berufen und dasselbe nöthigen Falles mit Gewalt durchführen, wenn er selbst, da wo es ihm augenblicklich taugte, dasselbe mit Füßen träte? Ein solcher Widerspruch in der eigenen Hand- lungsweise könnte nur seine Berechtigung in ihren Grund- lagen schwächen, und ein allgemeines Raub- und Betrugsystem an die Stelle der ewigen Ordnung setzen. -- Endlich bedarf es nicht erst eines Beweises, daß die allgemeinen Gesetze für das menschliche Handeln auch für das Zusammenleben der Menschen gelten, und daß das, was der Einzelne für sich nicht thun darf, auch nicht von Mehreren und für Mehrere geschehen kann. Vielmehr muß die Ansicht auch in dieser Frage festge- halten werden, daß das organisirte Zusammenleben der Menschen dieselben auf eine höhere Stufe der Entwickelung aller ihrer Kräfte und Zwecke stellt; und wenn also je ein Unterschied in der Gültigkeit der Rechts- und Sittengesetze stattfindet in dem Leben des Einzelnen und in dem Gesammtleben des Staates, so kann dieser nur darin bestehen, daß an die höhere Stufe des menschlichen Daseins auch noch höhere und rechtliche sittliche Forderungen gemacht werden.
Es mag sich also immerhin begeben, daß in einem be- stimmten einzelnen Falle durch Verletzung des Rechtes oder der Sittlichkeit ein größerer sachlicher Vortheil erreicht werden könnte, als durch deren Beobachtung; allein ein solches Verfahren ist eben unbedingt unerlaubt, und kann daher auch nicht als das zweckmäßigste empfohlen werden. Der Unterschied in der An- strengung oder im schließlichen Gewinne ändern hierin nichts; und es ist daher höchstens noch als ein Nebengrund anzuführen, daß eine unrechtliche und unsittliche Politik wenigstens auf die Dauer und in ihren mittelbaren Folgen auch eine schlechte ist, nämlich Nachtheile im Gefolge hat, welche den unmittel- baren Gewinn der Schlechtigkeit überwiegen. Zur richtigen
v. Mohl, Encyclopädie. 35
berufen und daſſelbe nöthigen Falles mit Gewalt durchführen, wenn er ſelbſt, da wo es ihm augenblicklich taugte, daſſelbe mit Füßen träte? Ein ſolcher Widerſpruch in der eigenen Hand- lungsweiſe könnte nur ſeine Berechtigung in ihren Grund- lagen ſchwächen, und ein allgemeines Raub- und Betrugſyſtem an die Stelle der ewigen Ordnung ſetzen. — Endlich bedarf es nicht erſt eines Beweiſes, daß die allgemeinen Geſetze für das menſchliche Handeln auch für das Zuſammenleben der Menſchen gelten, und daß das, was der Einzelne für ſich nicht thun darf, auch nicht von Mehreren und für Mehrere geſchehen kann. Vielmehr muß die Anſicht auch in dieſer Frage feſtge- halten werden, daß das organiſirte Zuſammenleben der Menſchen dieſelben auf eine höhere Stufe der Entwickelung aller ihrer Kräfte und Zwecke ſtellt; und wenn alſo je ein Unterſchied in der Gültigkeit der Rechts- und Sittengeſetze ſtattfindet in dem Leben des Einzelnen und in dem Geſammtleben des Staates, ſo kann dieſer nur darin beſtehen, daß an die höhere Stufe des menſchlichen Daſeins auch noch höhere und rechtliche ſittliche Forderungen gemacht werden.
Es mag ſich alſo immerhin begeben, daß in einem be- ſtimmten einzelnen Falle durch Verletzung des Rechtes oder der Sittlichkeit ein größerer ſachlicher Vortheil erreicht werden könnte, als durch deren Beobachtung; allein ein ſolches Verfahren iſt eben unbedingt unerlaubt, und kann daher auch nicht als das zweckmäßigſte empfohlen werden. Der Unterſchied in der An- ſtrengung oder im ſchließlichen Gewinne ändern hierin nichts; und es iſt daher höchſtens noch als ein Nebengrund anzuführen, daß eine unrechtliche und unſittliche Politik wenigſtens auf die Dauer und in ihren mittelbaren Folgen auch eine ſchlechte iſt, nämlich Nachtheile im Gefolge hat, welche den unmittel- baren Gewinn der Schlechtigkeit überwiegen. Zur richtigen
v. Mohl, Encyclopädie. 35
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wenn er ſelbſt, da wo es ihm augenblicklich taugte, daſſelbe
mit Füßen träte? Ein ſolcher Widerſpruch in der eigenen Hand-
lungsweiſe könnte nur ſeine Berechtigung in ihren Grund-
lagen ſchwächen, und ein allgemeines Raub- und Betrugſyſtem
an die Stelle der ewigen Ordnung ſetzen. — Endlich bedarf
es nicht erſt eines Beweiſes, daß die allgemeinen Geſetze für
das menſchliche Handeln auch für das Zuſammenleben der
Menſchen gelten, und daß das, was der Einzelne für ſich nicht
thun darf, auch nicht von Mehreren und für Mehrere geſchehen
kann. Vielmehr muß die Anſicht auch in dieſer Frage feſtge-
halten werden, daß das organiſirte Zuſammenleben der Menſchen
dieſelben auf eine höhere Stufe der Entwickelung aller ihrer
Kräfte und Zwecke ſtellt; und wenn alſo je ein Unterſchied in
der Gültigkeit der Rechts- und Sittengeſetze ſtattfindet in dem
Leben des Einzelnen und in dem Geſammtleben des Staates,
ſo kann dieſer nur darin beſtehen, daß an die höhere Stufe des
menſchlichen Daſeins auch noch höhere und rechtliche ſittliche
Forderungen gemacht werden.
Es mag ſich alſo immerhin begeben, daß in einem be-
ſtimmten einzelnen Falle durch Verletzung des Rechtes oder der
Sittlichkeit ein größerer ſachlicher Vortheil erreicht werden könnte,
als durch deren Beobachtung; allein ein ſolches Verfahren iſt
eben unbedingt unerlaubt, und kann daher auch nicht als das
zweckmäßigſte empfohlen werden. Der Unterſchied in der An-
ſtrengung oder im ſchließlichen Gewinne ändern hierin nichts;
und es iſt daher höchſtens noch als ein Nebengrund anzuführen,
daß eine unrechtliche und unſittliche Politik wenigſtens auf die
Dauer und in ihren mittelbaren Folgen auch eine ſchlechte
iſt, nämlich Nachtheile im Gefolge hat, welche den unmittel-
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/559>, abgerufen am 24.11.2024.
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