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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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in eine Spitze zulaufenden Pyramide vergleichen läßt. Ein-
zelne Ausnahmen von dem Systeme können durch besondere
Verhältnisse geboten sein, kommen aber gegen die regelmäßige
Ordnung des Ganzen nicht in Betracht.

Ganz anders in einem Staate mit einer nach dem Pro-
vinzialsysteme
eingerichteten Verwaltung. Hier wird weder
auf eine Gleichförmigkeit der Art und der Einrichtung der
Behörden, noch auf eine gleiche Größe der geographischen Ver-
waltungsbezirke gesehen; sondern wie in einem Theile des
Staates eine Einrichtung der Geschäfte herkömmlich ist, wird
sie ihm auch gelassen. Die ganze Gesetzgebung der einzelnen
Provinzen kann eine verschiedene sein, die Benennung und die
Zuständigkeit der Behörden ungleich, die Zahl der Instanzen
abweichend; und wenn je eine Uebereinstimmung oder logische
Abtheilung nach dem Gesetze der Arbeitstheilung stattfindet, so
ist dies zufällig, im Ergebnisse nicht wesentlich und nicht durch-
greifend. Von einem systematischen Ganzen ist also hier keine
Rede, sondern nur von geschichtlicher Ueberlieferung.

Die Wahl unter diesen beiden Systemen ist nicht so ganz
leicht, als dies bei den formellen theoretischen Vorzügen des
Realsystemes auf den ersten Blick etwa scheinen möchte. Aller-
dings erleichtert das Realsystem die oberste Leitung des Staates
durch seine Durchsichtigkeit und Gleichförmigkeit; es ist aus
denselben Gründen für die Wirksamkeit einer Volksvertretung
dienlich; es verstärkt durch die Uebereinstimmung und Schnellig-
keit der Ausführung die Kraft der Regierung; es vereinfacht
die Gesetzgebung; macht die Verwendung der Beamten in allen
Theilen des Staates gleich möglich; erhöht endlich durch die
Allgemeinheit seiner Wirkungen das nationale Bewußtsein und
die öffentliche Meinung: dagegen ist es durch Vernichtung alter
Gewohnheiten, wenigstens anfänglich, verletzend; trägt es den
örtlichen Bedürfnissen und den Eigenthümlichkeiten der verschie-

in eine Spitze zulaufenden Pyramide vergleichen läßt. Ein-
zelne Ausnahmen von dem Syſteme können durch beſondere
Verhältniſſe geboten ſein, kommen aber gegen die regelmäßige
Ordnung des Ganzen nicht in Betracht.

Ganz anders in einem Staate mit einer nach dem Pro-
vinzialſyſteme
eingerichteten Verwaltung. Hier wird weder
auf eine Gleichförmigkeit der Art und der Einrichtung der
Behörden, noch auf eine gleiche Größe der geographiſchen Ver-
waltungsbezirke geſehen; ſondern wie in einem Theile des
Staates eine Einrichtung der Geſchäfte herkömmlich iſt, wird
ſie ihm auch gelaſſen. Die ganze Geſetzgebung der einzelnen
Provinzen kann eine verſchiedene ſein, die Benennung und die
Zuſtändigkeit der Behörden ungleich, die Zahl der Inſtanzen
abweichend; und wenn je eine Uebereinſtimmung oder logiſche
Abtheilung nach dem Geſetze der Arbeitstheilung ſtattfindet, ſo
iſt dies zufällig, im Ergebniſſe nicht weſentlich und nicht durch-
greifend. Von einem ſyſtematiſchen Ganzen iſt alſo hier keine
Rede, ſondern nur von geſchichtlicher Ueberlieferung.

Die Wahl unter dieſen beiden Syſtemen iſt nicht ſo ganz
leicht, als dies bei den formellen theoretiſchen Vorzügen des
Realſyſtemes auf den erſten Blick etwa ſcheinen möchte. Aller-
dings erleichtert das Realſyſtem die oberſte Leitung des Staates
durch ſeine Durchſichtigkeit und Gleichförmigkeit; es iſt aus
denſelben Gründen für die Wirkſamkeit einer Volksvertretung
dienlich; es verſtärkt durch die Uebereinſtimmung und Schnellig-
keit der Ausführung die Kraft der Regierung; es vereinfacht
die Geſetzgebung; macht die Verwendung der Beamten in allen
Theilen des Staates gleich möglich; erhöht endlich durch die
Allgemeinheit ſeiner Wirkungen das nationale Bewußtſein und
die öffentliche Meinung: dagegen iſt es durch Vernichtung alter
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[647/0661] in eine Spitze zulaufenden Pyramide vergleichen läßt. Ein- zelne Ausnahmen von dem Syſteme können durch beſondere Verhältniſſe geboten ſein, kommen aber gegen die regelmäßige Ordnung des Ganzen nicht in Betracht. Ganz anders in einem Staate mit einer nach dem Pro- vinzialſyſteme eingerichteten Verwaltung. Hier wird weder auf eine Gleichförmigkeit der Art und der Einrichtung der Behörden, noch auf eine gleiche Größe der geographiſchen Ver- waltungsbezirke geſehen; ſondern wie in einem Theile des Staates eine Einrichtung der Geſchäfte herkömmlich iſt, wird ſie ihm auch gelaſſen. Die ganze Geſetzgebung der einzelnen Provinzen kann eine verſchiedene ſein, die Benennung und die Zuſtändigkeit der Behörden ungleich, die Zahl der Inſtanzen abweichend; und wenn je eine Uebereinſtimmung oder logiſche Abtheilung nach dem Geſetze der Arbeitstheilung ſtattfindet, ſo iſt dies zufällig, im Ergebniſſe nicht weſentlich und nicht durch- greifend. Von einem ſyſtematiſchen Ganzen iſt alſo hier keine Rede, ſondern nur von geſchichtlicher Ueberlieferung. Die Wahl unter dieſen beiden Syſtemen iſt nicht ſo ganz leicht, als dies bei den formellen theoretiſchen Vorzügen des Realſyſtemes auf den erſten Blick etwa ſcheinen möchte. Aller- dings erleichtert das Realſyſtem die oberſte Leitung des Staates durch ſeine Durchſichtigkeit und Gleichförmigkeit; es iſt aus denſelben Gründen für die Wirkſamkeit einer Volksvertretung dienlich; es verſtärkt durch die Uebereinſtimmung und Schnellig- keit der Ausführung die Kraft der Regierung; es vereinfacht die Geſetzgebung; macht die Verwendung der Beamten in allen Theilen des Staates gleich möglich; erhöht endlich durch die Allgemeinheit ſeiner Wirkungen das nationale Bewußtſein und die öffentliche Meinung: dagegen iſt es durch Vernichtung alter Gewohnheiten, wenigſtens anfänglich, verletzend; trägt es den örtlichen Bedürfniſſen und den Eigenthümlichkeiten der verſchie-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/661>, abgerufen am 28.11.2024.