beziehen, und aus welchen sowohl der gegenwärtige Zustand nach allen Seiten hin, als auch die wahrscheinliche künftige Entwickelung derselben ersehen werden mag. Es ist diese Kenntniß zu einer eigenen Wissenschaft, zu der Bevölkerungs- wissenschaft, ausgebildet worden, welche zwar nicht selbst in die Reihen der Staatswissenschaften gehört, aber, etwa wie die Volkswirthschaftslehre, zu ihren unentbehrlichsten Voraus- setzungen 4).
2. Ebenfalls von großer politischer Wichtigkeit sind die Abstammungsverhältnisse der Bevölkerung. -- Schon die Race und der Stamm, welchen das Volk angehört, ist nichts weniger als gleichgültig. Wenn auch die Behauptung unrichtig ist, das einzelne Abtheilungen des Menschengeschlechtes der natürlichen Anlagen zu höherer Gesittigung und zur selbst- ständigen Besorgung ihrer Angelegenheiten entbehren, also jeden Falles zu jeder staatlichen Einrichtung unfähig seien: so ist doch eine große Verschiedenheit der Geisteskräfte und Neigungen unter den Racen und Stämmen unläugbar. Es ist also Auf- gabe der Staatskunst, die angeborenen Eigenschaften jedes Volkes genau zu erkunden und nur die denselben entsprechen- den staatlichen Einrichtungen anzustreben. Rücksichtslosigkeit in dieser Beziehung muß bleibendes Unbehagen, auf die Dauer Verkümmerung eines Volkes hervorrufen 5). -- Es sind aber auch noch zwei andere Erwägungen, welche schwer in die Wagschaale fallen. Erstens, ob die gesammte Bevölkerung des Staates einem und demselben Stamme angehört, oder ob sie aus verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt ist. Zweitens aber, ob der den Staat bewohnende Stamm vollkommen auch in ihm aufgeht, oder ob etwa Theile desselben in anderen Staaten leben.
Von großem Vortheile ist die Stammeseinheit einer Be- völkerung, insoferne sich hier bei gleichen natürlichen Anlagen,
beziehen, und aus welchen ſowohl der gegenwärtige Zuſtand nach allen Seiten hin, als auch die wahrſcheinliche künftige Entwickelung derſelben erſehen werden mag. Es iſt dieſe Kenntniß zu einer eigenen Wiſſenſchaft, zu der Bevölkerungs- wiſſenſchaft, ausgebildet worden, welche zwar nicht ſelbſt in die Reihen der Staatswiſſenſchaften gehört, aber, etwa wie die Volkswirthſchaftslehre, zu ihren unentbehrlichſten Voraus- ſetzungen 4).
2. Ebenfalls von großer politiſcher Wichtigkeit ſind die Abſtammungsverhältniſſe der Bevölkerung. — Schon die Race und der Stamm, welchen das Volk angehört, iſt nichts weniger als gleichgültig. Wenn auch die Behauptung unrichtig iſt, das einzelne Abtheilungen des Menſchengeſchlechtes der natürlichen Anlagen zu höherer Geſittigung und zur ſelbſt- ſtändigen Beſorgung ihrer Angelegenheiten entbehren, alſo jeden Falles zu jeder ſtaatlichen Einrichtung unfähig ſeien: ſo iſt doch eine große Verſchiedenheit der Geiſteskräfte und Neigungen unter den Racen und Stämmen unläugbar. Es iſt alſo Auf- gabe der Staatskunſt, die angeborenen Eigenſchaften jedes Volkes genau zu erkunden und nur die denſelben entſprechen- den ſtaatlichen Einrichtungen anzuſtreben. Rückſichtsloſigkeit in dieſer Beziehung muß bleibendes Unbehagen, auf die Dauer Verkümmerung eines Volkes hervorrufen 5). — Es ſind aber auch noch zwei andere Erwägungen, welche ſchwer in die Wagſchaale fallen. Erſtens, ob die geſammte Bevölkerung des Staates einem und demſelben Stamme angehört, oder ob ſie aus verſchiedenen Nationalitäten zuſammengeſetzt iſt. Zweitens aber, ob der den Staat bewohnende Stamm vollkommen auch in ihm aufgeht, oder ob etwa Theile deſſelben in anderen Staaten leben.
Von großem Vortheile iſt die Stammeseinheit einer Be- völkerung, inſoferne ſich hier bei gleichen natürlichen Anlagen,
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beziehen, und aus welchen ſowohl der gegenwärtige Zuſtand
nach allen Seiten hin, als auch die wahrſcheinliche künftige
Entwickelung derſelben erſehen werden mag. Es iſt dieſe
Kenntniß zu einer eigenen Wiſſenſchaft, zu der Bevölkerungs-
wiſſenſchaft, ausgebildet worden, welche zwar nicht ſelbſt
in die Reihen der Staatswiſſenſchaften gehört, aber, etwa wie
die Volkswirthſchaftslehre, zu ihren unentbehrlichſten Voraus-
ſetzungen 4).
2. Ebenfalls von großer politiſcher Wichtigkeit ſind die
Abſtammungsverhältniſſe der Bevölkerung. — Schon
die Race und der Stamm, welchen das Volk angehört, iſt
nichts weniger als gleichgültig. Wenn auch die Behauptung
unrichtig iſt, das einzelne Abtheilungen des Menſchengeſchlechtes
der natürlichen Anlagen zu höherer Geſittigung und zur ſelbſt-
ſtändigen Beſorgung ihrer Angelegenheiten entbehren, alſo jeden
Falles zu jeder ſtaatlichen Einrichtung unfähig ſeien: ſo iſt doch
eine große Verſchiedenheit der Geiſteskräfte und Neigungen
unter den Racen und Stämmen unläugbar. Es iſt alſo Auf-
gabe der Staatskunſt, die angeborenen Eigenſchaften jedes
Volkes genau zu erkunden und nur die denſelben entſprechen-
den ſtaatlichen Einrichtungen anzuſtreben. Rückſichtsloſigkeit
in dieſer Beziehung muß bleibendes Unbehagen, auf die Dauer
Verkümmerung eines Volkes hervorrufen 5). — Es ſind aber
auch noch zwei andere Erwägungen, welche ſchwer in die
Wagſchaale fallen. Erſtens, ob die geſammte Bevölkerung des
Staates einem und demſelben Stamme angehört, oder ob ſie
aus verſchiedenen Nationalitäten zuſammengeſetzt iſt. Zweitens
aber, ob der den Staat bewohnende Stamm vollkommen auch
in ihm aufgeht, oder ob etwa Theile deſſelben in anderen
Staaten leben.
Von großem Vortheile iſt die Stammeseinheit einer Be-
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/590>, abgerufen am 24.11.2024.
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