Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.
eigenthum erschwert, ihn wohl ganzen Klassen der Bevölkerung rechtlich unmöglich gemacht. Da nun die Erwerbung von Grund und Boden aus sittlichen, poli- tischen und wirthschaftlichen Gründen kein Monopol nur Einzelner sein darf, so muß auf Hinwegräumung des übergroßen Besitzes in den Händen Bevorrechteter hinge- arbeitet werden, also auf Verkauf der Staatsgüter, Verhin- derung des Besitzes in todter Hand, Wiederauflösung von Lehen und Fideicommißverbänden. Eine ebenso wichtige als schwierige und eine keineswegs noch zweifellos gelöste Frage ist dabei, ob die Veräußerung und Zerstückelung des Grundbesitzes vollkommen freigegeben, oder ob sie gewissen Grenzen unterworfen werden soll, so daß etwa eine verhältnißmäßige Anzahl von großen, mittleren und kleineren Grundbesitzungen bestimmt würde. Da es sich in allen diesen von der Aufhebung oder dem Neugründen von Gesetzen und Rechtszuständen handelt, so ist das Eintreten einer Staatsthätigkeit offenbar nothwendig. -- Eine zweite Art von Unterstützung des Vermögenserwerbes besteht in der Förderung von Kapitalansammlung. Aller- dings kann Kapital, welches ja nichts anderes ist, als Uebersparung eines Theiles der Erzeugnisse über den Verzehr, nur von den Einzelnen selbst geschaffen werden; auch sind alle Vorspiegelungen von schnellerer Kapital- erzeugung als solche durch die Zinsen oder neue Erspar- nisse möglich ist, Selbsttäuschung oder Gaukelei: aber es gibt Einrichtungen, welche entweder durch leichte und sichere Anlegung schon der kleinsten Summen oder durch Zusammenhaltung von Zinsen und Zinseszinsen die Schaffung eines Kapitals erleichtern. Auch sie können und sollen im Allgemeinen von Privatpersonen eingerichtet und verwaltet werden; allein theils hat der Staat Aufsicht
eigenthum erſchwert, ihn wohl ganzen Klaſſen der Bevölkerung rechtlich unmöglich gemacht. Da nun die Erwerbung von Grund und Boden aus ſittlichen, poli- tiſchen und wirthſchaftlichen Gründen kein Monopol nur Einzelner ſein darf, ſo muß auf Hinwegräumung des übergroßen Beſitzes in den Händen Bevorrechteter hinge- arbeitet werden, alſo auf Verkauf der Staatsgüter, Verhin- derung des Beſitzes in todter Hand, Wiederauflöſung von Lehen und Fideicommißverbänden. Eine ebenſo wichtige als ſchwierige und eine keineswegs noch zweifellos gelöſte Frage iſt dabei, ob die Veräußerung und Zerſtückelung des Grundbeſitzes vollkommen freigegeben, oder ob ſie gewiſſen Grenzen unterworfen werden ſoll, ſo daß etwa eine verhältnißmäßige Anzahl von großen, mittleren und kleineren Grundbeſitzungen beſtimmt würde. Da es ſich in allen dieſen von der Aufhebung oder dem Neugründen von Geſetzen und Rechtszuſtänden handelt, ſo iſt das Eintreten einer Staatsthätigkeit offenbar nothwendig. — Eine zweite Art von Unterſtützung des Vermögenserwerbes beſteht in der Förderung von Kapitalanſammlung. Aller- dings kann Kapital, welches ja nichts anderes iſt, als Ueberſparung eines Theiles der Erzeugniſſe über den Verzehr, nur von den Einzelnen ſelbſt geſchaffen werden; auch ſind alle Vorſpiegelungen von ſchnellerer Kapital- erzeugung als ſolche durch die Zinſen oder neue Erſpar- niſſe möglich iſt, Selbſttäuſchung oder Gaukelei: aber es gibt Einrichtungen, welche entweder durch leichte und ſichere Anlegung ſchon der kleinſten Summen oder durch Zuſammenhaltung von Zinſen und Zinſeszinſen die Schaffung eines Kapitals erleichtern. Auch ſie können und ſollen im Allgemeinen von Privatperſonen eingerichtet und verwaltet werden; allein theils hat der Staat Aufſicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <list> <item><hi rendition="#g"><pb facs="#f0685" n="671"/> eigenthum</hi> erſchwert, ihn wohl ganzen Klaſſen der<lb/> Bevölkerung rechtlich unmöglich gemacht. Da nun die<lb/> Erwerbung von Grund und Boden aus ſittlichen, poli-<lb/> tiſchen und wirthſchaftlichen Gründen kein Monopol nur<lb/> Einzelner ſein darf, ſo muß auf Hinwegräumung des<lb/> übergroßen Beſitzes in den Händen Bevorrechteter hinge-<lb/> arbeitet werden, alſo auf Verkauf der Staatsgüter, Verhin-<lb/> derung des Beſitzes in todter Hand, Wiederauflöſung von<lb/> Lehen und Fideicommißverbänden. Eine ebenſo wichtige<lb/> als ſchwierige und eine keineswegs noch zweifellos gelöſte<lb/> Frage iſt dabei, ob die Veräußerung und Zerſtückelung<lb/> des Grundbeſitzes vollkommen freigegeben, oder ob ſie<lb/> gewiſſen Grenzen unterworfen werden ſoll, ſo daß etwa<lb/> eine verhältnißmäßige Anzahl von großen, mittleren und<lb/> kleineren Grundbeſitzungen beſtimmt würde. Da es ſich in<lb/> allen dieſen von der Aufhebung oder dem Neugründen von<lb/> Geſetzen und Rechtszuſtänden handelt, ſo iſt das Eintreten<lb/> einer Staatsthätigkeit offenbar nothwendig. — Eine zweite<lb/> Art von Unterſtützung des Vermögenserwerbes beſteht in<lb/> der Förderung von <hi rendition="#g">Kapitalanſammlung</hi>. Aller-<lb/> dings kann Kapital, welches ja nichts anderes iſt, als<lb/> Ueberſparung eines Theiles der Erzeugniſſe über den<lb/> Verzehr, nur von den Einzelnen ſelbſt geſchaffen werden;<lb/> auch ſind alle Vorſpiegelungen von ſchnellerer Kapital-<lb/> erzeugung als ſolche durch die Zinſen oder neue Erſpar-<lb/> niſſe möglich iſt, Selbſttäuſchung oder Gaukelei: aber es<lb/> gibt Einrichtungen, welche entweder durch leichte und<lb/> ſichere Anlegung ſchon der kleinſten Summen oder<lb/> durch Zuſammenhaltung von Zinſen und Zinſeszinſen die<lb/> Schaffung eines Kapitals erleichtern. Auch ſie können<lb/> und ſollen im Allgemeinen von Privatperſonen eingerichtet<lb/> und verwaltet werden; allein theils hat der Staat Aufſicht<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [671/0685]
eigenthum erſchwert, ihn wohl ganzen Klaſſen der
Bevölkerung rechtlich unmöglich gemacht. Da nun die
Erwerbung von Grund und Boden aus ſittlichen, poli-
tiſchen und wirthſchaftlichen Gründen kein Monopol nur
Einzelner ſein darf, ſo muß auf Hinwegräumung des
übergroßen Beſitzes in den Händen Bevorrechteter hinge-
arbeitet werden, alſo auf Verkauf der Staatsgüter, Verhin-
derung des Beſitzes in todter Hand, Wiederauflöſung von
Lehen und Fideicommißverbänden. Eine ebenſo wichtige
als ſchwierige und eine keineswegs noch zweifellos gelöſte
Frage iſt dabei, ob die Veräußerung und Zerſtückelung
des Grundbeſitzes vollkommen freigegeben, oder ob ſie
gewiſſen Grenzen unterworfen werden ſoll, ſo daß etwa
eine verhältnißmäßige Anzahl von großen, mittleren und
kleineren Grundbeſitzungen beſtimmt würde. Da es ſich in
allen dieſen von der Aufhebung oder dem Neugründen von
Geſetzen und Rechtszuſtänden handelt, ſo iſt das Eintreten
einer Staatsthätigkeit offenbar nothwendig. — Eine zweite
Art von Unterſtützung des Vermögenserwerbes beſteht in
der Förderung von Kapitalanſammlung. Aller-
dings kann Kapital, welches ja nichts anderes iſt, als
Ueberſparung eines Theiles der Erzeugniſſe über den
Verzehr, nur von den Einzelnen ſelbſt geſchaffen werden;
auch ſind alle Vorſpiegelungen von ſchnellerer Kapital-
erzeugung als ſolche durch die Zinſen oder neue Erſpar-
niſſe möglich iſt, Selbſttäuſchung oder Gaukelei: aber es
gibt Einrichtungen, welche entweder durch leichte und
ſichere Anlegung ſchon der kleinſten Summen oder
durch Zuſammenhaltung von Zinſen und Zinſeszinſen die
Schaffung eines Kapitals erleichtern. Auch ſie können
und ſollen im Allgemeinen von Privatperſonen eingerichtet
und verwaltet werden; allein theils hat der Staat Aufſicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |