allerdings Verschwendung des Fürsten oder eine sehr reichliche Bezahlung seiner einzigen Stütze, der bewaffneten Macht, For- derungen erzeugen, welche bis zur Erschöpfung aller Hülfs- quellen gehen. Bedeutend dagegen sind die Bedürfnisse einer Theokratie, weil einer Seits der Cultus und eine beherrschende Stellung der Priester große Summen kostet, und anderer Seits der Grundgedanke des Staates wohl verträglich ist mit der Befriedigung mancher höheren Lebenszwecke, z. B. mit Pflege der Kunst. In dem Gedanken des klassischen Staates lag ein Maßstab des öffentlichen Aufwandes an sich nicht, sondern es wurde die Größe der Ausgaben, und somit auch der erforder- lichen Einnahmen, erst durch die besondere Richtung und Ge- sittigungsstufe des gemeinschaftlich lebenden Volkes bestimmt. Bei kostspieligen Steigerungen, wie namentlich künstlerischen, konnte die Ausgabe sehr hoch sein, während einfacher lebende und rohere Völker sich mit Wenigem begnügten. Jeden Falles am höchsten gespannt sind die Ansprüche an die Größe des Staatseinkommens in dem modernen Rechtsstaate wegen der Vielseitigkeit seiner Leistungen; und hier mag man wohl den Satz aufstellen, daß das Staatsvermögen kaum groß genug sein könne. Auch darf hier mit Sicherheit auf stetig wachsende Forderungen gezählt werden. Die sich, namentlich durch Staatsförderung, steigernde Gesittigung des Volkes verlangt auch eine entsprechende Zunahme des Staatsvermögens, weil jede weitere Ausbildung des Menschen neue Forderungen von Leistungen des Staates zur Folge hat 9). Nur muß aller- dings vor doppeltem Mißverständnisse gewarnt werden. -- Einmal vor der Verwechselung, oder wenigstens Gleichstellung, des für die Person des Staatsoberhauptes bestimmten Einkommens mit dem Staatsvermögen. Jenes hat eine Grenze, über welche hinaus eine Vermehrung nicht nur nicht nöthig oder zweckmäßig, sondern sogar schädlich ist. -- Zweitens aber vor der Erwerbung
allerdings Verſchwendung des Fürſten oder eine ſehr reichliche Bezahlung ſeiner einzigen Stütze, der bewaffneten Macht, For- derungen erzeugen, welche bis zur Erſchöpfung aller Hülfs- quellen gehen. Bedeutend dagegen ſind die Bedürfniſſe einer Theokratie, weil einer Seits der Cultus und eine beherrſchende Stellung der Prieſter große Summen koſtet, und anderer Seits der Grundgedanke des Staates wohl verträglich iſt mit der Befriedigung mancher höheren Lebenszwecke, z. B. mit Pflege der Kunſt. In dem Gedanken des klaſſiſchen Staates lag ein Maßſtab des öffentlichen Aufwandes an ſich nicht, ſondern es wurde die Größe der Ausgaben, und ſomit auch der erforder- lichen Einnahmen, erſt durch die beſondere Richtung und Ge- ſittigungsſtufe des gemeinſchaftlich lebenden Volkes beſtimmt. Bei koſtſpieligen Steigerungen, wie namentlich künſtleriſchen, konnte die Ausgabe ſehr hoch ſein, während einfacher lebende und rohere Völker ſich mit Wenigem begnügten. Jeden Falles am höchſten geſpannt ſind die Anſprüche an die Größe des Staatseinkommens in dem modernen Rechtsſtaate wegen der Vielſeitigkeit ſeiner Leiſtungen; und hier mag man wohl den Satz aufſtellen, daß das Staatsvermögen kaum groß genug ſein könne. Auch darf hier mit Sicherheit auf ſtetig wachſende Forderungen gezählt werden. Die ſich, namentlich durch Staatsförderung, ſteigernde Geſittigung des Volkes verlangt auch eine entſprechende Zunahme des Staatsvermögens, weil jede weitere Ausbildung des Menſchen neue Forderungen von Leiſtungen des Staates zur Folge hat 9). Nur muß aller- dings vor doppeltem Mißverſtändniſſe gewarnt werden. — Einmal vor der Verwechſelung, oder wenigſtens Gleichſtellung, des für die Perſon des Staatsoberhauptes beſtimmten Einkommens mit dem Staatsvermögen. Jenes hat eine Grenze, über welche hinaus eine Vermehrung nicht nur nicht nöthig oder zweckmäßig, ſondern ſogar ſchädlich iſt. — Zweitens aber vor der Erwerbung
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allerdings Verſchwendung des Fürſten oder eine ſehr reichliche
Bezahlung ſeiner einzigen Stütze, der bewaffneten Macht, For-
derungen erzeugen, welche bis zur Erſchöpfung aller Hülfs-
quellen gehen. Bedeutend dagegen ſind die Bedürfniſſe einer
Theokratie, weil einer Seits der Cultus und eine beherrſchende
Stellung der Prieſter große Summen koſtet, und anderer Seits
der Grundgedanke des Staates wohl verträglich iſt mit der
Befriedigung mancher höheren Lebenszwecke, z. B. mit Pflege
der Kunſt. In dem Gedanken des klaſſiſchen Staates lag ein
Maßſtab des öffentlichen Aufwandes an ſich nicht, ſondern es
wurde die Größe der Ausgaben, und ſomit auch der erforder-
lichen Einnahmen, erſt durch die beſondere Richtung und Ge-
ſittigungsſtufe des gemeinſchaftlich lebenden Volkes beſtimmt.
Bei koſtſpieligen Steigerungen, wie namentlich künſtleriſchen,
konnte die Ausgabe ſehr hoch ſein, während einfacher lebende
und rohere Völker ſich mit Wenigem begnügten. Jeden Falles
am höchſten geſpannt ſind die Anſprüche an die Größe des
Staatseinkommens in dem modernen Rechtsſtaate wegen der
Vielſeitigkeit ſeiner Leiſtungen; und hier mag man wohl den
Satz aufſtellen, daß das Staatsvermögen kaum groß genug
ſein könne. Auch darf hier mit Sicherheit auf ſtetig wachſende
Forderungen gezählt werden. Die ſich, namentlich durch
Staatsförderung, ſteigernde Geſittigung des Volkes verlangt
auch eine entſprechende Zunahme des Staatsvermögens, weil
jede weitere Ausbildung des Menſchen neue Forderungen
von Leiſtungen des Staates zur Folge hat 9). Nur muß aller-
dings vor doppeltem Mißverſtändniſſe gewarnt werden. — Einmal
vor der Verwechſelung, oder wenigſtens Gleichſtellung, des für
die Perſon des Staatsoberhauptes beſtimmten Einkommens mit
dem Staatsvermögen. Jenes hat eine Grenze, über welche
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ſondern ſogar ſchädlich iſt. — Zweitens aber vor der Erwerbung
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/606>, abgerufen am 24.11.2024.
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