Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.Verfallenen, je nach den Verhältnissen des einzelnen Falles mit dem Fehlenden zu versehen, theils aber vollkommen Hülflose in allgemeine Verpflegung zu nehmen, wozu denn, je nach den Verhältnissen, Waisenhäuser, Hospitäler, Invalidenhäuser u. dgl. zu errichten sind. Nur eine Nebenfrage, aber freilich eine höchst wichtige, ist es, ob der ganze Staat diese verschiedenen Ausgaben zu über- nehmen habe, oder ob sie, ganz oder theilweise, den ein- zelnen Gemeinden je für ihre Angehörigen zuzumuthen seien? Eine Verbindung allgemeiner, provinzieller und örtlicher Hülfen ist wohl die richtige Lösung. -- Massen- armuth ist vorhanden, wenn der Mangel an nothwendigen Lebensbedürfnissen nicht eine Folge individueller Verhält- nisse ist, sondern durch allgemeine ungünstige Zustände großer Volksklassen und durch den Organismus der Gesellschaft oder der Gewerbethätigkeit erzeugt wird. Es gibt nun aber verschiedene Gattungen solcher Zustände. Eimmal Massenarmuth der ländlichen Bevölkerung, welche denn wieder durch zwei einander gerade entgegenstehende Zu- stände erzeugt sein kann, nämlich entweder durch eine solche Zersplitterung des Grundeigenthums, daß sich die Eigen- thümer nicht mehr von ihrem Antheile zu nähren ver- mögen, oder aber durch Latifundien, auf welchen zahlreiche Tagelöhner oder ungünstig gestellte kleine Pächter leben. Zweitens, Massenarmuth der Gewerbenden, erzeugt ent- weder durch die Erdrückung des handwerksmäßigen Be- triebes durch übermächtige innere oder äußere Mitwerbung, sodann und hauptsächlich aber durch den Fabrikbetrieb, wenn dieser entweder still steht oder zu niedern Arbeits- löhnen genöthigt ist. Daß in allen diesen Fällen von weitverbreiteter und aus allgemeinen Ursachen rührender Dürftigkeit nur, wenn überhaupt, durch sehr umfassende Verfallenen, je nach den Verhältniſſen des einzelnen Falles mit dem Fehlenden zu verſehen, theils aber vollkommen Hülfloſe in allgemeine Verpflegung zu nehmen, wozu denn, je nach den Verhältniſſen, Waiſenhäuſer, Hoſpitäler, Invalidenhäuſer u. dgl. zu errichten ſind. Nur eine Nebenfrage, aber freilich eine höchſt wichtige, iſt es, ob der ganze Staat dieſe verſchiedenen Ausgaben zu über- nehmen habe, oder ob ſie, ganz oder theilweiſe, den ein- zelnen Gemeinden je für ihre Angehörigen zuzumuthen ſeien? Eine Verbindung allgemeiner, provinzieller und örtlicher Hülfen iſt wohl die richtige Löſung. — Maſſen- armuth iſt vorhanden, wenn der Mangel an nothwendigen Lebensbedürfniſſen nicht eine Folge individueller Verhält- niſſe iſt, ſondern durch allgemeine ungünſtige Zuſtände großer Volksklaſſen und durch den Organismus der Geſellſchaft oder der Gewerbethätigkeit erzeugt wird. Es gibt nun aber verſchiedene Gattungen ſolcher Zuſtände. Eimmal Maſſenarmuth der ländlichen Bevölkerung, welche denn wieder durch zwei einander gerade entgegenſtehende Zu- ſtände erzeugt ſein kann, nämlich entweder durch eine ſolche Zerſplitterung des Grundeigenthums, daß ſich die Eigen- thümer nicht mehr von ihrem Antheile zu nähren ver- mögen, oder aber durch Latifundien, auf welchen zahlreiche Tagelöhner oder ungünſtig geſtellte kleine Pächter leben. Zweitens, Maſſenarmuth der Gewerbenden, erzeugt ent- weder durch die Erdrückung des handwerksmäßigen Be- triebes durch übermächtige innere oder äußere Mitwerbung, ſodann und hauptſächlich aber durch den Fabrikbetrieb, wenn dieſer entweder ſtill ſteht oder zu niedern Arbeits- löhnen genöthigt iſt. Daß in allen dieſen Fällen von weitverbreiteter und aus allgemeinen Urſachen rührender Dürftigkeit nur, wenn überhaupt, durch ſehr umfaſſende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <list> <item><pb facs="#f0681" n="667"/> Verfallenen, je nach den Verhältniſſen des einzelnen Falles<lb/> mit dem Fehlenden zu verſehen, theils aber vollkommen<lb/> Hülfloſe in allgemeine Verpflegung zu nehmen, wozu<lb/> denn, je nach den Verhältniſſen, Waiſenhäuſer, Hoſpitäler,<lb/> Invalidenhäuſer u. dgl. zu errichten ſind. 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Verfallenen, je nach den Verhältniſſen des einzelnen Falles
mit dem Fehlenden zu verſehen, theils aber vollkommen
Hülfloſe in allgemeine Verpflegung zu nehmen, wozu
denn, je nach den Verhältniſſen, Waiſenhäuſer, Hoſpitäler,
Invalidenhäuſer u. dgl. zu errichten ſind. Nur eine
Nebenfrage, aber freilich eine höchſt wichtige, iſt es, ob
der ganze Staat dieſe verſchiedenen Ausgaben zu über-
nehmen habe, oder ob ſie, ganz oder theilweiſe, den ein-
zelnen Gemeinden je für ihre Angehörigen zuzumuthen
ſeien? Eine Verbindung allgemeiner, provinzieller und
örtlicher Hülfen iſt wohl die richtige Löſung. — Maſſen-
armuth iſt vorhanden, wenn der Mangel an nothwendigen
Lebensbedürfniſſen nicht eine Folge individueller Verhält-
niſſe iſt, ſondern durch allgemeine ungünſtige Zuſtände
großer Volksklaſſen und durch den Organismus der
Geſellſchaft oder der Gewerbethätigkeit erzeugt wird.
Es gibt nun aber verſchiedene Gattungen ſolcher Zuſtände.
Eimmal Maſſenarmuth der ländlichen Bevölkerung, welche
denn wieder durch zwei einander gerade entgegenſtehende Zu-
ſtände erzeugt ſein kann, nämlich entweder durch eine ſolche
Zerſplitterung des Grundeigenthums, daß ſich die Eigen-
thümer nicht mehr von ihrem Antheile zu nähren ver-
mögen, oder aber durch Latifundien, auf welchen zahlreiche
Tagelöhner oder ungünſtig geſtellte kleine Pächter leben.
Zweitens, Maſſenarmuth der Gewerbenden, erzeugt ent-
weder durch die Erdrückung des handwerksmäßigen Be-
triebes durch übermächtige innere oder äußere Mitwerbung,
ſodann und hauptſächlich aber durch den Fabrikbetrieb,
wenn dieſer entweder ſtill ſteht oder zu niedern Arbeits-
löhnen genöthigt iſt. Daß in allen dieſen Fällen von
weitverbreiteter und aus allgemeinen Urſachen rührender
Dürftigkeit nur, wenn überhaupt, durch ſehr umfaſſende
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