beifügt. Durch eine Theilung zersplittert sich die Macht gegen Außen und vermindert sich die Fähigkeit zur Erreichung allge- meiner Zwecke im Innern bei gleichzeitiger Vermehrung der Lasten der Unterthanen. Sie ist ein politischer Selbstmord, welchem glücklicherweise nicht nur das Interesse der Unterthanen, sondern auch das der Regierenden entgegen ist. Nur in seltenen Fällen kann aus Zweckmäßigkeitsgründen von der Trennung eines bisher ein- heitlichen Staates in mehrere von einander unabhängige Länder die Rede sein, nämlich wenn ein Reich über die oben angedeuteten möglichen Grenzen der Uebersicht und einheitliche Berwaltung hinaus ausgedehnt ist; sodann wenn Kolonieen in Bevölkerung, Wohlstand und Selbstständigkeitssinn weit genug vorgeschritten sind, um das Bedürfniß zur Lostrennung vom Mutterlande lebhaft zu empfin- den; endlich vielleicht, wenn alle Bemühungen, verschiedene je in eigenen Stammlanden ansässige Nationalitäten zu einem einheitlichen Ganzen oder wenigstens zu einem friedlichen Neben- einanderbestehen zu vereinigen, gescheitert sind. -- Dafür aller- dings ist zu sorgen, daß nicht eine zweckmäßige Detail-Rege- lung der Grenzen oder sonst vortheilhafte kleinere Abtretungen und Austauschungen durch allzu unbedingtes Verbot von Ge- bietsveräußerung rechtlich unmöglich gemacht werden.
1) Die Literatur über die Gebietsverhältnisse der Staaten ist, trotz der offenbaren Wichtigkeit der Sache und trotzdem daß sich in der Wirklichkeit ein großer Theil der auswärtigen Politik nur um Gebietsverhältnisse dreht, doch weder sehr zahlreich noch sehr bedeutend. Die meiste Beachtung ver- dienen noch: Die Erdbeziehung der Staaten. München, 1821. -- Etudes de geographie, appliquees a la politique. Par., 1826. -- Ueber das physische Element der Bildung und der Wechselverhältnisse der Staaten. Stuttg., 1833. -- Cotta, B., Deutschlands Boden und dessen Einwir- kungen auf das Leben der Menschen. Leipz., 1854. -- Manche geistreiche aber zerrissene Bemerkungen über das Verhältniß der Erdbeschaffenheit zu den Menschen und den Staaten giebt auch Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate, Bd. II, S. 43 fg. -- Sehr belehrend ist allerdings auch für rein politische Zwecke das Studium der Erdkunde, wie sich diese, vor allen durch
beifügt. Durch eine Theilung zerſplittert ſich die Macht gegen Außen und vermindert ſich die Fähigkeit zur Erreichung allge- meiner Zwecke im Innern bei gleichzeitiger Vermehrung der Laſten der Unterthanen. Sie iſt ein politiſcher Selbſtmord, welchem glücklicherweiſe nicht nur das Intereſſe der Unterthanen, ſondern auch das der Regierenden entgegen iſt. Nur in ſeltenen Fällen kann aus Zweckmäßigkeitsgründen von der Trennung eines bisher ein- heitlichen Staates in mehrere von einander unabhängige Länder die Rede ſein, nämlich wenn ein Reich über die oben angedeuteten möglichen Grenzen der Ueberſicht und einheitliche Berwaltung hinaus ausgedehnt iſt; ſodann wenn Kolonieen in Bevölkerung, Wohlſtand und Selbſtſtändigkeitsſinn weit genug vorgeſchritten ſind, um das Bedürfniß zur Lostrennung vom Mutterlande lebhaft zu empfin- den; endlich vielleicht, wenn alle Bemühungen, verſchiedene je in eigenen Stammlanden anſäſſige Nationalitäten zu einem einheitlichen Ganzen oder wenigſtens zu einem friedlichen Neben- einanderbeſtehen zu vereinigen, geſcheitert ſind. — Dafür aller- dings iſt zu ſorgen, daß nicht eine zweckmäßige Detail-Rege- lung der Grenzen oder ſonſt vortheilhafte kleinere Abtretungen und Austauſchungen durch allzu unbedingtes Verbot von Ge- bietsveräußerung rechtlich unmöglich gemacht werden.
1) Die Literatur über die Gebietsverhältniſſe der Staaten iſt, trotz der offenbaren Wichtigkeit der Sache und trotzdem daß ſich in der Wirklichkeit ein großer Theil der auswärtigen Politik nur um Gebietsverhältniſſe dreht, doch weder ſehr zahlreich noch ſehr bedeutend. Die meiſte Beachtung ver- dienen noch: Die Erdbeziehung der Staaten. München, 1821. — Études de géographie, appliquées à la politique. Par., 1826. — Ueber das phyſiſche Element der Bildung und der Wechſelverhältniſſe der Staaten. Stuttg., 1833. — Cotta, B., Deutſchlands Boden und deſſen Einwir- kungen auf das Leben der Menſchen. Leipz., 1854. — Manche geiſtreiche aber zerriſſene Bemerkungen über das Verhältniß der Erdbeſchaffenheit zu den Menſchen und den Staaten giebt auch Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate, Bd. II, S. 43 fg. — Sehr belehrend iſt allerdings auch für rein politiſche Zwecke das Studium der Erdkunde, wie ſich dieſe, vor allen durch
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beifügt. Durch eine Theilung zerſplittert ſich die Macht gegen
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Laſten der Unterthanen. Sie iſt ein politiſcher Selbſtmord, welchem
glücklicherweiſe nicht nur das Intereſſe der Unterthanen, ſondern
auch das der Regierenden entgegen iſt. Nur in ſeltenen Fällen kann
aus Zweckmäßigkeitsgründen von der Trennung eines bisher ein-
heitlichen Staates in mehrere von einander unabhängige Länder
die Rede ſein, nämlich wenn ein Reich über die oben angedeuteten
möglichen Grenzen der Ueberſicht und einheitliche Berwaltung hinaus
ausgedehnt iſt; ſodann wenn Kolonieen in Bevölkerung, Wohlſtand
und Selbſtſtändigkeitsſinn weit genug vorgeſchritten ſind, um das
Bedürfniß zur Lostrennung vom Mutterlande lebhaft zu empfin-
den; endlich vielleicht, wenn alle Bemühungen, verſchiedene je
in eigenen Stammlanden anſäſſige Nationalitäten zu einem
einheitlichen Ganzen oder wenigſtens zu einem friedlichen Neben-
einanderbeſtehen zu vereinigen, geſcheitert ſind. — Dafür aller-
dings iſt zu ſorgen, daß nicht eine zweckmäßige Detail-Rege-
lung der Grenzen oder ſonſt vortheilhafte kleinere Abtretungen
und Austauſchungen durch allzu unbedingtes Verbot von Ge-
bietsveräußerung rechtlich unmöglich gemacht werden.
¹⁾ Die Literatur über die Gebietsverhältniſſe der Staaten iſt, trotz der
offenbaren Wichtigkeit der Sache und trotzdem daß ſich in der Wirklichkeit
ein großer Theil der auswärtigen Politik nur um Gebietsverhältniſſe dreht,
doch weder ſehr zahlreich noch ſehr bedeutend. Die meiſte Beachtung ver-
dienen noch: Die Erdbeziehung der Staaten. München, 1821. — Études
de géographie, appliquées à la politique. Par., 1826. — Ueber das
phyſiſche Element der Bildung und der Wechſelverhältniſſe der Staaten.
Stuttg., 1833. — Cotta, B., Deutſchlands Boden und deſſen Einwir-
kungen auf das Leben der Menſchen. Leipz., 1854. — Manche geiſtreiche
aber zerriſſene Bemerkungen über das Verhältniß der Erdbeſchaffenheit zu
den Menſchen und den Staaten giebt auch Zachariä, Vierzig Bücher vom
Staate, Bd. II, S. 43 fg. — Sehr belehrend iſt allerdings auch für rein
politiſche Zwecke das Studium der Erdkunde, wie ſich dieſe, vor allen durch
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/583>, abgerufen am 24.11.2024.
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