24. Die Tauben in der Moschee Bajasids. -- Die Hunde in Konstantinopel. -- Die Begräbnißplätze.
Bujukdere, den 18. Januar 1837.
Der Wohlthätigkeitssinn der Türken dehnt sich bis auf die Thiere aus. Jn Scutari findest Du ein Katzen-Hospi- tal, und in dem Vorhof der Moschee Bajasids giebt es eine Versorgungs-Anstalt für Tauben. Allerdings sind sie die Enkel einer gewissen Taube, die dem Propheten bei einer Gelegenheit, ich weiß nicht mehr welche Nachricht ins Ohr flüsterte, aber vielen dieser schwarzblauen Thierchen möchte es doch schwer sein, ihre Genealogie zu beweisen. Man nimmt es damit nicht genauer, als mit den zahlreichen Vettern des Propheten selbst, und es ist gar hübsch zu se- hen, wenn das Futter für die geflügelten Gäste auf den Marmorboden des schönen Hofes gestreuet wird. Dann stürzen Tausende von den Dächern der Moschee, von den Säulen und Kuppeln des Portikus und der Fontainen, und aus allen Zweigen der großen Cypressen und Plata- nen des Hofraums hervor. Das Klappen ihrer Schwin- gen, das muntere Kurren und das bunte Gewimmel läßt sich gar nicht beschreiben, und im Gefühle ihrer persön- lichen Sicherheit gehen die kleinen Sinecuristen kaum den Menschen selbst aus dem Wege. So sind auch die See- möven im Hafen so unbesorgt und dreist, daß man sie mit den Rudern todtschlagen könnte.
Jn den Häusern findet man niemals Hunde, aber in den Straßen leben viele Tausende dieser herrenlosen Thiere von den Spenden der Bäcker, der Fleischer, und freilich auch von ihrer Arbeit, denn die Hunde haben hier fast ganz allein das Geschäft der Straßenreinigungs-Commis- saire übernommen. Fällt ein Pferd oder ein Esel, so wird das Thier höchstens bis an den nächsten Winkel oder ir- gend eine der zahllosen Brandstätten (die zu allen Zeiten min-
24. Die Tauben in der Moſchee Bajaſids. — Die Hunde in Konſtantinopel. — Die Begraͤbnißplaͤtze.
Bujukdere, den 18. Januar 1837.
Der Wohlthaͤtigkeitsſinn der Tuͤrken dehnt ſich bis auf die Thiere aus. Jn Scutari findeſt Du ein Katzen-Hoſpi- tal, und in dem Vorhof der Moſchee Bajaſids giebt es eine Verſorgungs-Anſtalt fuͤr Tauben. Allerdings ſind ſie die Enkel einer gewiſſen Taube, die dem Propheten bei einer Gelegenheit, ich weiß nicht mehr welche Nachricht ins Ohr fluͤſterte, aber vielen dieſer ſchwarzblauen Thierchen moͤchte es doch ſchwer ſein, ihre Genealogie zu beweiſen. Man nimmt es damit nicht genauer, als mit den zahlreichen Vettern des Propheten ſelbſt, und es iſt gar huͤbſch zu ſe- hen, wenn das Futter fuͤr die gefluͤgelten Gaͤſte auf den Marmorboden des ſchoͤnen Hofes geſtreuet wird. Dann ſtuͤrzen Tauſende von den Daͤchern der Moſchee, von den Saͤulen und Kuppeln des Portikus und der Fontainen, und aus allen Zweigen der großen Cypreſſen und Plata- nen des Hofraums hervor. Das Klappen ihrer Schwin- gen, das muntere Kurren und das bunte Gewimmel laͤßt ſich gar nicht beſchreiben, und im Gefuͤhle ihrer perſoͤn- lichen Sicherheit gehen die kleinen Sinecuriſten kaum den Menſchen ſelbſt aus dem Wege. So ſind auch die See- moͤven im Hafen ſo unbeſorgt und dreiſt, daß man ſie mit den Rudern todtſchlagen koͤnnte.
Jn den Haͤuſern findet man niemals Hunde, aber in den Straßen leben viele Tauſende dieſer herrenloſen Thiere von den Spenden der Baͤcker, der Fleiſcher, und freilich auch von ihrer Arbeit, denn die Hunde haben hier faſt ganz allein das Geſchaͤft der Straßenreinigungs-Commiſ- ſaire uͤbernommen. Faͤllt ein Pferd oder ein Eſel, ſo wird das Thier hoͤchſtens bis an den naͤchſten Winkel oder ir- gend eine der zahlloſen Brandſtaͤtten (die zu allen Zeiten min-
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24.
Die Tauben in der Moſchee Bajaſids. — Die Hunde
in Konſtantinopel. — Die Begraͤbnißplaͤtze.
Bujukdere, den 18. Januar 1837.
Der Wohlthaͤtigkeitsſinn der Tuͤrken dehnt ſich bis auf
die Thiere aus. Jn Scutari findeſt Du ein Katzen-Hoſpi-
tal, und in dem Vorhof der Moſchee Bajaſids giebt es eine
Verſorgungs-Anſtalt fuͤr Tauben. Allerdings ſind ſie die
Enkel einer gewiſſen Taube, die dem Propheten bei einer
Gelegenheit, ich weiß nicht mehr welche Nachricht ins Ohr
fluͤſterte, aber vielen dieſer ſchwarzblauen Thierchen moͤchte
es doch ſchwer ſein, ihre Genealogie zu beweiſen. Man
nimmt es damit nicht genauer, als mit den zahlreichen
Vettern des Propheten ſelbſt, und es iſt gar huͤbſch zu ſe-
hen, wenn das Futter fuͤr die gefluͤgelten Gaͤſte auf den
Marmorboden des ſchoͤnen Hofes geſtreuet wird. Dann
ſtuͤrzen Tauſende von den Daͤchern der Moſchee, von den
Saͤulen und Kuppeln des Portikus und der Fontainen,
und aus allen Zweigen der großen Cypreſſen und Plata-
nen des Hofraums hervor. Das Klappen ihrer Schwin-
gen, das muntere Kurren und das bunte Gewimmel laͤßt
ſich gar nicht beſchreiben, und im Gefuͤhle ihrer perſoͤn-
lichen Sicherheit gehen die kleinen Sinecuriſten kaum den
Menſchen ſelbſt aus dem Wege. So ſind auch die See-
moͤven im Hafen ſo unbeſorgt und dreiſt, daß man ſie mit
den Rudern todtſchlagen koͤnnte.
Jn den Haͤuſern findet man niemals Hunde, aber in
den Straßen leben viele Tauſende dieſer herrenloſen Thiere
von den Spenden der Baͤcker, der Fleiſcher, und freilich
auch von ihrer Arbeit, denn die Hunde haben hier faſt
ganz allein das Geſchaͤft der Straßenreinigungs-Commiſ-
ſaire uͤbernommen. Faͤllt ein Pferd oder ein Eſel, ſo wird
das Thier hoͤchſtens bis an den naͤchſten Winkel oder ir-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/113>, abgerufen am 21.11.2024.
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