Errichtung von Bundesstaaten, welche wenigstens in manchen und hauptsächlichen Beziehungen Einheit schaffen.
3. Die Art und die Höhe der geistigen Bildung der Bevölkerung ist von doppelter Bedeutung für die Staats- kunst. -- Einer Seits wegen des Einflusses, welchen dieselbe auf die Forderungen hinsichtlich der Gestaltung des gesammten Staatswesens hat. Die Lebenszwecke eines Volkes werden durch seine Gesittigung wo nicht ausschließlich so doch wesentlich bestimmt; und es ist also nicht blos Forderung des Rechtes, die Gattung und die Art der Staatseinrichtung danach zu ordnen, sondern ebenso sehr eine Aufgabe für die Staatsklug- heit, einer solchen Forderung zur richtigen Zeit und vollständig gerecht zu werden. Ein mit der Bildung der Bevölkerung nicht im Einklange befindlicher Staatsorganismus ist eine beständige Quelle bitterer Unzufriedenheit, sei es nun, daß der Staat in seinen Leistungen zurückbleibt hinter den Bedürfnissen, sei es daß er gar von einem wesentlich verschiedenen Lebensgedanken ausgeht und diesen darzustellen sucht. Leicht steigert sich bei fortgesetzter Festhaltung an dem Falschen und bei Hoffnungs- losigkeit, die gerechtfertigten Wünsche erreichen zu können, der Unmuth bis zu offenem Widerstande und zu gewaltsamem Umsturze. Jeden Falles verzehrt die Aufrechterhaltung des aufgedrungenen Zustandes die besten Kräfte in unfruchtbarem Kampfe und mit Beeinträchtigung der nothwendigen und nütz- lichen Leistungen. -- Sodann aber sind die vorhandenen geistigen Kräfte und Fähigkeiten unentbehrliche Mittel zu Erreichung der Staatszwecke. Die sittliche Bildung ist die festeste Grund- lage eines gesunden Familienlebens und von großer Bedeutung für die Gesellschaft; somit denn auch für den Staat. Je höher aber die Staatszwecke gesteckt sind und je ausgebildeter der Staatsorganismus ist, desto mehr geistige Kräfte nimmt er auch in Anspruch. Steigerung der Volksbildung und staatliches
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Errichtung von Bundesſtaaten, welche wenigſtens in manchen und hauptſächlichen Beziehungen Einheit ſchaffen.
3. Die Art und die Höhe der geiſtigen Bildung der Bevölkerung iſt von doppelter Bedeutung für die Staats- kunſt. — Einer Seits wegen des Einfluſſes, welchen dieſelbe auf die Forderungen hinſichtlich der Geſtaltung des geſammten Staatsweſens hat. Die Lebenszwecke eines Volkes werden durch ſeine Geſittigung wo nicht ausſchließlich ſo doch weſentlich beſtimmt; und es iſt alſo nicht blos Forderung des Rechtes, die Gattung und die Art der Staatseinrichtung danach zu ordnen, ſondern ebenſo ſehr eine Aufgabe für die Staatsklug- heit, einer ſolchen Forderung zur richtigen Zeit und vollſtändig gerecht zu werden. Ein mit der Bildung der Bevölkerung nicht im Einklange befindlicher Staatsorganismus iſt eine beſtändige Quelle bitterer Unzufriedenheit, ſei es nun, daß der Staat in ſeinen Leiſtungen zurückbleibt hinter den Bedürfniſſen, ſei es daß er gar von einem weſentlich verſchiedenen Lebensgedanken ausgeht und dieſen darzuſtellen ſucht. Leicht ſteigert ſich bei fortgeſetzter Feſthaltung an dem Falſchen und bei Hoffnungs- loſigkeit, die gerechtfertigten Wünſche erreichen zu können, der Unmuth bis zu offenem Widerſtande und zu gewaltſamem Umſturze. Jeden Falles verzehrt die Aufrechterhaltung des aufgedrungenen Zuſtandes die beſten Kräfte in unfruchtbarem Kampfe und mit Beeinträchtigung der nothwendigen und nütz- lichen Leiſtungen. — Sodann aber ſind die vorhandenen geiſtigen Kräfte und Fähigkeiten unentbehrliche Mittel zu Erreichung der Staatszwecke. Die ſittliche Bildung iſt die feſteſte Grund- lage eines geſunden Familienlebens und von großer Bedeutung für die Geſellſchaft; ſomit denn auch für den Staat. Je höher aber die Staatszwecke geſteckt ſind und je ausgebildeter der Staatsorganismus iſt, deſto mehr geiſtige Kräfte nimmt er auch in Anſpruch. Steigerung der Volksbildung und ſtaatliches
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Errichtung von Bundesſtaaten, welche wenigſtens in manchen
und hauptſächlichen Beziehungen Einheit ſchaffen.
3. Die Art und die Höhe der geiſtigen Bildung
der Bevölkerung iſt von doppelter Bedeutung für die Staats-
kunſt. — Einer Seits wegen des Einfluſſes, welchen dieſelbe
auf die Forderungen hinſichtlich der Geſtaltung des geſammten
Staatsweſens hat. Die Lebenszwecke eines Volkes werden durch
ſeine Geſittigung wo nicht ausſchließlich ſo doch weſentlich
beſtimmt; und es iſt alſo nicht blos Forderung des Rechtes,
die Gattung und die Art der Staatseinrichtung danach zu
ordnen, ſondern ebenſo ſehr eine Aufgabe für die Staatsklug-
heit, einer ſolchen Forderung zur richtigen Zeit und vollſtändig
gerecht zu werden. Ein mit der Bildung der Bevölkerung nicht
im Einklange befindlicher Staatsorganismus iſt eine beſtändige
Quelle bitterer Unzufriedenheit, ſei es nun, daß der Staat in
ſeinen Leiſtungen zurückbleibt hinter den Bedürfniſſen, ſei es
daß er gar von einem weſentlich verſchiedenen Lebensgedanken
ausgeht und dieſen darzuſtellen ſucht. Leicht ſteigert ſich bei
fortgeſetzter Feſthaltung an dem Falſchen und bei Hoffnungs-
loſigkeit, die gerechtfertigten Wünſche erreichen zu können, der
Unmuth bis zu offenem Widerſtande und zu gewaltſamem
Umſturze. Jeden Falles verzehrt die Aufrechterhaltung des
aufgedrungenen Zuſtandes die beſten Kräfte in unfruchtbarem
Kampfe und mit Beeinträchtigung der nothwendigen und nütz-
lichen Leiſtungen. — Sodann aber ſind die vorhandenen geiſtigen
Kräfte und Fähigkeiten unentbehrliche Mittel zu Erreichung
der Staatszwecke. Die ſittliche Bildung iſt die feſteſte Grund-
lage eines geſunden Familienlebens und von großer Bedeutung
für die Geſellſchaft; ſomit denn auch für den Staat. Je höher
aber die Staatszwecke geſteckt ſind und je ausgebildeter der
Staatsorganismus iſt, deſto mehr geiſtige Kräfte nimmt er
auch in Anſpruch. Steigerung der Volksbildung und ſtaatliches
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/593>, abgerufen am 24.11.2024.
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