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Mohr, Christian Otto: Beiträge zur Theorie der Holz- und Eisenkonstruktionen. In: Zeitschrift des Architekten- und Ingenieurvereins zu Hannover 14 (1868), Sp. 20-52, 397-400

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Mohr, Beitrag zur Theorie der Holz- und Eisen-Constructionen.
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1) [Formel 1]
und
2) [Formel 2]
ist; außerdem geht aus der Fig. 2) Blatt 397 hervor, daß
3) [Formel 3]
sein muß.

Durch Differentiiren folgt hieraus
[Formel 4] oder
4) [Formel 5]

Wenn man die oben bezeichnete Vereinfachung des Aus-
drucks für den Krümmungshalbmesser einführt, so erhält die
Grundgleichung der elastischen Linie bekanntlich folgende Form:
5) [Formel 6]
worin E den Elasticitätsmodul des Materials, M das Biegungs-
moment der Außenkräfte und T das Trägheitsmoment des
Trägerquerschnitts bezeichnet. Aus der Vergleichung der beiden
Ausdrücke 4) und 5) geht hervor, daß die elastische Linie
eine Seilcurve ist, daß der Horizontalzug dieses
Seils durch die constante Größe E und die Verti-
calbelastung pro Längeneinheit der Horizontal-
projection durch die variable Größe [Formel 7] dargestellt
wird
*).

Diese einfache Beziehung gewährt nicht allein die Mög-
lichkeit, fast alle hierher gehörenden Aufgaben auf geometrischem
Wege zu lösen, sondern sie vereinfacht in manchen Fällen auch
den Weg der Rechnung in beachtenswerther Weise.

Um bei den nachfolgenden Anwendungen durch Neben-
betrachtungen nicht aufgehalten zu werden, stellen wir die
hauptsächlichsten Eigenschaften des mit Verticalkräften belaste-
ten Seilpolygons hier zusammen und numeriren dieselben der
leichteren Bezeichnung wegen fortlaufend mit den Gleichungen.

Ein Seil (Fig. 3 Blatt 397), welches in einzelnen Punkten
mit Verticalkräften P1, P2, P3 ...... belastet ist, bildet ein
Polygon von folgenden Eigenschaften:

6) Jede Belastung, z. B. P3, bildet mit den Seilspan-
[Spaltenumbruch]
nungen S3 und S4 der zwei benachbarten Polygonseiten ein
Parallelogramm der Kräfte oder, was dasselbe ist, diese drei
Kräfte, nach Größe und Richtung aneinander getragen, bilden
ein Dreieck.

7) Die horizontalen Seitenkräfte aller Seilspannungen
S1, S2, S3 ..... sind gleich groß (Gleichung 1).

8) Setzt man die Dreiecke (vergl. 6), welche von den
Belastungen und den Seilspannungen der zwei anliegenden
Polygonseiten gebildet werden, an einander, so entsteht die
Figur 4), welche man als Hülfsfigur für die Construction des
Seilpolygons benutzen kann. Man erhält sonach Größe und
Richtung der Seilspannungen, wenn man die Belastungen P1,
P2, P3
, ..... in der Reihenfolge ihrer Abscissen auf eine
Verticallinie A A (Fig. 4) trägt und die Theilpunkte mit
einem Punkte C verbindet, dessen Horizontalabstand von der
Verticallinie A A gleich dem Horizontalzug H des Seils ist.
Die Lage des Punktes C auf der Verticallinie B B kann
beliebig angenommen werden; ist jedoch die Richtung einer
Seilspannung gegeben, so ist damit auch die Lage des Punktes
C bestimmt. Das Seilpolygon entsteht also, indem man die
Polygonseiten (Fig. 3) zu den gleich bezifferten Richtungen
der Seilspannungen in der Hülfsfigur 4) parallel zieht.

9) Je zwei Polygonseiten z. B. S1 und S6 (Fig. 3)
schneiden die Mittelkraft R der zwischen ihnen liegenden Be-
lastungen P1, P2, P3, P4 und P5 in einem und demselben
Punkte D, weil die drei Kräfte S1, R und S6 einander das
Gleichgewicht halten.

10) Construirt man (Fig. 5 und 6 Blatt 397) ein Seil-
polygon aus den zwei Auflagerdrücken Q1 und Q2 und den
Belastungen P1, P2, P3 und P4 eines in zwei Punkten frei
unterstützten Trägers, so liegen die beiden äußersten Polygon-
seiten S1 und S7 in einer geraden Linie. Denn da die Kräfte
Q1, Q2, P1, P2, P3 und P4 im Gleichgewicht sich befinden,
und außer diesen Kräften nur noch die beiden Spannungen
S1 und S7 von Außen auf das Seil einwirken, so müssen
auch diese zwei Kräfte einander das Gleichgewicht halten, d. h.
sie müssen in derselben geraden Linie wirken, gleich groß und
entgegengesetzt gerichtet sein.

11) Das Product H·y aus dem Horizontalzug H und
der verticalen Ordinate y des Seilpolygons (Fig. 6 und 7
Blatt 397), bezogen auf die gerade Verbindungslinie S1 S7 der
beiden äußersten Polygonseiten, ist gleich dem Biegungsmoment,
welches auf den in Fig. 5) dargestellten Träger in dem Ver-
ticalschnitt C D einwirkt, denn nach den Bezeichnungen der
Fig. 5 und 7) Blatt 397 ist dieses Biegungsmoment
12) [Formel 9]

Auf das im Gleichgewicht befindliche Seilstück (Fig. 7)
wirken die Verticalkräfte Q1, P1, P2, P3 und die beiden
Seilspannungen S1 und S5 von Außen ein. Die Summe

*) Anschaulicher wird diese Beziehung, wenn man beide Seiten
der Gleichung 5) mit dem Quadrat der Längeneinheit, also etwa mit
1 # Meter multiplicirt; alsdann wird E. 1 # Meter eine wirkliche Kraft
und [Formel 8] . 1 # Meter eine wirkliche Belastung pro Längeneinheit.
2*

Mohr, Beitrag zur Theorie der Holz- und Eiſen-Conſtructionen.
[Spaltenumbruch]
1) [Formel 1]
und
2) [Formel 2]
iſt; außerdem geht aus der Fig. 2) Blatt 397 hervor, daß
3) [Formel 3]
ſein muß.

Durch Differentiiren folgt hieraus
[Formel 4] oder
4) [Formel 5]

Wenn man die oben bezeichnete Vereinfachung des Aus-
drucks für den Krümmungshalbmeſſer einführt, ſo erhält die
Grundgleichung der elaſtiſchen Linie bekanntlich folgende Form:
5) [Formel 6]
worin E den Elaſticitätsmodul des Materials, M das Biegungs-
moment der Außenkräfte und T das Trägheitsmoment des
Trägerquerſchnitts bezeichnet. Aus der Vergleichung der beiden
Ausdrücke 4) und 5) geht hervor, daß die elaſtiſche Linie
eine Seilcurve iſt, daß der Horizontalzug dieſes
Seils durch die conſtante Größe E und die Verti-
calbelaſtung pro Längeneinheit der Horizontal-
projection durch die variable Größe [Formel 7] dargeſtellt
wird
*).

Dieſe einfache Beziehung gewährt nicht allein die Mög-
lichkeit, faſt alle hierher gehörenden Aufgaben auf geometriſchem
Wege zu löſen, ſondern ſie vereinfacht in manchen Fällen auch
den Weg der Rechnung in beachtenswerther Weiſe.

Um bei den nachfolgenden Anwendungen durch Neben-
betrachtungen nicht aufgehalten zu werden, ſtellen wir die
hauptſächlichſten Eigenſchaften des mit Verticalkräften belaſte-
ten Seilpolygons hier zuſammen und numeriren dieſelben der
leichteren Bezeichnung wegen fortlaufend mit den Gleichungen.

Ein Seil (Fig. 3 Blatt 397), welches in einzelnen Punkten
mit Verticalkräften P1, P2, P3 ...... belaſtet iſt, bildet ein
Polygon von folgenden Eigenſchaften:

6) Jede Belaſtung, z. B. P3, bildet mit den Seilſpan-
[Spaltenumbruch]
nungen S3 und S4 der zwei benachbarten Polygonſeiten ein
Parallelogramm der Kräfte oder, was dasſelbe iſt, dieſe drei
Kräfte, nach Größe und Richtung aneinander getragen, bilden
ein Dreieck.

7) Die horizontalen Seitenkräfte aller Seilſpannungen
S1, S2, S3 ..... ſind gleich groß (Gleichung 1).

8) Setzt man die Dreiecke (vergl. 6), welche von den
Belaſtungen und den Seilſpannungen der zwei anliegenden
Polygonſeiten gebildet werden, an einander, ſo entſteht die
Figur 4), welche man als Hülfsfigur für die Conſtruction des
Seilpolygons benutzen kann. Man erhält ſonach Größe und
Richtung der Seilſpannungen, wenn man die Belaſtungen P1,
P2, P3
, ..... in der Reihenfolge ihrer Abſciſſen auf eine
Verticallinie A A (Fig. 4) trägt und die Theilpunkte mit
einem Punkte C verbindet, deſſen Horizontalabſtand von der
Verticallinie A A gleich dem Horizontalzug H des Seils iſt.
Die Lage des Punktes C auf der Verticallinie B B kann
beliebig angenommen werden; iſt jedoch die Richtung einer
Seilſpannung gegeben, ſo iſt damit auch die Lage des Punktes
C beſtimmt. Das Seilpolygon entſteht alſo, indem man die
Polygonſeiten (Fig. 3) zu den gleich bezifferten Richtungen
der Seilſpannungen in der Hülfsfigur 4) parallel zieht.

9) Je zwei Polygonſeiten z. B. S1 und S6 (Fig. 3)
ſchneiden die Mittelkraft R der zwiſchen ihnen liegenden Be-
laſtungen P1, P2, P3, P4 und P5 in einem und demſelben
Punkte D, weil die drei Kräfte S1, R und S6 einander das
Gleichgewicht halten.

10) Conſtruirt man (Fig. 5 und 6 Blatt 397) ein Seil-
polygon aus den zwei Auflagerdrücken Q1 und Q2 und den
Belaſtungen P1, P2, P3 und P4 eines in zwei Punkten frei
unterſtützten Trägers, ſo liegen die beiden äußerſten Polygon-
ſeiten S1 und S7 in einer geraden Linie. Denn da die Kräfte
Q1, Q2, P1, P2, P3 und P4 im Gleichgewicht ſich befinden,
und außer dieſen Kräften nur noch die beiden Spannungen
S1 und S7 von Außen auf das Seil einwirken, ſo müſſen
auch dieſe zwei Kräfte einander das Gleichgewicht halten, d. h.
ſie müſſen in derſelben geraden Linie wirken, gleich groß und
entgegengeſetzt gerichtet ſein.

11) Das Product H·y aus dem Horizontalzug H und
der verticalen Ordinate y des Seilpolygons (Fig. 6 und 7
Blatt 397), bezogen auf die gerade Verbindungslinie S1 S7 der
beiden äußerſten Polygonſeiten, iſt gleich dem Biegungsmoment,
welches auf den in Fig. 5) dargeſtellten Träger in dem Ver-
ticalſchnitt C D einwirkt, denn nach den Bezeichnungen der
Fig. 5 und 7) Blatt 397 iſt dieſes Biegungsmoment
12) [Formel 9]

Auf das im Gleichgewicht befindliche Seilſtück (Fig. 7)
wirken die Verticalkräfte Q1, P1, P2, P3 und die beiden
Seilſpannungen S1 und S5 von Außen ein. Die Summe

*) Anſchaulicher wird dieſe Beziehung, wenn man beide Seiten
der Gleichung 5) mit dem Quadrat der Längeneinheit, alſo etwa mit
1 □ Meter multiplicirt; alsdann wird E. 1 □ Meter eine wirkliche Kraft
und [Formel 8] . 1 □ Meter eine wirkliche Belaſtung pro Längeneinheit.
2*
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[[2]/0013] Mohr, Beitrag zur Theorie der Holz- und Eiſen-Conſtructionen. 1) [FORMEL] und 2) [FORMEL] iſt; außerdem geht aus der Fig. 2) Blatt 397 hervor, daß 3) [FORMEL] ſein muß. Durch Differentiiren folgt hieraus [FORMEL] oder 4) [FORMEL] Wenn man die oben bezeichnete Vereinfachung des Aus- drucks für den Krümmungshalbmeſſer einführt, ſo erhält die Grundgleichung der elaſtiſchen Linie bekanntlich folgende Form: 5) [FORMEL] worin E den Elaſticitätsmodul des Materials, M das Biegungs- moment der Außenkräfte und T das Trägheitsmoment des Trägerquerſchnitts bezeichnet. Aus der Vergleichung der beiden Ausdrücke 4) und 5) geht hervor, daß die elaſtiſche Linie eine Seilcurve iſt, daß der Horizontalzug dieſes Seils durch die conſtante Größe E und die Verti- calbelaſtung pro Längeneinheit der Horizontal- projection durch die variable Größe [FORMEL] dargeſtellt wird *). Dieſe einfache Beziehung gewährt nicht allein die Mög- lichkeit, faſt alle hierher gehörenden Aufgaben auf geometriſchem Wege zu löſen, ſondern ſie vereinfacht in manchen Fällen auch den Weg der Rechnung in beachtenswerther Weiſe. Um bei den nachfolgenden Anwendungen durch Neben- betrachtungen nicht aufgehalten zu werden, ſtellen wir die hauptſächlichſten Eigenſchaften des mit Verticalkräften belaſte- ten Seilpolygons hier zuſammen und numeriren dieſelben der leichteren Bezeichnung wegen fortlaufend mit den Gleichungen. Ein Seil (Fig. 3 Blatt 397), welches in einzelnen Punkten mit Verticalkräften P1, P2, P3 ...... belaſtet iſt, bildet ein Polygon von folgenden Eigenſchaften: 6) Jede Belaſtung, z. B. P3, bildet mit den Seilſpan- nungen S3 und S4 der zwei benachbarten Polygonſeiten ein Parallelogramm der Kräfte oder, was dasſelbe iſt, dieſe drei Kräfte, nach Größe und Richtung aneinander getragen, bilden ein Dreieck. 7) Die horizontalen Seitenkräfte aller Seilſpannungen S1, S2, S3 ..... ſind gleich groß (Gleichung 1). 8) Setzt man die Dreiecke (vergl. 6), welche von den Belaſtungen und den Seilſpannungen der zwei anliegenden Polygonſeiten gebildet werden, an einander, ſo entſteht die Figur 4), welche man als Hülfsfigur für die Conſtruction des Seilpolygons benutzen kann. Man erhält ſonach Größe und Richtung der Seilſpannungen, wenn man die Belaſtungen P1, P2, P3, ..... in der Reihenfolge ihrer Abſciſſen auf eine Verticallinie A A (Fig. 4) trägt und die Theilpunkte mit einem Punkte C verbindet, deſſen Horizontalabſtand von der Verticallinie A A gleich dem Horizontalzug H des Seils iſt. Die Lage des Punktes C auf der Verticallinie B B kann beliebig angenommen werden; iſt jedoch die Richtung einer Seilſpannung gegeben, ſo iſt damit auch die Lage des Punktes C beſtimmt. Das Seilpolygon entſteht alſo, indem man die Polygonſeiten (Fig. 3) zu den gleich bezifferten Richtungen der Seilſpannungen in der Hülfsfigur 4) parallel zieht. 9) Je zwei Polygonſeiten z. B. S1 und S6 (Fig. 3) ſchneiden die Mittelkraft R der zwiſchen ihnen liegenden Be- laſtungen P1, P2, P3, P4 und P5 in einem und demſelben Punkte D, weil die drei Kräfte S1, R und S6 einander das Gleichgewicht halten. 10) Conſtruirt man (Fig. 5 und 6 Blatt 397) ein Seil- polygon aus den zwei Auflagerdrücken Q1 und Q2 und den Belaſtungen P1, P2, P3 und P4 eines in zwei Punkten frei unterſtützten Trägers, ſo liegen die beiden äußerſten Polygon- ſeiten S1 und S7 in einer geraden Linie. Denn da die Kräfte Q1, Q2, P1, P2, P3 und P4 im Gleichgewicht ſich befinden, und außer dieſen Kräften nur noch die beiden Spannungen S1 und S7 von Außen auf das Seil einwirken, ſo müſſen auch dieſe zwei Kräfte einander das Gleichgewicht halten, d. h. ſie müſſen in derſelben geraden Linie wirken, gleich groß und entgegengeſetzt gerichtet ſein. 11) Das Product H·y aus dem Horizontalzug H und der verticalen Ordinate y des Seilpolygons (Fig. 6 und 7 Blatt 397), bezogen auf die gerade Verbindungslinie S1 S7 der beiden äußerſten Polygonſeiten, iſt gleich dem Biegungsmoment, welches auf den in Fig. 5) dargeſtellten Träger in dem Ver- ticalſchnitt C D einwirkt, denn nach den Bezeichnungen der Fig. 5 und 7) Blatt 397 iſt dieſes Biegungsmoment 12) [FORMEL] Auf das im Gleichgewicht befindliche Seilſtück (Fig. 7) wirken die Verticalkräfte Q1, P1, P2, P3 und die beiden Seilſpannungen S1 und S5 von Außen ein. Die Summe *) Anſchaulicher wird dieſe Beziehung, wenn man beide Seiten der Gleichung 5) mit dem Quadrat der Längeneinheit, alſo etwa mit 1 □ Meter multiplicirt; alsdann wird E. 1 □ Meter eine wirkliche Kraft und [FORMEL]. 1 □ Meter eine wirkliche Belaſtung pro Längeneinheit. 2*

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Zitationshilfe: Mohr, Christian Otto: Beiträge zur Theorie der Holz- und Eisenkonstruktionen. In: Zeitschrift des Architekten- und Ingenieurvereins zu Hannover 14 (1868), Sp. 20-52, 397-400, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohr_eisenkonstruktionen_1868/13>, abgerufen am 27.11.2024.