ertheilen könne, welche mit den Grundsätzen der übrigen dog- matischen Staatswissenschaften sich nicht vereinigen lassen, ja daß sogar ihr Wesen in dieser Verschiedenheit der Auffassung bestehe.
Dies ist denn ein handgreiflicher Irrthum, und jene that- sächliche Handlungsweise verdient Tadel, nicht aber Empfehlung. -- Schon logisch kann von einem Widerspruche der Lehren der Politik und des Rechtes und der Moral nicht die Rede sein. Wenn nämlich jene die Wissenschaft von den Staatsmitteln ist, d. h. wenn sie anzugeben hat, auf welche Weise am zweck- mäßigsten die feststehenden Aufgaben des Staates erreicht werden können; wenn ferner diese Aufgaben unzweifelhaft durch das Recht und durch das Sittengesetz bestimmt sind: so ist es ja ein völliger Widerspruch in sich, solche Ausführungsmittel als die zweckmäßigsten zu empfehlen, welche die Aufgaben zerstören, zu deren Lösung sie bestimmt sind. Zweckmäßig kann ein Mittel schon nach den Gesetzen des Denkens nur dann sein, wenn es nach Geist und Richtung mit der Aufgabe überein- stimmt. -- Ein Widerspruch darf aber auch aus dem ferneren Grunde nicht zugelassen werden, weil die Leitung einer so ver- wickelten Anstalt, wie der Staat ist, nur dann ohne Verwir- rung vor sich gehen kann, wenn eine innere Uebereinstimmung zwischen den verschiedenen Theilen und eine Gleichförmigkeit in der Handlungsweise stattfindet. Nicht nur würden da, wo in dem einen Falle das Recht und die Sittlichkeit als die leitenden Normen aufgestellt, in einem anderen Falle aber die Erreichung von Gewinn mit bewußter Verletzung dieser Grundsätze verfolgt wäre, die Leistungen des Staatsorganismus ganz unvereinbar unter sich sein, sondern es müßten auch sowohl die Beamten des Staates als die Bürger in eine unlösbare Verwirrung gestürzt werden, hinsichtlich dessen, was sie zu leisten und zu fordern hätten. Wie wollte sich der Staat auf sein Recht
ertheilen könne, welche mit den Grundſätzen der übrigen dog- matiſchen Staatswiſſenſchaften ſich nicht vereinigen laſſen, ja daß ſogar ihr Weſen in dieſer Verſchiedenheit der Auffaſſung beſtehe.
Dies iſt denn ein handgreiflicher Irrthum, und jene that- ſächliche Handlungsweiſe verdient Tadel, nicht aber Empfehlung. — Schon logiſch kann von einem Widerſpruche der Lehren der Politik und des Rechtes und der Moral nicht die Rede ſein. Wenn nämlich jene die Wiſſenſchaft von den Staatsmitteln iſt, d. h. wenn ſie anzugeben hat, auf welche Weiſe am zweck- mäßigſten die feſtſtehenden Aufgaben des Staates erreicht werden können; wenn ferner dieſe Aufgaben unzweifelhaft durch das Recht und durch das Sittengeſetz beſtimmt ſind: ſo iſt es ja ein völliger Widerſpruch in ſich, ſolche Ausführungsmittel als die zweckmäßigſten zu empfehlen, welche die Aufgaben zerſtören, zu deren Löſung ſie beſtimmt ſind. Zweckmäßig kann ein Mittel ſchon nach den Geſetzen des Denkens nur dann ſein, wenn es nach Geiſt und Richtung mit der Aufgabe überein- ſtimmt. — Ein Widerſpruch darf aber auch aus dem ferneren Grunde nicht zugelaſſen werden, weil die Leitung einer ſo ver- wickelten Anſtalt, wie der Staat iſt, nur dann ohne Verwir- rung vor ſich gehen kann, wenn eine innere Uebereinſtimmung zwiſchen den verſchiedenen Theilen und eine Gleichförmigkeit in der Handlungsweiſe ſtattfindet. Nicht nur würden da, wo in dem einen Falle das Recht und die Sittlichkeit als die leitenden Normen aufgeſtellt, in einem anderen Falle aber die Erreichung von Gewinn mit bewußter Verletzung dieſer Grundſätze verfolgt wäre, die Leiſtungen des Staatsorganismus ganz unvereinbar unter ſich ſein, ſondern es müßten auch ſowohl die Beamten des Staates als die Bürger in eine unlösbare Verwirrung geſtürzt werden, hinſichtlich deſſen, was ſie zu leiſten und zu fordern hätten. Wie wollte ſich der Staat auf ſein Recht
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ertheilen könne, welche mit den Grundſätzen der übrigen dog-
matiſchen Staatswiſſenſchaften ſich nicht vereinigen laſſen, ja
daß ſogar ihr Weſen in dieſer Verſchiedenheit der Auffaſſung
beſtehe.
Dies iſt denn ein handgreiflicher Irrthum, und jene that-
ſächliche Handlungsweiſe verdient Tadel, nicht aber Empfehlung.
— Schon logiſch kann von einem Widerſpruche der Lehren der
Politik und des Rechtes und der Moral nicht die Rede ſein.
Wenn nämlich jene die Wiſſenſchaft von den Staatsmitteln iſt,
d. h. wenn ſie anzugeben hat, auf welche Weiſe am zweck-
mäßigſten die feſtſtehenden Aufgaben des Staates erreicht werden
können; wenn ferner dieſe Aufgaben unzweifelhaft durch das
Recht und durch das Sittengeſetz beſtimmt ſind: ſo iſt es ja
ein völliger Widerſpruch in ſich, ſolche Ausführungsmittel als
die zweckmäßigſten zu empfehlen, welche die Aufgaben zerſtören,
zu deren Löſung ſie beſtimmt ſind. Zweckmäßig kann ein
Mittel ſchon nach den Geſetzen des Denkens nur dann ſein,
wenn es nach Geiſt und Richtung mit der Aufgabe überein-
ſtimmt. — Ein Widerſpruch darf aber auch aus dem ferneren
Grunde nicht zugelaſſen werden, weil die Leitung einer ſo ver-
wickelten Anſtalt, wie der Staat iſt, nur dann ohne Verwir-
rung vor ſich gehen kann, wenn eine innere Uebereinſtimmung
zwiſchen den verſchiedenen Theilen und eine Gleichförmigkeit in
der Handlungsweiſe ſtattfindet. Nicht nur würden da, wo in
dem einen Falle das Recht und die Sittlichkeit als die leitenden
Normen aufgeſtellt, in einem anderen Falle aber die Erreichung
von Gewinn mit bewußter Verletzung dieſer Grundſätze verfolgt
wäre, die Leiſtungen des Staatsorganismus ganz unvereinbar
unter ſich ſein, ſondern es müßten auch ſowohl die Beamten
des Staates als die Bürger in eine unlösbare Verwirrung
geſtürzt werden, hinſichtlich deſſen, was ſie zu leiſten und zu
fordern hätten. Wie wollte ſich der Staat auf ſein Recht
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/558>, abgerufen am 24.11.2024.
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