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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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absichtliche Bestärkung einer fremden Regierung auf einer schlechten
Bahn angewendet werden. -- Lehre der Sittlichkeit ist aber
hier: in jedem Falle Erhaltung vor jeder Störung; aber auch
positive Unterstützung, wo dies ohne eigenen Nachtheil ge-
schehen kann.

3. Verkennung der Verpflichtung, den Verkehr unter
den Völkern
zum Behufe einer möglichsten Steigerung des
materiellen Wohles und der Gesittigung zu fördern. Sei es
aus verkehrter Auffassung der eigenen Selbstständigkeit, sei es
aus Gleichgültigkeit und Trägheit, sei es endlich zur Erhaltung
untergeordneter und mit den Nutzen einer freieren Bewegung
und eines Zusammenwirken in gar keinem Verhältnisse stehender
Vortheile werden dem Zutritte Fremder, dem Tausche von
Waaren, vielleicht selbst dem Wandern der eigenen Bürger ins
Ausland Schwierigkeiten in den Weg gelegt, Anträge zur Er-
leichterung der Verbindungsmittel abgewiesen, gemeinschaftliches
Wirken zur Erreichung höherer geistiger und sachlicher Zwecke
abgelehnt. Daß gerade entgegengesetztes Verhalten Forderung
der Civilisation und des Sittengesetzes ist, bedarf keines Be-
weises.

4. Anwendung unsittlicher Mittel zur Er-
langung von Kenntnissen
über die Absichten anderer
Staaten; also z. B. heimliche Erbrechung von Briefen, Be-
stechungen, Ränke aller, selbst gemeinster Art, z. B. mit
Buhlerinnen einflußreicher Männer u. dgl. -- Hier sind denn
Offenheit, Ehrlichkeit, Ehrenhaftigkeit die Gebote des Sitten-
gesetzes.

5. Kriegführung ohne vorangegangene Erschöpfung
aller friedlichen Mittel zu gerechter Erledigung der obwaltenden
Streitigkeiten, oder aus unbedeutenden, vielleicht selbst
ungerechten, Gründen. Jeder Krieg ist ein unermeßliches
Uebel für beide Theile durch Menschenverlust, Familienjammer,

abſichtliche Beſtärkung einer fremden Regierung auf einer ſchlechten
Bahn angewendet werden. — Lehre der Sittlichkeit iſt aber
hier: in jedem Falle Erhaltung vor jeder Störung; aber auch
poſitive Unterſtützung, wo dies ohne eigenen Nachtheil ge-
ſchehen kann.

3. Verkennung der Verpflichtung, den Verkehr unter
den Völkern
zum Behufe einer möglichſten Steigerung des
materiellen Wohles und der Geſittigung zu fördern. Sei es
aus verkehrter Auffaſſung der eigenen Selbſtſtändigkeit, ſei es
aus Gleichgültigkeit und Trägheit, ſei es endlich zur Erhaltung
untergeordneter und mit den Nutzen einer freieren Bewegung
und eines Zuſammenwirken in gar keinem Verhältniſſe ſtehender
Vortheile werden dem Zutritte Fremder, dem Tauſche von
Waaren, vielleicht ſelbſt dem Wandern der eigenen Bürger ins
Ausland Schwierigkeiten in den Weg gelegt, Anträge zur Er-
leichterung der Verbindungsmittel abgewieſen, gemeinſchaftliches
Wirken zur Erreichung höherer geiſtiger und ſachlicher Zwecke
abgelehnt. Daß gerade entgegengeſetztes Verhalten Forderung
der Civiliſation und des Sittengeſetzes iſt, bedarf keines Be-
weiſes.

4. Anwendung unſittlicher Mittel zur Er-
langung von Kenntniſſen
über die Abſichten anderer
Staaten; alſo z. B. heimliche Erbrechung von Briefen, Be-
ſtechungen, Ränke aller, ſelbſt gemeinſter Art, z. B. mit
Buhlerinnen einflußreicher Männer u. dgl. — Hier ſind denn
Offenheit, Ehrlichkeit, Ehrenhaftigkeit die Gebote des Sitten-
geſetzes.

5. Kriegführung ohne vorangegangene Erſchöpfung
aller friedlichen Mittel zu gerechter Erledigung der obwaltenden
Streitigkeiten, oder aus unbedeutenden, vielleicht ſelbſt
ungerechten, Gründen. Jeder Krieg iſt ein unermeßliches
Uebel für beide Theile durch Menſchenverluſt, Familienjammer,

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[536/0550] abſichtliche Beſtärkung einer fremden Regierung auf einer ſchlechten Bahn angewendet werden. — Lehre der Sittlichkeit iſt aber hier: in jedem Falle Erhaltung vor jeder Störung; aber auch poſitive Unterſtützung, wo dies ohne eigenen Nachtheil ge- ſchehen kann. 3. Verkennung der Verpflichtung, den Verkehr unter den Völkern zum Behufe einer möglichſten Steigerung des materiellen Wohles und der Geſittigung zu fördern. Sei es aus verkehrter Auffaſſung der eigenen Selbſtſtändigkeit, ſei es aus Gleichgültigkeit und Trägheit, ſei es endlich zur Erhaltung untergeordneter und mit den Nutzen einer freieren Bewegung und eines Zuſammenwirken in gar keinem Verhältniſſe ſtehender Vortheile werden dem Zutritte Fremder, dem Tauſche von Waaren, vielleicht ſelbſt dem Wandern der eigenen Bürger ins Ausland Schwierigkeiten in den Weg gelegt, Anträge zur Er- leichterung der Verbindungsmittel abgewieſen, gemeinſchaftliches Wirken zur Erreichung höherer geiſtiger und ſachlicher Zwecke abgelehnt. Daß gerade entgegengeſetztes Verhalten Forderung der Civiliſation und des Sittengeſetzes iſt, bedarf keines Be- weiſes. 4. Anwendung unſittlicher Mittel zur Er- langung von Kenntniſſen über die Abſichten anderer Staaten; alſo z. B. heimliche Erbrechung von Briefen, Be- ſtechungen, Ränke aller, ſelbſt gemeinſter Art, z. B. mit Buhlerinnen einflußreicher Männer u. dgl. — Hier ſind denn Offenheit, Ehrlichkeit, Ehrenhaftigkeit die Gebote des Sitten- geſetzes. 5. Kriegführung ohne vorangegangene Erſchöpfung aller friedlichen Mittel zu gerechter Erledigung der obwaltenden Streitigkeiten, oder aus unbedeutenden, vielleicht ſelbſt ungerechten, Gründen. Jeder Krieg iſt ein unermeßliches Uebel für beide Theile durch Menſchenverluſt, Familienjammer,

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/550>, abgerufen am 24.11.2024.