Vortheil allseitiger Durchspähung, Eindruck machenden Auftre- tens und leichter Verstärkung in Fällen des Bedürfnisses für sich hat; dagegen freilich auch durch große Strenge bei Fehlern und genaue Amtsanweisungen von Mißbrauch der Gewalt ab- gehalten werden muß 6). Als Nachhut in besonders schweren Fällen kann entweder eine zahlreiche Bürgerwehr oder das stehende Heer gebraucht werden. Eine Verwendung der ersteren wird aller- dings empfohlen durch die leicht herzustellende große Anzahl, den sittlichen Einfluß ihres Auftretens, die mögliche Verbreitung der Anstalt über das ganze Land, endlich den geringen Aufwand für die Staatskasse; dagegen ist die Beschwerlichkeit für die Pflich- tigen, die große Störung in wirthschaftlicher Beziehung, haupt- sächlich aber der mögliche politische Mißbrauch der Volksbe- waffnung von solcher Bedeutung, daß wohl nur bei einem großen Bedürfnisse in einem concreten Staate und in bestimmten Zeiten für die Errichtung einer Bürgerwehr zu stimmen ist 7). Bei der Verwendung des stehenden Heeres zur Aufrechterhal- tung der Gesetze und der Regierungsanordnungen muß aller- dings dafür gesorgt werden, daß der Befehl dieser Dienste nur von den bürgerlichen Behöden ausgehe, und daß der Gebrauch der bewaffneten Macht weder das Bedürfniß überschreite noch die Gerechtigkeit verletze; allein grundsätzlich kann von einer rechtlichen Untauglichkeit des Heeres zu solch einem Dienste nicht die Rede sein. Vielmehr muß, wenn es zu diesem Aeußersten gekommen ist, mit voller Entschlossenheit und Kraft verfahren werden, damit nicht das letzte Mittel des Staates sich unwirksam erweise, damit aber dem Ungehorsame in seiner gefährlichsten Höhe zum Siege verholfen werde, d. h. die Staatsgewalt als vernichtet, damit aber der Staat als aufge- löst erscheine.
2. Hinsichtlich der nothwendigen Einheit der Staats- gewalt ist nicht sowohl der Grundsatz selbst erst noch zu beweisen
Vortheil allſeitiger Durchſpähung, Eindruck machenden Auftre- tens und leichter Verſtärkung in Fällen des Bedürfniſſes für ſich hat; dagegen freilich auch durch große Strenge bei Fehlern und genaue Amtsanweiſungen von Mißbrauch der Gewalt ab- gehalten werden muß 6). Als Nachhut in beſonders ſchweren Fällen kann entweder eine zahlreiche Bürgerwehr oder das ſtehende Heer gebraucht werden. Eine Verwendung der erſteren wird aller- dings empfohlen durch die leicht herzuſtellende große Anzahl, den ſittlichen Einfluß ihres Auftretens, die mögliche Verbreitung der Anſtalt über das ganze Land, endlich den geringen Aufwand für die Staatskaſſe; dagegen iſt die Beſchwerlichkeit für die Pflich- tigen, die große Störung in wirthſchaftlicher Beziehung, haupt- ſächlich aber der mögliche politiſche Mißbrauch der Volksbe- waffnung von ſolcher Bedeutung, daß wohl nur bei einem großen Bedürfniſſe in einem concreten Staate und in beſtimmten Zeiten für die Errichtung einer Bürgerwehr zu ſtimmen iſt 7). Bei der Verwendung des ſtehenden Heeres zur Aufrechterhal- tung der Geſetze und der Regierungsanordnungen muß aller- dings dafür geſorgt werden, daß der Befehl dieſer Dienſte nur von den bürgerlichen Behöden ausgehe, und daß der Gebrauch der bewaffneten Macht weder das Bedürfniß überſchreite noch die Gerechtigkeit verletze; allein grundſätzlich kann von einer rechtlichen Untauglichkeit des Heeres zu ſolch einem Dienſte nicht die Rede ſein. Vielmehr muß, wenn es zu dieſem Aeußerſten gekommen iſt, mit voller Entſchloſſenheit und Kraft verfahren werden, damit nicht das letzte Mittel des Staates ſich unwirkſam erweiſe, damit aber dem Ungehorſame in ſeiner gefährlichſten Höhe zum Siege verholfen werde, d. h. die Staatsgewalt als vernichtet, damit aber der Staat als aufge- löſt erſcheine.
2. Hinſichtlich der nothwendigen Einheit der Staats- gewalt iſt nicht ſowohl der Grundſatz ſelbſt erſt noch zu beweiſen
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Vortheil allſeitiger Durchſpähung, Eindruck machenden Auftre-
tens und leichter Verſtärkung in Fällen des Bedürfniſſes für
ſich hat; dagegen freilich auch durch große Strenge bei Fehlern
und genaue Amtsanweiſungen von Mißbrauch der Gewalt ab-
gehalten werden muß 6). Als Nachhut in beſonders ſchweren
Fällen kann entweder eine zahlreiche Bürgerwehr oder das ſtehende
Heer gebraucht werden. Eine Verwendung der erſteren wird aller-
dings empfohlen durch die leicht herzuſtellende große Anzahl, den
ſittlichen Einfluß ihres Auftretens, die mögliche Verbreitung der
Anſtalt über das ganze Land, endlich den geringen Aufwand für
die Staatskaſſe; dagegen iſt die Beſchwerlichkeit für die Pflich-
tigen, die große Störung in wirthſchaftlicher Beziehung, haupt-
ſächlich aber der mögliche politiſche Mißbrauch der Volksbe-
waffnung von ſolcher Bedeutung, daß wohl nur bei einem
großen Bedürfniſſe in einem concreten Staate und in beſtimmten
Zeiten für die Errichtung einer Bürgerwehr zu ſtimmen iſt 7).
Bei der Verwendung des ſtehenden Heeres zur Aufrechterhal-
tung der Geſetze und der Regierungsanordnungen muß aller-
dings dafür geſorgt werden, daß der Befehl dieſer Dienſte nur
von den bürgerlichen Behöden ausgehe, und daß der Gebrauch
der bewaffneten Macht weder das Bedürfniß überſchreite noch
die Gerechtigkeit verletze; allein grundſätzlich kann von einer
rechtlichen Untauglichkeit des Heeres zu ſolch einem Dienſte
nicht die Rede ſein. Vielmehr muß, wenn es zu dieſem
Aeußerſten gekommen iſt, mit voller Entſchloſſenheit und Kraft
verfahren werden, damit nicht das letzte Mittel des Staates
ſich unwirkſam erweiſe, damit aber dem Ungehorſame in ſeiner
gefährlichſten Höhe zum Siege verholfen werde, d. h. die
Staatsgewalt als vernichtet, damit aber der Staat als aufge-
löſt erſcheine.
2. Hinſichtlich der nothwendigen Einheit der Staats-
gewalt iſt nicht ſowohl der Grundſatz ſelbſt erſt noch zu beweiſen
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/622>, abgerufen am 24.11.2024.
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