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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Familien- und Staatsoberhauptes gehöre. Ersteres ist nothwendig,
damit nicht die Verbindungen mit ärmeren und tiefer stehenden
Familien immer wiederkehrende Veranlassungen zu ungerechten
Begünstigungen solcher Verwandter und zu ihrer Bereicherung
abgeben 1). Die besondere Zustimmung aber erscheint geboten,
weil die Ehe eines zur Thronfolge Berufenen möglicherweise
von unmittelbaren staatlichen Folgen ist, je nachdem sie eine
Verbindung mit diesem oder jenem fremden Fürstenhause be-
gründet. Die durch beide Bestimmungen allerdings entstehende
ausnahmsweise Beschränkung der Mitglieder fürstlicher Familien
kann nicht in Betracht kommen gegenüber von dem allgemeinen
Vortheile; und sie ist insoferne nicht einmal unbillig, als die-
selben Personen auch große Vortheile von ihrer Stellung ha-
ben. Daß die Leichtigkeit, eine Neigungsheirath einzugehen,
keineswegs eine größere Sicherstellung des ehelichen Glückes
gewährt, ist überdieß, nach aller Erfahrung, nicht blos von
fürstlichen Personen Erfahrungssatz.

2. Ausschließliches Erbrecht der Männer. --
Viele Gründe vereinigen sich, um das Erbfolgerecht in Fürsten-
thümern lediglich auf die Männer zu beschränken. Das ganze
geistige Wesen der Frau eignet sich wenig zur Besorgung von
Regierungsgeschäften, als welche folgerichtiges Denken, Festig-
keit des Vorsatzes und nicht selten persönlichen Muth verlangen.
Ihre Erziehung gibt ihnen nicht die hier erforderlichen Kennt-
nisse; der zartere Körperbau und mannchfache ihm eigene
Krankheitszustände stellen viele Unterbrechungen der Thätigkeit
in Aussicht, und lassen Anstrengungen schwer ertragen. Ein
Weib kann sich nicht an die Spitze des Heeres stellen, und
überhaupt schwer mit persönlicher Einsicht und Wirkung die
Vertheidigungsanstalten des Staates überwachen. Einzelne
Beispiele von großen Fürstinnen beweisen hiergegen nichts, in-
dem Staatseinrichtungen auf die Regel und nicht auf Aus-

Familien- und Staatsoberhauptes gehöre. Erſteres iſt nothwendig,
damit nicht die Verbindungen mit ärmeren und tiefer ſtehenden
Familien immer wiederkehrende Veranlaſſungen zu ungerechten
Begünſtigungen ſolcher Verwandter und zu ihrer Bereicherung
abgeben 1). Die beſondere Zuſtimmung aber erſcheint geboten,
weil die Ehe eines zur Thronfolge Berufenen möglicherweiſe
von unmittelbaren ſtaatlichen Folgen iſt, je nachdem ſie eine
Verbindung mit dieſem oder jenem fremden Fürſtenhauſe be-
gründet. Die durch beide Beſtimmungen allerdings entſtehende
ausnahmsweiſe Beſchränkung der Mitglieder fürſtlicher Familien
kann nicht in Betracht kommen gegenüber von dem allgemeinen
Vortheile; und ſie iſt inſoferne nicht einmal unbillig, als die-
ſelben Perſonen auch große Vortheile von ihrer Stellung ha-
ben. Daß die Leichtigkeit, eine Neigungsheirath einzugehen,
keineswegs eine größere Sicherſtellung des ehelichen Glückes
gewährt, iſt überdieß, nach aller Erfahrung, nicht blos von
fürſtlichen Perſonen Erfahrungsſatz.

2. Ausſchließliches Erbrecht der Männer. —
Viele Gründe vereinigen ſich, um das Erbfolgerecht in Fürſten-
thümern lediglich auf die Männer zu beſchränken. Das ganze
geiſtige Weſen der Frau eignet ſich wenig zur Beſorgung von
Regierungsgeſchäften, als welche folgerichtiges Denken, Feſtig-
keit des Vorſatzes und nicht ſelten perſönlichen Muth verlangen.
Ihre Erziehung gibt ihnen nicht die hier erforderlichen Kennt-
niſſe; der zartere Körperbau und mannchfache ihm eigene
Krankheitszuſtände ſtellen viele Unterbrechungen der Thätigkeit
in Ausſicht, und laſſen Anſtrengungen ſchwer ertragen. Ein
Weib kann ſich nicht an die Spitze des Heeres ſtellen, und
überhaupt ſchwer mit perſönlicher Einſicht und Wirkung die
Vertheidigungsanſtalten des Staates überwachen. Einzelne
Beiſpiele von großen Fürſtinnen beweiſen hiergegen nichts, in-
dem Staatseinrichtungen auf die Regel und nicht auf Aus-

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[621/0635] Familien- und Staatsoberhauptes gehöre. Erſteres iſt nothwendig, damit nicht die Verbindungen mit ärmeren und tiefer ſtehenden Familien immer wiederkehrende Veranlaſſungen zu ungerechten Begünſtigungen ſolcher Verwandter und zu ihrer Bereicherung abgeben 1). Die beſondere Zuſtimmung aber erſcheint geboten, weil die Ehe eines zur Thronfolge Berufenen möglicherweiſe von unmittelbaren ſtaatlichen Folgen iſt, je nachdem ſie eine Verbindung mit dieſem oder jenem fremden Fürſtenhauſe be- gründet. Die durch beide Beſtimmungen allerdings entſtehende ausnahmsweiſe Beſchränkung der Mitglieder fürſtlicher Familien kann nicht in Betracht kommen gegenüber von dem allgemeinen Vortheile; und ſie iſt inſoferne nicht einmal unbillig, als die- ſelben Perſonen auch große Vortheile von ihrer Stellung ha- ben. Daß die Leichtigkeit, eine Neigungsheirath einzugehen, keineswegs eine größere Sicherſtellung des ehelichen Glückes gewährt, iſt überdieß, nach aller Erfahrung, nicht blos von fürſtlichen Perſonen Erfahrungsſatz. 2. Ausſchließliches Erbrecht der Männer. — Viele Gründe vereinigen ſich, um das Erbfolgerecht in Fürſten- thümern lediglich auf die Männer zu beſchränken. Das ganze geiſtige Weſen der Frau eignet ſich wenig zur Beſorgung von Regierungsgeſchäften, als welche folgerichtiges Denken, Feſtig- keit des Vorſatzes und nicht ſelten perſönlichen Muth verlangen. Ihre Erziehung gibt ihnen nicht die hier erforderlichen Kennt- niſſe; der zartere Körperbau und mannchfache ihm eigene Krankheitszuſtände ſtellen viele Unterbrechungen der Thätigkeit in Ausſicht, und laſſen Anſtrengungen ſchwer ertragen. Ein Weib kann ſich nicht an die Spitze des Heeres ſtellen, und überhaupt ſchwer mit perſönlicher Einſicht und Wirkung die Vertheidigungsanſtalten des Staates überwachen. Einzelne Beiſpiele von großen Fürſtinnen beweiſen hiergegen nichts, in- dem Staatseinrichtungen auf die Regel und nicht auf Aus-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/635>, abgerufen am 27.11.2024.