von Staatsvermögen durch unerlaubte Mittel, zu welchen denn nicht nur unrechtliche und unsittliche, sondern auch unpolitische gehören. Namentlich darf die Thätigkeit und das Erwerbrecht der Einzelnen nur so weit zu Gunsten des Staatsschatzes be- schränkt werden, als dies unbedingt nothwendig ist. -- Die Größe der Staatseinnahmen bestimmt übrigens nichts über die Art des dem Staate gebührenden Vermögens; vielmehr ist es eine wichtige, wenn schon erst in zweiter Linie stehende, Frage, ob das Einkommen des Staates aus den Erträgnissen eines eigenen, ihm als Gesammtheit angehörigen, Vermögensstammes fließt, oder ob es durch Beiträge aus dem Gute der einzelnen Bürger zusammengebracht wird. Die Zweckmäßigkeit eines eigenen Vermögens und seiner Größe hängt einer Seits ab von der wirthschaftlichen Ausbildung des Volkes, anderer Seits aber allerdings, wenigstens in einigen Fällen, auch von der Art des Staates. In einem Patrimonialstaate beruht der ganze Organismus des Zusammenlebens auf der Hausmacht des Fürsten; und hier ist also ein eigenes Vermögen desselben unerläßlich. Auch in einer Theokratie wird es zur Macht der regierenden Geistlichkeit beitragen, wenn die Kirche selbst großes Vermögen hat. Ein Rechtsstaat dagegen mag, und zwar in allen seinen Formen, mit und ohne Grundstaat bestehen und es entscheidet hier lediglich die volkswirthschaftliche Rücksicht.
Anders wieder sind die politischen Verhältnisse des Ein- zelreichthums. Zwar liegen im Allgemeinen die Vortheile eines bedeutenden und verbreiteten Wohlstandes der einzelnen Staatsgenossen am Tage, und es wird auch demselben in der Regel keine Grenze gesetzt oder gewünscht; dennoch sind auch schon mannchfach andere Auffassungen vorgetreten, zum Theil bei Gesetzgebern, welche den Ruf der höchsten Weisheit ge- nießen. Man hat nämlich, wenigstens in einzelnen Fällen, das Eigenthum der Privaten durchweg auf einer niederen Stufe
v. Mohl, Encyclopädie. 38
von Staatsvermögen durch unerlaubte Mittel, zu welchen denn nicht nur unrechtliche und unſittliche, ſondern auch unpolitiſche gehören. Namentlich darf die Thätigkeit und das Erwerbrecht der Einzelnen nur ſo weit zu Gunſten des Staatsſchatzes be- ſchränkt werden, als dies unbedingt nothwendig iſt. — Die Größe der Staatseinnahmen beſtimmt übrigens nichts über die Art des dem Staate gebührenden Vermögens; vielmehr iſt es eine wichtige, wenn ſchon erſt in zweiter Linie ſtehende, Frage, ob das Einkommen des Staates aus den Erträgniſſen eines eigenen, ihm als Geſammtheit angehörigen, Vermögensſtammes fließt, oder ob es durch Beiträge aus dem Gute der einzelnen Bürger zuſammengebracht wird. Die Zweckmäßigkeit eines eigenen Vermögens und ſeiner Größe hängt einer Seits ab von der wirthſchaftlichen Ausbildung des Volkes, anderer Seits aber allerdings, wenigſtens in einigen Fällen, auch von der Art des Staates. In einem Patrimonialſtaate beruht der ganze Organismus des Zuſammenlebens auf der Hausmacht des Fürſten; und hier iſt alſo ein eigenes Vermögen deſſelben unerläßlich. Auch in einer Theokratie wird es zur Macht der regierenden Geiſtlichkeit beitragen, wenn die Kirche ſelbſt großes Vermögen hat. Ein Rechtsſtaat dagegen mag, und zwar in allen ſeinen Formen, mit und ohne Grundſtaat beſtehen und es entſcheidet hier lediglich die volkswirthſchaftliche Rückſicht.
Anders wieder ſind die politiſchen Verhältniſſe des Ein- zelreichthums. Zwar liegen im Allgemeinen die Vortheile eines bedeutenden und verbreiteten Wohlſtandes der einzelnen Staatsgenoſſen am Tage, und es wird auch demſelben in der Regel keine Grenze geſetzt oder gewünſcht; dennoch ſind auch ſchon mannchfach andere Auffaſſungen vorgetreten, zum Theil bei Geſetzgebern, welche den Ruf der höchſten Weisheit ge- nießen. Man hat nämlich, wenigſtens in einzelnen Fällen, das Eigenthum der Privaten durchweg auf einer niederen Stufe
v. Mohl, Encyclopädie. 38
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0607"n="593"/>
von Staatsvermögen durch unerlaubte Mittel, zu welchen denn<lb/>
nicht nur unrechtliche und unſittliche, ſondern auch unpolitiſche<lb/>
gehören. Namentlich darf die Thätigkeit und das Erwerbrecht<lb/>
der Einzelnen nur ſo weit zu Gunſten des Staatsſchatzes be-<lb/>ſchränkt werden, als dies unbedingt nothwendig iſt. — Die<lb/>
Größe der Staatseinnahmen beſtimmt übrigens nichts über die<lb/>
Art des dem Staate gebührenden Vermögens; vielmehr iſt es<lb/>
eine wichtige, wenn ſchon erſt in zweiter Linie ſtehende, Frage,<lb/>
ob das Einkommen des Staates aus den Erträgniſſen eines<lb/>
eigenen, ihm als Geſammtheit angehörigen, Vermögensſtammes<lb/>
fließt, oder ob es durch Beiträge aus dem Gute der einzelnen<lb/>
Bürger zuſammengebracht wird. Die Zweckmäßigkeit eines<lb/>
eigenen Vermögens und ſeiner Größe hängt einer Seits ab<lb/>
von der wirthſchaftlichen Ausbildung des Volkes, anderer Seits<lb/>
aber allerdings, wenigſtens in einigen Fällen, auch von der<lb/>
Art des Staates. In einem Patrimonialſtaate beruht der<lb/>
ganze Organismus des Zuſammenlebens auf der Hausmacht<lb/>
des Fürſten; und hier iſt alſo ein eigenes Vermögen deſſelben<lb/>
unerläßlich. Auch in einer Theokratie wird es zur Macht der<lb/>
regierenden Geiſtlichkeit beitragen, wenn die Kirche ſelbſt großes<lb/>
Vermögen hat. Ein Rechtsſtaat dagegen mag, und zwar in<lb/>
allen ſeinen Formen, mit und ohne Grundſtaat beſtehen und<lb/>
es entſcheidet hier lediglich die volkswirthſchaftliche Rückſicht.</p><lb/><p>Anders wieder ſind die politiſchen Verhältniſſe des <hirendition="#g">Ein-<lb/>
zelr</hi>eichthums. Zwar liegen im Allgemeinen die Vortheile<lb/>
eines bedeutenden und verbreiteten Wohlſtandes der einzelnen<lb/>
Staatsgenoſſen am Tage, und es wird auch demſelben in der<lb/>
Regel keine Grenze geſetzt oder gewünſcht; dennoch ſind auch<lb/>ſchon mannchfach andere Auffaſſungen vorgetreten, zum Theil<lb/>
bei Geſetzgebern, welche den Ruf der höchſten Weisheit ge-<lb/>
nießen. Man hat nämlich, wenigſtens in einzelnen Fällen, das<lb/>
Eigenthum der Privaten durchweg auf einer niederen Stufe<lb/><fwplace="bottom"type="sig">v. <hirendition="#g">Mohl</hi>, Encyclopädie. 38</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[593/0607]
von Staatsvermögen durch unerlaubte Mittel, zu welchen denn
nicht nur unrechtliche und unſittliche, ſondern auch unpolitiſche
gehören. Namentlich darf die Thätigkeit und das Erwerbrecht
der Einzelnen nur ſo weit zu Gunſten des Staatsſchatzes be-
ſchränkt werden, als dies unbedingt nothwendig iſt. — Die
Größe der Staatseinnahmen beſtimmt übrigens nichts über die
Art des dem Staate gebührenden Vermögens; vielmehr iſt es
eine wichtige, wenn ſchon erſt in zweiter Linie ſtehende, Frage,
ob das Einkommen des Staates aus den Erträgniſſen eines
eigenen, ihm als Geſammtheit angehörigen, Vermögensſtammes
fließt, oder ob es durch Beiträge aus dem Gute der einzelnen
Bürger zuſammengebracht wird. Die Zweckmäßigkeit eines
eigenen Vermögens und ſeiner Größe hängt einer Seits ab
von der wirthſchaftlichen Ausbildung des Volkes, anderer Seits
aber allerdings, wenigſtens in einigen Fällen, auch von der
Art des Staates. In einem Patrimonialſtaate beruht der
ganze Organismus des Zuſammenlebens auf der Hausmacht
des Fürſten; und hier iſt alſo ein eigenes Vermögen deſſelben
unerläßlich. Auch in einer Theokratie wird es zur Macht der
regierenden Geiſtlichkeit beitragen, wenn die Kirche ſelbſt großes
Vermögen hat. Ein Rechtsſtaat dagegen mag, und zwar in
allen ſeinen Formen, mit und ohne Grundſtaat beſtehen und
es entſcheidet hier lediglich die volkswirthſchaftliche Rückſicht.
Anders wieder ſind die politiſchen Verhältniſſe des Ein-
zelreichthums. Zwar liegen im Allgemeinen die Vortheile
eines bedeutenden und verbreiteten Wohlſtandes der einzelnen
Staatsgenoſſen am Tage, und es wird auch demſelben in der
Regel keine Grenze geſetzt oder gewünſcht; dennoch ſind auch
ſchon mannchfach andere Auffaſſungen vorgetreten, zum Theil
bei Geſetzgebern, welche den Ruf der höchſten Weisheit ge-
nießen. Man hat nämlich, wenigſtens in einzelnen Fällen, das
Eigenthum der Privaten durchweg auf einer niederen Stufe
v. Mohl, Encyclopädie. 38
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/607>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.