinen Sekretairs und Pagen hat er einen beſondern Be-
amten, der ſeine Pfeife, einen andern, der ſeinen Schirm
traͤgt; der Wedel aus Straußfedern, der Feldſtuhl, das
goldene Waſſerbecken, das Schreibzeug, jedes hat ſeinen be-
ſondern Traͤger zu Pferde; dieſe Pferde aber machen wie-
der einen Seïs oder Reitknecht noͤthig. So reiſen wir
zwar ganz en petit comité, aber doch mit 800 Pferden.
Am 7. machte der Großherr ſeinen Ritt durch die
Feſtungswerke und wohnte zugleich dem Exerzieren eines
Rediff- oder Landwehr-Bataillons bei. Andere Laͤnder,
andere Sitten; in Schumla ſieht ein Manoͤver anders aus,
als in Potsdam. Wir ſehen dem kriegeriſchen Schauſpiel
aus einer angemeſſenen Ferne von wohl tauſend Schritt zu;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/140>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.