Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Eine gute Ordnung der Gerichte erfordert vor
Allem

a. eine tüchtige persönliche Besetzung. Daß die allgemei-
nen Maßregeln zur Bildung und Gewinnung unterrich-
teter und ehrenhafter Beamten ebenfalls, und zwar mit
besonderer Sorgfalt, angewendet werden, versteht sich von
selbst. Es sind aber auch noch einige besondere Punkte
zu beachten. -- Die Zahl der Männer, welche die zu
einem vollkommenen Richter nöthigen Eigenschaften in sich
vereinigen, ist nicht eben groß. Je geringer also die
Menge der Stellen ist, desto wahrscheinlicher ist es auch,
daß dieselben ganz gut besetzt werden können. Daher
erscheint denn die Beschränkung sowohl der Gerichte
selbst als der bei denselben bestellten Beamten auf das
geringste mögliche Maß als das an sich Richtige.
Nur freilich setzt eine solche Uebertragung des Rechts-
schutzes an Wenige und Vereinzelte eine kräftige öffent-
liche Meinung und eine stätige Ueberwachung durch
dieselbe voraus; somit solche Staaten, in welchen Preß-
freiheit besteht und die Bürger auch freiwilligen Antheil
an öffentlichen Angelegenheiten nehmen, die Regierung
aber keine ungesetzlichen und unrechtlichen Eingriffe sich
erlauben kann. Andere Staaten werden sich bei colle-
gialisch und zwar möglichst stark besetzten Gerichten besser
befinden. -- Von Wichtigkeit ist sodann das System
der praktischen Heranbildung der Dienstkandidaten. Hier
ist eine Wahl aus dem Advokatenstande einer Heran-
bildung mittelst Bekleidung untergeordneter Stellen aus
zwei Gründen vorzuziehen. Einmal verschafft sie dem
Stande der Sachwalter einen besseren Zugang; zweitens
aber gibt sie die Möglichkeit, den künftigen Richter nach
Kopf und Gesinnung genau zu kennen.

2. Eine gute Ordnung der Gerichte erfordert vor
Allem

a. eine tüchtige perſönliche Beſetzung. Daß die allgemei-
nen Maßregeln zur Bildung und Gewinnung unterrich-
teter und ehrenhafter Beamten ebenfalls, und zwar mit
beſonderer Sorgfalt, angewendet werden, verſteht ſich von
ſelbſt. Es ſind aber auch noch einige beſondere Punkte
zu beachten. — Die Zahl der Männer, welche die zu
einem vollkommenen Richter nöthigen Eigenſchaften in ſich
vereinigen, iſt nicht eben groß. Je geringer alſo die
Menge der Stellen iſt, deſto wahrſcheinlicher iſt es auch,
daß dieſelben ganz gut beſetzt werden können. Daher
erſcheint denn die Beſchränkung ſowohl der Gerichte
ſelbſt als der bei denſelben beſtellten Beamten auf das
geringſte mögliche Maß als das an ſich Richtige.
Nur freilich ſetzt eine ſolche Uebertragung des Rechts-
ſchutzes an Wenige und Vereinzelte eine kräftige öffent-
liche Meinung und eine ſtätige Ueberwachung durch
dieſelbe voraus; ſomit ſolche Staaten, in welchen Preß-
freiheit beſteht und die Bürger auch freiwilligen Antheil
an öffentlichen Angelegenheiten nehmen, die Regierung
aber keine ungeſetzlichen und unrechtlichen Eingriffe ſich
erlauben kann. Andere Staaten werden ſich bei colle-
gialiſch und zwar möglichſt ſtark beſetzten Gerichten beſſer
befinden. — Von Wichtigkeit iſt ſodann das Syſtem
der praktiſchen Heranbildung der Dienſtkandidaten. Hier
iſt eine Wahl aus dem Advokatenſtande einer Heran-
bildung mittelſt Bekleidung untergeordneter Stellen aus
zwei Gründen vorzuziehen. Einmal verſchafft ſie dem
Stande der Sachwalter einen beſſeren Zugang; zweitens
aber gibt ſie die Möglichkeit, den künftigen Richter nach
Kopf und Geſinnung genau zu kennen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0672" n="658"/>
                <p>2. Eine <hi rendition="#g">gute Ordnung der Gerichte</hi> erfordert vor<lb/>
Allem</p><lb/>
                <list>
                  <item><hi rendition="#aq">a.</hi> eine tüchtige per&#x017F;önliche <hi rendition="#g">Be&#x017F;etzung</hi>. Daß die allgemei-<lb/>
nen Maßregeln zur Bildung und Gewinnung unterrich-<lb/>
teter und ehrenhafter Beamten ebenfalls, und zwar mit<lb/>
be&#x017F;onderer Sorgfalt, angewendet werden, ver&#x017F;teht &#x017F;ich von<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Es &#x017F;ind aber auch noch einige be&#x017F;ondere Punkte<lb/>
zu beachten. &#x2014; Die Zahl der Männer, welche die zu<lb/>
einem vollkommenen Richter nöthigen Eigen&#x017F;chaften in &#x017F;ich<lb/>
vereinigen, i&#x017F;t nicht eben groß. Je geringer al&#x017F;o die<lb/>
Menge der Stellen i&#x017F;t, de&#x017F;to wahr&#x017F;cheinlicher i&#x017F;t es auch,<lb/>
daß die&#x017F;elben ganz gut be&#x017F;etzt werden können. Daher<lb/>
er&#x017F;cheint denn die Be&#x017F;chränkung &#x017F;owohl der Gerichte<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t als der bei den&#x017F;elben be&#x017F;tellten Beamten auf das<lb/>
gering&#x017F;te mögliche Maß als das an &#x017F;ich Richtige.<lb/>
Nur freilich &#x017F;etzt eine &#x017F;olche Uebertragung des Rechts-<lb/>
&#x017F;chutzes an Wenige und Vereinzelte eine kräftige öffent-<lb/>
liche Meinung und eine &#x017F;tätige Ueberwachung durch<lb/>
die&#x017F;elbe voraus; &#x017F;omit &#x017F;olche Staaten, in welchen Preß-<lb/>
freiheit be&#x017F;teht und die Bürger auch freiwilligen Antheil<lb/>
an öffentlichen Angelegenheiten nehmen, die Regierung<lb/>
aber keine unge&#x017F;etzlichen und unrechtlichen Eingriffe &#x017F;ich<lb/>
erlauben kann. Andere Staaten werden &#x017F;ich bei colle-<lb/>
giali&#x017F;ch und zwar möglich&#x017F;t &#x017F;tark be&#x017F;etzten Gerichten be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
befinden. &#x2014; Von Wichtigkeit i&#x017F;t &#x017F;odann das Sy&#x017F;tem<lb/>
der prakti&#x017F;chen Heranbildung der Dien&#x017F;tkandidaten. Hier<lb/>
i&#x017F;t eine Wahl aus dem Advokaten&#x017F;tande einer Heran-<lb/>
bildung mittel&#x017F;t Bekleidung untergeordneter Stellen aus<lb/>
zwei Gründen vorzuziehen. Einmal ver&#x017F;chafft &#x017F;ie dem<lb/>
Stande der Sachwalter einen be&#x017F;&#x017F;eren Zugang; zweitens<lb/>
aber gibt &#x017F;ie die Möglichkeit, den künftigen Richter nach<lb/>
Kopf und Ge&#x017F;innung genau zu kennen.</item>
                </list><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[658/0672] 2. Eine gute Ordnung der Gerichte erfordert vor Allem a. eine tüchtige perſönliche Beſetzung. Daß die allgemei- nen Maßregeln zur Bildung und Gewinnung unterrich- teter und ehrenhafter Beamten ebenfalls, und zwar mit beſonderer Sorgfalt, angewendet werden, verſteht ſich von ſelbſt. Es ſind aber auch noch einige beſondere Punkte zu beachten. — Die Zahl der Männer, welche die zu einem vollkommenen Richter nöthigen Eigenſchaften in ſich vereinigen, iſt nicht eben groß. Je geringer alſo die Menge der Stellen iſt, deſto wahrſcheinlicher iſt es auch, daß dieſelben ganz gut beſetzt werden können. Daher erſcheint denn die Beſchränkung ſowohl der Gerichte ſelbſt als der bei denſelben beſtellten Beamten auf das geringſte mögliche Maß als das an ſich Richtige. Nur freilich ſetzt eine ſolche Uebertragung des Rechts- ſchutzes an Wenige und Vereinzelte eine kräftige öffent- liche Meinung und eine ſtätige Ueberwachung durch dieſelbe voraus; ſomit ſolche Staaten, in welchen Preß- freiheit beſteht und die Bürger auch freiwilligen Antheil an öffentlichen Angelegenheiten nehmen, die Regierung aber keine ungeſetzlichen und unrechtlichen Eingriffe ſich erlauben kann. Andere Staaten werden ſich bei colle- gialiſch und zwar möglichſt ſtark beſetzten Gerichten beſſer befinden. — Von Wichtigkeit iſt ſodann das Syſtem der praktiſchen Heranbildung der Dienſtkandidaten. Hier iſt eine Wahl aus dem Advokatenſtande einer Heran- bildung mittelſt Bekleidung untergeordneter Stellen aus zwei Gründen vorzuziehen. Einmal verſchafft ſie dem Stande der Sachwalter einen beſſeren Zugang; zweitens aber gibt ſie die Möglichkeit, den künftigen Richter nach Kopf und Geſinnung genau zu kennen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/672
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/672>, abgerufen am 24.11.2024.