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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Gegen Widerspenstige kann dann mit Gewalt verfahren
werden.

Jn jedem Stadtviertel muß ein Ausschuß aus den an-
gesehensten und einflußreichsten Bewohnern, also namentlich
aus den Ulema's gebildet werden. Unter ihnen stehen die
Aerzte und eine Zahl von gut besoldeten Beamten (Män-
ner und Frauen). Auf die erste Nachricht von einem Pest-
fall verfügen sie sich an Ort und Stelle, um den Erkrank-
ten in das Spital zu bringen, seine Angehörigen außer Ver-
kehr mit ihm wie mit dem Rest der Bevölkerung zu setzen,
und um Kleider, Geräthe und Haus zu reinigen. Alle
diese Gegenstände bleiben unter der Obhut des Ausschusses
und werden dem Genesenen oder den Erben des Verstor-
benen wieder zugestellt.

Wenn eine solche Gesundheitspolizei in Konstantinopel
in volle Wirksamkeit getreten, so würde wahrscheinlich eine
Hauptquelle der Pest verstopft sein. Herrscht nun, ehe
man dieselbe Maaßregel auf die übrigen großen Städte aus-
dehnen könnte, eine starke Seuche, z. B. in Adrianopel,
Trapezunt oder in Egypten, so wäre es unstreitig sehr ver-
nünftig, eine provisorische Absperrung gegen diese Plätze
zu verhängen. Nur darf man von der Absperrung an sich
nicht die gründliche Heilung des Uebels erwarten; diese,
ich wiederhole es, kann nur die Frucht der Wachsamkeit,
Thätigkeit und Gewissenhaftigkeit einer kräftigen Gesund-
heitspolizei in allen großen Städten des Reichs sein.

Daß die Durchführung dieser Maaßregel bedeutende Aus-
lagen der Regierung erfordert, ist unbezweifelt, -- aber wür-
den die Quarantainen weniger kosten? Und wie reichlich
müssen jene Auslagen sich ersetzen! Wenn die Pest im os-
manischen Reich erlischt, werden die Quarantainen in Eu-
ropa verschwinden; dadurch rücken die Häfen des Orients
um 14 bis 40 Tagereisen näher an Europa, Amerika und
Jndien heran. Alle Reisen werden kürzer, die persönliche
Gefahr und die großen Kosten, welche ein Pestfall an Bord
verursacht, verschwinden und die Assecuranz wird minder

Gegen Widerſpenſtige kann dann mit Gewalt verfahren
werden.

Jn jedem Stadtviertel muß ein Ausſchuß aus den an-
geſehenſten und einflußreichſten Bewohnern, alſo namentlich
aus den Ulema's gebildet werden. Unter ihnen ſtehen die
Aerzte und eine Zahl von gut beſoldeten Beamten (Maͤn-
ner und Frauen). Auf die erſte Nachricht von einem Peſt-
fall verfuͤgen ſie ſich an Ort und Stelle, um den Erkrank-
ten in das Spital zu bringen, ſeine Angehoͤrigen außer Ver-
kehr mit ihm wie mit dem Reſt der Bevoͤlkerung zu ſetzen,
und um Kleider, Geraͤthe und Haus zu reinigen. Alle
dieſe Gegenſtaͤnde bleiben unter der Obhut des Ausſchuſſes
und werden dem Geneſenen oder den Erben des Verſtor-
benen wieder zugeſtellt.

Wenn eine ſolche Geſundheitspolizei in Konſtantinopel
in volle Wirkſamkeit getreten, ſo wuͤrde wahrſcheinlich eine
Hauptquelle der Peſt verſtopft ſein. Herrſcht nun, ehe
man dieſelbe Maaßregel auf die uͤbrigen großen Staͤdte aus-
dehnen koͤnnte, eine ſtarke Seuche, z. B. in Adrianopel,
Trapezunt oder in Egypten, ſo waͤre es unſtreitig ſehr ver-
nuͤnftig, eine proviſoriſche Abſperrung gegen dieſe Plaͤtze
zu verhaͤngen. Nur darf man von der Abſperrung an ſich
nicht die gruͤndliche Heilung des Uebels erwarten; dieſe,
ich wiederhole es, kann nur die Frucht der Wachſamkeit,
Thaͤtigkeit und Gewiſſenhaftigkeit einer kraͤftigen Geſund-
heitspolizei in allen großen Staͤdten des Reichs ſein.

Daß die Durchfuͤhrung dieſer Maaßregel bedeutende Aus-
lagen der Regierung erfordert, iſt unbezweifelt, — aber wuͤr-
den die Quarantainen weniger koſten? Und wie reichlich
muͤſſen jene Auslagen ſich erſetzen! Wenn die Peſt im os-
maniſchen Reich erliſcht, werden die Quarantainen in Eu-
ropa verſchwinden; dadurch ruͤcken die Haͤfen des Orients
um 14 bis 40 Tagereiſen naͤher an Europa, Amerika und
Jndien heran. Alle Reiſen werden kuͤrzer, die perſoͤnliche
Gefahr und die großen Koſten, welche ein Peſtfall an Bord
verurſacht, verſchwinden und die Aſſecuranz wird minder

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[123/0133] Gegen Widerſpenſtige kann dann mit Gewalt verfahren werden. Jn jedem Stadtviertel muß ein Ausſchuß aus den an- geſehenſten und einflußreichſten Bewohnern, alſo namentlich aus den Ulema's gebildet werden. Unter ihnen ſtehen die Aerzte und eine Zahl von gut beſoldeten Beamten (Maͤn- ner und Frauen). Auf die erſte Nachricht von einem Peſt- fall verfuͤgen ſie ſich an Ort und Stelle, um den Erkrank- ten in das Spital zu bringen, ſeine Angehoͤrigen außer Ver- kehr mit ihm wie mit dem Reſt der Bevoͤlkerung zu ſetzen, und um Kleider, Geraͤthe und Haus zu reinigen. Alle dieſe Gegenſtaͤnde bleiben unter der Obhut des Ausſchuſſes und werden dem Geneſenen oder den Erben des Verſtor- benen wieder zugeſtellt. Wenn eine ſolche Geſundheitspolizei in Konſtantinopel in volle Wirkſamkeit getreten, ſo wuͤrde wahrſcheinlich eine Hauptquelle der Peſt verſtopft ſein. Herrſcht nun, ehe man dieſelbe Maaßregel auf die uͤbrigen großen Staͤdte aus- dehnen koͤnnte, eine ſtarke Seuche, z. B. in Adrianopel, Trapezunt oder in Egypten, ſo waͤre es unſtreitig ſehr ver- nuͤnftig, eine proviſoriſche Abſperrung gegen dieſe Plaͤtze zu verhaͤngen. Nur darf man von der Abſperrung an ſich nicht die gruͤndliche Heilung des Uebels erwarten; dieſe, ich wiederhole es, kann nur die Frucht der Wachſamkeit, Thaͤtigkeit und Gewiſſenhaftigkeit einer kraͤftigen Geſund- heitspolizei in allen großen Staͤdten des Reichs ſein. Daß die Durchfuͤhrung dieſer Maaßregel bedeutende Aus- lagen der Regierung erfordert, iſt unbezweifelt, — aber wuͤr- den die Quarantainen weniger koſten? Und wie reichlich muͤſſen jene Auslagen ſich erſetzen! Wenn die Peſt im os- maniſchen Reich erliſcht, werden die Quarantainen in Eu- ropa verſchwinden; dadurch ruͤcken die Haͤfen des Orients um 14 bis 40 Tagereiſen naͤher an Europa, Amerika und Jndien heran. Alle Reiſen werden kuͤrzer, die perſoͤnliche Gefahr und die großen Koſten, welche ein Peſtfall an Bord verurſacht, verſchwinden und die Aſſecuranz wird minder

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/133>, abgerufen am 24.11.2024.