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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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verhältnisse, vor Allem wenn das Ergebniß derselben in
keinem Verhältnisse zur Unannehmlichkeit stünde.

Eine absolute Größe der dem Staate nöthigen und von
ihm ohne Verderbniß des Volkes einzuziehenden Einnahmen ist
allerdings nicht anzugeben; doch ist die Wichtigkeit nachstehender
Grundsätze einleuchtend. Die Gesammtsumme der Staatsein-
nahmen darf den gesammten Reinertrag der Volkswirthschaft
nicht übersteigen, weil ein großer Theil der Staatsausgaben
wirthschaftlich steril ist, somit das Volksvermögen sich um
diesen Theil vermindert, und zwar beim Gleichbleiben einer
solchen Höhe der Forderung in geometrischem Verhältnisse; sie
darf aber nicht einmal regelmäßig so hoch steigen, weil sonst
die durch Zufälle veranlaßten, doch nie ganz ausbleibenden,
Lücken im Volksvermögen nicht ausgefüllt werden könnten, und
somit ebenfalls allmälig Verarmung einträte. Je tiefer viel-
mehr die Staatsausgabe unter diesem Reinertrage bleibt, desto
besser für das Wohlergehen des Volkes und für etwa künftige
vermehrte Bedürfnisse des Staates selbst. Wenn also, auch
bei gewissenhaftester Wirthschaft, die Mittel für die noth-
wendigen Ausgaben nachhaltig unter dieser Bedingung nicht
beigebracht werden können, so bleibt nur die Wahl zwischen
einer wesentlichen Veränderung und Herabstimmung der Staats-
zwecke oder einer Vereinigung des Staates mit einem größeren
und reicheren. In vorübergehenden außerordentlichen Fällen
dagegen, wenn einerseits eine Ausgabe durchaus nöthig ist,
andererseits aber regelmäßige Deckungsmittel fehlen und selbst
durch eine verstärkte Beanspruchung der Steuerkräfte und durch
besondere Ersparungsmaßregeln nicht beschafft werden können,
mag zu einer Schuldenaufnahme geschritten werden. Soferne
durch dieselbe ein den Zinsen mindestens gleichkommender Er-
trag erworben wird, ist gegen die Maßregel unmittelbar wenig
einzuwenden; doch darf auch hier nicht vergessen werden, daß

verhältniſſe, vor Allem wenn das Ergebniß derſelben in
keinem Verhältniſſe zur Unannehmlichkeit ſtünde.

Eine abſolute Größe der dem Staate nöthigen und von
ihm ohne Verderbniß des Volkes einzuziehenden Einnahmen iſt
allerdings nicht anzugeben; doch iſt die Wichtigkeit nachſtehender
Grundſätze einleuchtend. Die Geſammtſumme der Staatsein-
nahmen darf den geſammten Reinertrag der Volkswirthſchaft
nicht überſteigen, weil ein großer Theil der Staatsausgaben
wirthſchaftlich ſteril iſt, ſomit das Volksvermögen ſich um
dieſen Theil vermindert, und zwar beim Gleichbleiben einer
ſolchen Höhe der Forderung in geometriſchem Verhältniſſe; ſie
darf aber nicht einmal regelmäßig ſo hoch ſteigen, weil ſonſt
die durch Zufälle veranlaßten, doch nie ganz ausbleibenden,
Lücken im Volksvermögen nicht ausgefüllt werden könnten, und
ſomit ebenfalls allmälig Verarmung einträte. Je tiefer viel-
mehr die Staatsausgabe unter dieſem Reinertrage bleibt, deſto
beſſer für das Wohlergehen des Volkes und für etwa künftige
vermehrte Bedürfniſſe des Staates ſelbſt. Wenn alſo, auch
bei gewiſſenhafteſter Wirthſchaft, die Mittel für die noth-
wendigen Ausgaben nachhaltig unter dieſer Bedingung nicht
beigebracht werden können, ſo bleibt nur die Wahl zwiſchen
einer weſentlichen Veränderung und Herabſtimmung der Staats-
zwecke oder einer Vereinigung des Staates mit einem größeren
und reicheren. In vorübergehenden außerordentlichen Fällen
dagegen, wenn einerſeits eine Ausgabe durchaus nöthig iſt,
andererſeits aber regelmäßige Deckungsmittel fehlen und ſelbſt
durch eine verſtärkte Beanſpruchung der Steuerkräfte und durch
beſondere Erſparungsmaßregeln nicht beſchafft werden können,
mag zu einer Schuldenaufnahme geſchritten werden. Soferne
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trag erworben wird, iſt gegen die Maßregel unmittelbar wenig
einzuwenden; doch darf auch hier nicht vergeſſen werden, daß

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[681/0695] verhältniſſe, vor Allem wenn das Ergebniß derſelben in keinem Verhältniſſe zur Unannehmlichkeit ſtünde. Eine abſolute Größe der dem Staate nöthigen und von ihm ohne Verderbniß des Volkes einzuziehenden Einnahmen iſt allerdings nicht anzugeben; doch iſt die Wichtigkeit nachſtehender Grundſätze einleuchtend. Die Geſammtſumme der Staatsein- nahmen darf den geſammten Reinertrag der Volkswirthſchaft nicht überſteigen, weil ein großer Theil der Staatsausgaben wirthſchaftlich ſteril iſt, ſomit das Volksvermögen ſich um dieſen Theil vermindert, und zwar beim Gleichbleiben einer ſolchen Höhe der Forderung in geometriſchem Verhältniſſe; ſie darf aber nicht einmal regelmäßig ſo hoch ſteigen, weil ſonſt die durch Zufälle veranlaßten, doch nie ganz ausbleibenden, Lücken im Volksvermögen nicht ausgefüllt werden könnten, und ſomit ebenfalls allmälig Verarmung einträte. Je tiefer viel- mehr die Staatsausgabe unter dieſem Reinertrage bleibt, deſto beſſer für das Wohlergehen des Volkes und für etwa künftige vermehrte Bedürfniſſe des Staates ſelbſt. Wenn alſo, auch bei gewiſſenhafteſter Wirthſchaft, die Mittel für die noth- wendigen Ausgaben nachhaltig unter dieſer Bedingung nicht beigebracht werden können, ſo bleibt nur die Wahl zwiſchen einer weſentlichen Veränderung und Herabſtimmung der Staats- zwecke oder einer Vereinigung des Staates mit einem größeren und reicheren. In vorübergehenden außerordentlichen Fällen dagegen, wenn einerſeits eine Ausgabe durchaus nöthig iſt, andererſeits aber regelmäßige Deckungsmittel fehlen und ſelbſt durch eine verſtärkte Beanſpruchung der Steuerkräfte und durch beſondere Erſparungsmaßregeln nicht beſchafft werden können, mag zu einer Schuldenaufnahme geſchritten werden. Soferne durch dieſelbe ein den Zinſen mindeſtens gleichkommender Er- trag erworben wird, iſt gegen die Maßregel unmittelbar wenig einzuwenden; doch darf auch hier nicht vergeſſen werden, daß

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/695>, abgerufen am 24.11.2024.