werth ist. Es darf daher eine Agitation weder mit solchen Genossen begonnen werden, welche voraussichtlich weitere und schädliche Plane haben, falls man nicht derselben beständig Herr zu bleiben die Gewißheit hat; noch soll sie in einer Zeit bereits bestehender großer Aufregung begonnen werden, damit nicht die Staatsgewalt so großen Bedrängnissen ganz erliege. Sodann darf kein Gebrauch von an sich unsittlichen Parteimitteln gemacht werden; z. B. also von Verleumdung der Gegner, Bestechung, gewaltsamer Einschüchterung Andersdenkender, Be- schützung schlechter Parteigenossen. Ferner sind geheime Ver- bindungen zu vermeiden, weil solche sehr leicht in Förderung unerlaubter Zwecke und zu Benützung schlechter Mittel aus- arten. Höchstens mögen geheime Verabredungen dann entschul- digt sein, wenn der offenen Benützung des Rechtes ungerechte Gewalt entgegengesetzt wird. -- Nicht erst der Bemerkung bedarf es, daß es auch sittliche Pflicht ist, jeder Bemühung um eine Aenderung im Staate eine ernstliche eigene Prüfung der Rich- tigkeit und Möglichkeit der beabsichtigten Einrichtung voran- gehen zu lassen, und daß ein neuer Gedanke nicht schon deßhalb unterstützt werden darf, weil er von einer gewöhnlich das Richtige wollenden Partei ausgeht, oder er sich für freisinnig ausgibt. Es gibt auch eine ungesunde und schädliche Huma- nität; und es ist widersinnig, in einer Schwächung der noth- wendigen Staatsgewalt einen Gewinn für Recht und Freiheit zu sehen. Für Diejenigen also, welche sich bei einem Bestreben nach einer Staatsveränderung betheiligen wollen, ist Erwerbung der Voraussetzungen eines selbstständigen Urtheiles unerläßliche Aufgabe. -- Daß keine Veränderung der allgemeinen sittlichen Pflichten des einzelnen Unterthanen gegen die zunächst noch zu Recht bestehende Staatsordnung während des Ganges der Ver- besserungsbemühungen eintritt, bedarf nicht erst eines Beweises 4)
Zu 3. Bei einem der Entwickelungsstufe des Volkes
werth iſt. Es darf daher eine Agitation weder mit ſolchen Genoſſen begonnen werden, welche vorausſichtlich weitere und ſchädliche Plane haben, falls man nicht derſelben beſtändig Herr zu bleiben die Gewißheit hat; noch ſoll ſie in einer Zeit bereits beſtehender großer Aufregung begonnen werden, damit nicht die Staatsgewalt ſo großen Bedrängniſſen ganz erliege. Sodann darf kein Gebrauch von an ſich unſittlichen Parteimitteln gemacht werden; z. B. alſo von Verleumdung der Gegner, Beſtechung, gewaltſamer Einſchüchterung Andersdenkender, Be- ſchützung ſchlechter Parteigenoſſen. Ferner ſind geheime Ver- bindungen zu vermeiden, weil ſolche ſehr leicht in Förderung unerlaubter Zwecke und zu Benützung ſchlechter Mittel aus- arten. Höchſtens mögen geheime Verabredungen dann entſchul- digt ſein, wenn der offenen Benützung des Rechtes ungerechte Gewalt entgegengeſetzt wird. — Nicht erſt der Bemerkung bedarf es, daß es auch ſittliche Pflicht iſt, jeder Bemühung um eine Aenderung im Staate eine ernſtliche eigene Prüfung der Rich- tigkeit und Möglichkeit der beabſichtigten Einrichtung voran- gehen zu laſſen, und daß ein neuer Gedanke nicht ſchon deßhalb unterſtützt werden darf, weil er von einer gewöhnlich das Richtige wollenden Partei ausgeht, oder er ſich für freiſinnig ausgibt. Es gibt auch eine ungeſunde und ſchädliche Huma- nität; und es iſt widerſinnig, in einer Schwächung der noth- wendigen Staatsgewalt einen Gewinn für Recht und Freiheit zu ſehen. Für Diejenigen alſo, welche ſich bei einem Beſtreben nach einer Staatsveränderung betheiligen wollen, iſt Erwerbung der Vorausſetzungen eines ſelbſtſtändigen Urtheiles unerläßliche Aufgabe. — Daß keine Veränderung der allgemeinen ſittlichen Pflichten des einzelnen Unterthanen gegen die zunächſt noch zu Recht beſtehende Staatsordnung während des Ganges der Ver- beſſerungsbemühungen eintritt, bedarf nicht erſt eines Beweiſes 4)
Zu 3. Bei einem der Entwickelungsſtufe des Volkes
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werth iſt. Es darf daher eine Agitation weder mit ſolchen
Genoſſen begonnen werden, welche vorausſichtlich weitere und
ſchädliche Plane haben, falls man nicht derſelben beſtändig
Herr zu bleiben die Gewißheit hat; noch ſoll ſie in einer Zeit
bereits beſtehender großer Aufregung begonnen werden, damit
nicht die Staatsgewalt ſo großen Bedrängniſſen ganz erliege.
Sodann darf kein Gebrauch von an ſich unſittlichen Parteimitteln
gemacht werden; z. B. alſo von Verleumdung der Gegner,
Beſtechung, gewaltſamer Einſchüchterung Andersdenkender, Be-
ſchützung ſchlechter Parteigenoſſen. Ferner ſind geheime Ver-
bindungen zu vermeiden, weil ſolche ſehr leicht in Förderung
unerlaubter Zwecke und zu Benützung ſchlechter Mittel aus-
arten. Höchſtens mögen geheime Verabredungen dann entſchul-
digt ſein, wenn der offenen Benützung des Rechtes ungerechte
Gewalt entgegengeſetzt wird. — Nicht erſt der Bemerkung bedarf
es, daß es auch ſittliche Pflicht iſt, jeder Bemühung um eine
Aenderung im Staate eine ernſtliche eigene Prüfung der Rich-
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gehen zu laſſen, und daß ein neuer Gedanke nicht ſchon deßhalb
unterſtützt werden darf, weil er von einer gewöhnlich das
Richtige wollenden Partei ausgeht, oder er ſich für freiſinnig
ausgibt. Es gibt auch eine ungeſunde und ſchädliche Huma-
nität; und es iſt widerſinnig, in einer Schwächung der noth-
wendigen Staatsgewalt einen Gewinn für Recht und Freiheit
zu ſehen. Für Diejenigen alſo, welche ſich bei einem Beſtreben
nach einer Staatsveränderung betheiligen wollen, iſt Erwerbung
der Vorausſetzungen eines ſelbſtſtändigen Urtheiles unerläßliche
Aufgabe. — Daß keine Veränderung der allgemeinen ſittlichen
Pflichten des einzelnen Unterthanen gegen die zunächſt noch zu
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/541>, abgerufen am 24.11.2024.
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