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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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nität, ebenfalls häufig aufgenommen wird: so ist dies in
doppelter Beziehung unrichtig. Einmal zeigt die tägliche Er-
fahrung, daß es politische Gestaltungen gibt, welche in jeder
Beziehung die Aufgabe eines Staates erfüllen und die Rechte
eines solchen ausüben, aber doch nicht ganz unabhängig von
einer außer ihnen stehenden Gewalt sind. Solchen Verbin-
duugen ist die Bezeichnung als Staat niemals verweigert wor-
den. Zweitens aber würde durch die Aufnahme einer solchen
Bestimmung ein für allemal die Möglichkeit vernichtet, die
Staaten einer vorgeschrittenen Gesittigung zu einer höhern
Gesammteinrichtung zu vereinigen, falls diese nicht selbst wieder
ein Staat wäre, was doch nicht durchaus nothwendig und selbst
nicht immer möglich ist.

Endlich erscheint es von vorne herein unzulässig, daß
Eisenhart, (Philosophie des Staats, Bd. I. S. 117 ff.) den
Staat als "arbeitstheiligen" Verein von Menschen zu Erreichung
ihrer Zwecke bezeichnet. Arbeitstheilung ist allerdings eine
wichtige Form der menschlichen Beschäftigung jeder Art, und
es mag gerne zugegeben werden, daß in jedem irgend gebilde-
ten Staate nicht nur die Bevölkerung das Gesetz der Arbeits-
theilung zur reichlicheren und besseren Erzeugung von Gütern
anwendet, sondern auch der Staat selbst seine Organe nach
diesem Grundsatze abtheilt und beschäftigt: allein es trifft diese
Zweckmäßigkeitsregel das Wesen des Staates auch nicht ent-
fernt und gibt keinerlei Aufschluß über seine Aufgabe oder über
seine Verschiedenheit von anderen menschlichen Vereinen. Auch
hier hat die Absicht, eine bestimmte Gestaltung im Leben (und
zwar namentlich verschieden berechtigte Stände) schon auf den
allgemeinsten Begriff des Staates selbst zu stützen, die Ver-
fälschung dieses letzteren veranlaßt.

1) Uebersichten über die verschiedenen Staatsbegriffe sind namentlich
zu finden in: Raumer, F. v., Ueber die geschichtliche Entwickelung von
v. Mohl, Encyclopädie. 6

nität, ebenfalls häufig aufgenommen wird: ſo iſt dies in
doppelter Beziehung unrichtig. Einmal zeigt die tägliche Er-
fahrung, daß es politiſche Geſtaltungen gibt, welche in jeder
Beziehung die Aufgabe eines Staates erfüllen und die Rechte
eines ſolchen ausüben, aber doch nicht ganz unabhängig von
einer außer ihnen ſtehenden Gewalt ſind. Solchen Verbin-
duugen iſt die Bezeichnung als Staat niemals verweigert wor-
den. Zweitens aber würde durch die Aufnahme einer ſolchen
Beſtimmung ein für allemal die Möglichkeit vernichtet, die
Staaten einer vorgeſchrittenen Geſittigung zu einer höhern
Geſammteinrichtung zu vereinigen, falls dieſe nicht ſelbſt wieder
ein Staat wäre, was doch nicht durchaus nothwendig und ſelbſt
nicht immer möglich iſt.

Endlich erſcheint es von vorne herein unzuläſſig, daß
Eiſenhart, (Philoſophie des Staats, Bd. I. S. 117 ff.) den
Staat als „arbeitstheiligen“ Verein von Menſchen zu Erreichung
ihrer Zwecke bezeichnet. Arbeitstheilung iſt allerdings eine
wichtige Form der menſchlichen Beſchäftigung jeder Art, und
es mag gerne zugegeben werden, daß in jedem irgend gebilde-
ten Staate nicht nur die Bevölkerung das Geſetz der Arbeits-
theilung zur reichlicheren und beſſeren Erzeugung von Gütern
anwendet, ſondern auch der Staat ſelbſt ſeine Organe nach
dieſem Grundſatze abtheilt und beſchäftigt: allein es trifft dieſe
Zweckmäßigkeitsregel das Weſen des Staates auch nicht ent-
fernt und gibt keinerlei Aufſchluß über ſeine Aufgabe oder über
ſeine Verſchiedenheit von anderen menſchlichen Vereinen. Auch
hier hat die Abſicht, eine beſtimmte Geſtaltung im Leben (und
zwar namentlich verſchieden berechtigte Stände) ſchon auf den
allgemeinſten Begriff des Staates ſelbſt zu ſtützen, die Ver-
fälſchung dieſes letzteren veranlaßt.

1) Ueberſichten über die verſchiedenen Staatsbegriffe ſind namentlich
zu finden in: Raumer, F. v., Ueber die geſchichtliche Entwickelung von
v. Mohl, Encyclopädie. 6
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[81/0095] nität, ebenfalls häufig aufgenommen wird: ſo iſt dies in doppelter Beziehung unrichtig. Einmal zeigt die tägliche Er- fahrung, daß es politiſche Geſtaltungen gibt, welche in jeder Beziehung die Aufgabe eines Staates erfüllen und die Rechte eines ſolchen ausüben, aber doch nicht ganz unabhängig von einer außer ihnen ſtehenden Gewalt ſind. Solchen Verbin- duugen iſt die Bezeichnung als Staat niemals verweigert wor- den. Zweitens aber würde durch die Aufnahme einer ſolchen Beſtimmung ein für allemal die Möglichkeit vernichtet, die Staaten einer vorgeſchrittenen Geſittigung zu einer höhern Geſammteinrichtung zu vereinigen, falls dieſe nicht ſelbſt wieder ein Staat wäre, was doch nicht durchaus nothwendig und ſelbſt nicht immer möglich iſt. Endlich erſcheint es von vorne herein unzuläſſig, daß Eiſenhart, (Philoſophie des Staats, Bd. I. S. 117 ff.) den Staat als „arbeitstheiligen“ Verein von Menſchen zu Erreichung ihrer Zwecke bezeichnet. Arbeitstheilung iſt allerdings eine wichtige Form der menſchlichen Beſchäftigung jeder Art, und es mag gerne zugegeben werden, daß in jedem irgend gebilde- ten Staate nicht nur die Bevölkerung das Geſetz der Arbeits- theilung zur reichlicheren und beſſeren Erzeugung von Gütern anwendet, ſondern auch der Staat ſelbſt ſeine Organe nach dieſem Grundſatze abtheilt und beſchäftigt: allein es trifft dieſe Zweckmäßigkeitsregel das Weſen des Staates auch nicht ent- fernt und gibt keinerlei Aufſchluß über ſeine Aufgabe oder über ſeine Verſchiedenheit von anderen menſchlichen Vereinen. Auch hier hat die Abſicht, eine beſtimmte Geſtaltung im Leben (und zwar namentlich verſchieden berechtigte Stände) ſchon auf den allgemeinſten Begriff des Staates ſelbſt zu ſtützen, die Ver- fälſchung dieſes letzteren veranlaßt. ¹⁾ Ueberſichten über die verſchiedenen Staatsbegriffe ſind namentlich zu finden in: Raumer, F. v., Ueber die geſchichtliche Entwickelung von v. Mohl, Encyclopädie. 6

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/95>, abgerufen am 23.11.2024.