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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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und darf namentlich in einer allgemeinen Geschichte dieser
äußeren Staatenverhältnisse das gemeinschaftliche Leben der
hellenischen Staaten, darf das Verhältniß Roms zu den all-
mälig von ihm unterjochten übrigen Staaten, endlich das
System des christlichen mittelalterlichen Weltreiches nicht über-
gangen werden: so ist doch ein umfassendes, sich klar bewußtes,
und nach Grundsätzen gehandhabtes Zusammenleben von Staa-
ten hauptsächlich nur in Europa seit vier Jahrhunderten vor-
handen gewesen, dieses daher auch der Hauptgegenstand der
Darstellung. Die jüngste Ausdehnung desselben auf andere
Welttheile ist der Beginn eines neuen Abschnittes dieser Ver-
hältnisse, welche alle frühere weit hinter sich lassen wird nach
Umfang und sachlicher Bedeutung; allein hier ist noch Alles
in der ersten Gestaltung 6).

Zu einer passenden Behandlungsweise der äußeren Geschichte
des Staatenlebens ist nur ein doppelter Weg. Entweder näm-
lich kann eine allgemeine Darstellung gewählt, d. h. die
Geschichte eines ganzen Staatensystemes dargelegt werden; oder
aber mag ein bestimmter einzelner Staat als Mittel-
punkt genommen und auf ihn das Nebeneinanderbestehen und
gegenseitige Einwirken der übrigen Staaten bezogen werden,
natürlich insoweit er überhaupt dabei betheiligt ist. Auf die
eine Art ergibt sich also z. B. die Geschichte des europäischen
Staatensystemes, sei es in seiner Ganzheit sei es nur in ein-
zelnen Zeitabschnitten, anderer Seits die Schilderung der Be-
ziehungen Frankreichs, Englands u. s. f. zu den Welthändeln.
Durch gute allgemeine Werke erhält man auch hier einen
Ueberblick über den ganzen bisherigen Verlauf, ein Urtheil
über das Betragen und die Bedeutung jedes einzelnen Staates,
einen Ausgangspunkt für wahrscheinliche Voraussicht der Zu-
kunft; eine localisirte Auffassung dagegen lehrt die Ursachen
kennen, welche einem bestimmten wichtigen Staate seine Richtung

und darf namentlich in einer allgemeinen Geſchichte dieſer
äußeren Staatenverhältniſſe das gemeinſchaftliche Leben der
helleniſchen Staaten, darf das Verhältniß Roms zu den all-
mälig von ihm unterjochten übrigen Staaten, endlich das
Syſtem des chriſtlichen mittelalterlichen Weltreiches nicht über-
gangen werden: ſo iſt doch ein umfaſſendes, ſich klar bewußtes,
und nach Grundſätzen gehandhabtes Zuſammenleben von Staa-
ten hauptſächlich nur in Europa ſeit vier Jahrhunderten vor-
handen geweſen, dieſes daher auch der Hauptgegenſtand der
Darſtellung. Die jüngſte Ausdehnung deſſelben auf andere
Welttheile iſt der Beginn eines neuen Abſchnittes dieſer Ver-
hältniſſe, welche alle frühere weit hinter ſich laſſen wird nach
Umfang und ſachlicher Bedeutung; allein hier iſt noch Alles
in der erſten Geſtaltung 6).

Zu einer paſſenden Behandlungsweiſe der äußeren Geſchichte
des Staatenlebens iſt nur ein doppelter Weg. Entweder näm-
lich kann eine allgemeine Darſtellung gewählt, d. h. die
Geſchichte eines ganzen Staatenſyſtemes dargelegt werden; oder
aber mag ein beſtimmter einzelner Staat als Mittel-
punkt genommen und auf ihn das Nebeneinanderbeſtehen und
gegenſeitige Einwirken der übrigen Staaten bezogen werden,
natürlich inſoweit er überhaupt dabei betheiligt iſt. Auf die
eine Art ergibt ſich alſo z. B. die Geſchichte des europäiſchen
Staatenſyſtemes, ſei es in ſeiner Ganzheit ſei es nur in ein-
zelnen Zeitabſchnitten, anderer Seits die Schilderung der Be-
ziehungen Frankreichs, Englands u. ſ. f. zu den Welthändeln.
Durch gute allgemeine Werke erhält man auch hier einen
Ueberblick über den ganzen bisherigen Verlauf, ein Urtheil
über das Betragen und die Bedeutung jedes einzelnen Staates,
einen Ausgangspunkt für wahrſcheinliche Vorausſicht der Zu-
kunft; eine localiſirte Auffaſſung dagegen lehrt die Urſachen
kennen, welche einem beſtimmten wichtigen Staate ſeine Richtung

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[720/0734] und darf namentlich in einer allgemeinen Geſchichte dieſer äußeren Staatenverhältniſſe das gemeinſchaftliche Leben der helleniſchen Staaten, darf das Verhältniß Roms zu den all- mälig von ihm unterjochten übrigen Staaten, endlich das Syſtem des chriſtlichen mittelalterlichen Weltreiches nicht über- gangen werden: ſo iſt doch ein umfaſſendes, ſich klar bewußtes, und nach Grundſätzen gehandhabtes Zuſammenleben von Staa- ten hauptſächlich nur in Europa ſeit vier Jahrhunderten vor- handen geweſen, dieſes daher auch der Hauptgegenſtand der Darſtellung. Die jüngſte Ausdehnung deſſelben auf andere Welttheile iſt der Beginn eines neuen Abſchnittes dieſer Ver- hältniſſe, welche alle frühere weit hinter ſich laſſen wird nach Umfang und ſachlicher Bedeutung; allein hier iſt noch Alles in der erſten Geſtaltung 6). Zu einer paſſenden Behandlungsweiſe der äußeren Geſchichte des Staatenlebens iſt nur ein doppelter Weg. Entweder näm- lich kann eine allgemeine Darſtellung gewählt, d. h. die Geſchichte eines ganzen Staatenſyſtemes dargelegt werden; oder aber mag ein beſtimmter einzelner Staat als Mittel- punkt genommen und auf ihn das Nebeneinanderbeſtehen und gegenſeitige Einwirken der übrigen Staaten bezogen werden, natürlich inſoweit er überhaupt dabei betheiligt iſt. Auf die eine Art ergibt ſich alſo z. B. die Geſchichte des europäiſchen Staatenſyſtemes, ſei es in ſeiner Ganzheit ſei es nur in ein- zelnen Zeitabſchnitten, anderer Seits die Schilderung der Be- ziehungen Frankreichs, Englands u. ſ. f. zu den Welthändeln. Durch gute allgemeine Werke erhält man auch hier einen Ueberblick über den ganzen bisherigen Verlauf, ein Urtheil über das Betragen und die Bedeutung jedes einzelnen Staates, einen Ausgangspunkt für wahrſcheinliche Vorausſicht der Zu- kunft; eine localiſirte Auffaſſung dagegen lehrt die Urſachen kennen, welche einem beſtimmten wichtigen Staate ſeine Richtung

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 720. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/734>, abgerufen am 24.11.2024.