Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.sittigung gediehen sind, daß sie sich des ebenso unsicheren als rohen Mit- tels des Krieges ganz enthalten: so ist doch gegenüber von den Sitten des Alterthums und selbst des Mittelalters schon in manchen Beziehungen eine entschiedene Milderung und Menschlichkeit eingetreten. Namentlich geht eine entschiedene Richtung dahin, den Krieg für die dem Heere nicht angehörigen Bürger weniger nachtheilig zu machen. Von einer Verwirkung der Freiheit und des ganzen Eigenthums der Einwohner eines eroberten feindlichen Be- zirkes oder gar von Ausrottung der ganzen Bevölkerung ist keine Rede mehr. Auch Verheerungen des feindlichen Gebietes sind nur noch aus mi- litärischen Zwecken erlaubt und jede muthwillige Beschädigung dieser Art gilt als eine völkerrechtswidrige Barbarei. Der einzige Rest alter Unsitte ist die Wegnahme feindlicher Handelsschiffe und ihrer Ladungen. -- Selbst die Forderung eines Lösegeldes von einem gefangenen Feinde hat ganz aufge- hört, und es findet jetzt entweder gegenseitiger Austausch während des Krieges oder wenigstens beiderseitige unentgeltliche Entlassung aller Gefan- genen beim Friedensschlusse statt. -- Mögen diese Milderungen des Kriegs- rechtes die Vorboten immer weitergehender Menschlichkeit sein! 2) Der früher aufgestellte Grundsatz, daß nur Uniformirte als regelrechte Feinde behandelt werden, hat seit den amerikanischen und fran- zösischen Revolutionskriegen nicht aufrecht erhalten werden können, indem die Mittel dieser Staaten zur herkömmlichen Ausrüstung und Bekleidung der von ihnen aufgebotenen großen Massen nicht ausreichten, diese aber doch Bestandtheile der gesetzlichen Kriegsmacht waren. Da jedoch die Beschrän- kung der Kriegsübel auf das möglichst enge Maß durch die Beseitigung aller Freibeuterschaaren und durch die Fernhaltung der dem Heere nicht regel- mäßig angehörigen Bevölkerung des Landes bedingt ist: so dürfen auch jetzt noch Diejenigen mit aller Strenge behandelt werden, welche die Waffen gegen einen in das Land eingefallenen Feind ergreifen, ohne zu der ge- setzlich angeordneten und vom Staate anerkannten Kriegsmacht zu gehören. 3) Glücklicherweise sind nicht nur in den letzten europäischen Kriegen keine Kaperbriefe mehr ausgestellt worden, sondern es bildet auch die gegen- seitige Verzichtung auf dieses Kriegsmittel einen Theil des Pariser Friedens von 1856. Allein da wegen der Weigerung der Vereinigten Staaten, dieser Verabredung beizutreten, diese unselige Art von Seekrieg doch noch keines- wegs als ganz aufgegeben betrachtet werden kann, so ist auch jetzt noch die Literatur über diesen Gegenstand zu beachten. Eigene Monographien darüber sind: Martens, G. F. de, Essai conc. les armateurs. Goetting., 1795. -- Berg van Middelburgh, F. E., Verhandeling over de afschaffing van de kaapvaahrt. Utr., 1828. -- Wurm, C. F., in Rot- tecks und Welckers Staatslexikon, Art. Prise. 4) Das Nähere über die Wegnahme, die Wiedernahme und die ge- ſittigung gediehen ſind, daß ſie ſich des ebenſo unſicheren als rohen Mit- tels des Krieges ganz enthalten: ſo iſt doch gegenüber von den Sitten des Alterthums und ſelbſt des Mittelalters ſchon in manchen Beziehungen eine entſchiedene Milderung und Menſchlichkeit eingetreten. Namentlich geht eine entſchiedene Richtung dahin, den Krieg für die dem Heere nicht angehörigen Bürger weniger nachtheilig zu machen. Von einer Verwirkung der Freiheit und des ganzen Eigenthums der Einwohner eines eroberten feindlichen Be- zirkes oder gar von Ausrottung der ganzen Bevölkerung iſt keine Rede mehr. Auch Verheerungen des feindlichen Gebietes ſind nur noch aus mi- litäriſchen Zwecken erlaubt und jede muthwillige Beſchädigung dieſer Art gilt als eine völkerrechtswidrige Barbarei. Der einzige Reſt alter Unſitte iſt die Wegnahme feindlicher Handelsſchiffe und ihrer Ladungen. — Selbſt die Forderung eines Löſegeldes von einem gefangenen Feinde hat ganz aufge- hört, und es findet jetzt entweder gegenſeitiger Austauſch während des Krieges oder wenigſtens beiderſeitige unentgeltliche Entlaſſung aller Gefan- genen beim Friedensſchluſſe ſtatt. — Mögen dieſe Milderungen des Kriegs- rechtes die Vorboten immer weitergehender Menſchlichkeit ſein! 2) Der früher aufgeſtellte Grundſatz, daß nur Uniformirte als regelrechte Feinde behandelt werden, hat ſeit den amerikaniſchen und fran- zöſiſchen Revolutionskriegen nicht aufrecht erhalten werden können, indem die Mittel dieſer Staaten zur herkömmlichen Ausrüſtung und Bekleidung der von ihnen aufgebotenen großen Maſſen nicht ausreichten, dieſe aber doch Beſtandtheile der geſetzlichen Kriegsmacht waren. Da jedoch die Beſchrän- kung der Kriegsübel auf das möglichſt enge Maß durch die Beſeitigung aller Freibeuterſchaaren und durch die Fernhaltung der dem Heere nicht regel- mäßig angehörigen Bevölkerung des Landes bedingt iſt: ſo dürfen auch jetzt noch Diejenigen mit aller Strenge behandelt werden, welche die Waffen gegen einen in das Land eingefallenen Feind ergreifen, ohne zu der ge- ſetzlich angeordneten und vom Staate anerkannten Kriegsmacht zu gehören. 3) Glücklicherweiſe ſind nicht nur in den letzten europäiſchen Kriegen keine Kaperbriefe mehr ausgeſtellt worden, ſondern es bildet auch die gegen- ſeitige Verzichtung auf dieſes Kriegsmittel einen Theil des Pariſer Friedens von 1856. Allein da wegen der Weigerung der Vereinigten Staaten, dieſer Verabredung beizutreten, dieſe unſelige Art von Seekrieg doch noch keines- wegs als ganz aufgegeben betrachtet werden kann, ſo iſt auch jetzt noch die Literatur über dieſen Gegenſtand zu beachten. Eigene Monographien darüber ſind: Martens, G. F. de, Essai conc. les armateurs. Goetting., 1795. — Berg van Middelburgh, F. E., Verhandeling over de afſchaffing van de kaapvaahrt. Utr., 1828. — Wurm, C. F., in Rot- tecks und Welckers Staatslexikon, Art. Priſe. 4) Das Nähere über die Wegnahme, die Wiedernahme und die ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <note place="end" n="1)"><pb facs="#f0504" n="490"/> ſittigung gediehen ſind, daß ſie ſich des ebenſo unſicheren als rohen Mit-<lb/> tels des Krieges ganz enthalten: ſo iſt doch gegenüber von den Sitten des<lb/> Alterthums und ſelbſt des Mittelalters ſchon in manchen Beziehungen eine<lb/> entſchiedene Milderung und Menſchlichkeit eingetreten. Namentlich geht eine<lb/> entſchiedene Richtung dahin, den Krieg für die dem Heere nicht angehörigen<lb/> Bürger weniger nachtheilig zu machen. Von einer Verwirkung der Freiheit<lb/> und des ganzen Eigenthums der Einwohner eines eroberten feindlichen Be-<lb/> zirkes oder gar von Ausrottung der ganzen Bevölkerung iſt keine Rede<lb/> mehr. Auch Verheerungen des feindlichen Gebietes ſind nur noch aus mi-<lb/> litäriſchen Zwecken erlaubt und jede muthwillige Beſchädigung dieſer Art<lb/> gilt als eine völkerrechtswidrige Barbarei. Der einzige Reſt alter Unſitte iſt<lb/> die Wegnahme feindlicher Handelsſchiffe und ihrer Ladungen. — Selbſt die<lb/> Forderung eines Löſegeldes von einem gefangenen Feinde hat ganz aufge-<lb/> hört, und es findet jetzt entweder gegenſeitiger Austauſch während des<lb/> Krieges oder wenigſtens beiderſeitige unentgeltliche Entlaſſung aller Gefan-<lb/> genen beim Friedensſchluſſe ſtatt. — Mögen dieſe Milderungen des Kriegs-<lb/> rechtes die Vorboten immer weitergehender Menſchlichkeit ſein!</note><lb/> <note place="end" n="2)">Der früher aufgeſtellte Grundſatz, daß nur <hi rendition="#g">Uniformirte</hi> als<lb/> regelrechte Feinde behandelt werden, hat ſeit den amerikaniſchen und fran-<lb/> zöſiſchen Revolutionskriegen nicht aufrecht erhalten werden können, indem<lb/> die Mittel dieſer Staaten zur herkömmlichen Ausrüſtung und Bekleidung<lb/> der von ihnen aufgebotenen großen Maſſen nicht ausreichten, dieſe aber doch<lb/> Beſtandtheile der geſetzlichen Kriegsmacht waren. Da jedoch die Beſchrän-<lb/> kung der Kriegsübel auf das möglichſt enge Maß durch die Beſeitigung aller<lb/> Freibeuterſchaaren und durch die Fernhaltung der dem Heere nicht regel-<lb/> mäßig angehörigen Bevölkerung des Landes bedingt iſt: ſo dürfen auch jetzt<lb/> noch Diejenigen mit aller Strenge behandelt werden, welche die Waffen<lb/> gegen einen in das Land eingefallenen Feind ergreifen, ohne zu der ge-<lb/> ſetzlich angeordneten und vom Staate anerkannten Kriegsmacht zu gehören.</note><lb/> <note place="end" n="3)">Glücklicherweiſe ſind nicht nur in den letzten europäiſchen Kriegen<lb/> keine Kaperbriefe mehr ausgeſtellt worden, ſondern es bildet auch die gegen-<lb/> ſeitige Verzichtung auf dieſes Kriegsmittel einen Theil des Pariſer Friedens<lb/> von 1856. Allein da wegen der Weigerung der Vereinigten Staaten, dieſer<lb/> Verabredung beizutreten, dieſe unſelige Art von Seekrieg doch noch keines-<lb/> wegs als ganz aufgegeben betrachtet werden kann, ſo iſt auch jetzt noch die<lb/> Literatur über dieſen Gegenſtand zu beachten. Eigene Monographien darüber<lb/> ſind: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Martens</hi>, G. F. de, Essai conc. les armateurs. Goetting.,</hi><lb/> 1795. — <hi rendition="#g">Berg van Middelburgh</hi>, F. E., Verhandeling over de<lb/> afſchaffing van de kaapvaahrt. Utr., 1828. — <hi rendition="#g">Wurm</hi>, C. F., in Rot-<lb/> tecks und Welckers Staatslexikon, Art. Priſe.</note><lb/> <note place="end" n="4)">Das Nähere über die Wegnahme, die Wiedernahme und die ge-<lb/></note> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [490/0504]
¹⁾ ſittigung gediehen ſind, daß ſie ſich des ebenſo unſicheren als rohen Mit-
tels des Krieges ganz enthalten: ſo iſt doch gegenüber von den Sitten des
Alterthums und ſelbſt des Mittelalters ſchon in manchen Beziehungen eine
entſchiedene Milderung und Menſchlichkeit eingetreten. Namentlich geht eine
entſchiedene Richtung dahin, den Krieg für die dem Heere nicht angehörigen
Bürger weniger nachtheilig zu machen. Von einer Verwirkung der Freiheit
und des ganzen Eigenthums der Einwohner eines eroberten feindlichen Be-
zirkes oder gar von Ausrottung der ganzen Bevölkerung iſt keine Rede
mehr. Auch Verheerungen des feindlichen Gebietes ſind nur noch aus mi-
litäriſchen Zwecken erlaubt und jede muthwillige Beſchädigung dieſer Art
gilt als eine völkerrechtswidrige Barbarei. Der einzige Reſt alter Unſitte iſt
die Wegnahme feindlicher Handelsſchiffe und ihrer Ladungen. — Selbſt die
Forderung eines Löſegeldes von einem gefangenen Feinde hat ganz aufge-
hört, und es findet jetzt entweder gegenſeitiger Austauſch während des
Krieges oder wenigſtens beiderſeitige unentgeltliche Entlaſſung aller Gefan-
genen beim Friedensſchluſſe ſtatt. — Mögen dieſe Milderungen des Kriegs-
rechtes die Vorboten immer weitergehender Menſchlichkeit ſein!
²⁾ Der früher aufgeſtellte Grundſatz, daß nur Uniformirte als
regelrechte Feinde behandelt werden, hat ſeit den amerikaniſchen und fran-
zöſiſchen Revolutionskriegen nicht aufrecht erhalten werden können, indem
die Mittel dieſer Staaten zur herkömmlichen Ausrüſtung und Bekleidung
der von ihnen aufgebotenen großen Maſſen nicht ausreichten, dieſe aber doch
Beſtandtheile der geſetzlichen Kriegsmacht waren. Da jedoch die Beſchrän-
kung der Kriegsübel auf das möglichſt enge Maß durch die Beſeitigung aller
Freibeuterſchaaren und durch die Fernhaltung der dem Heere nicht regel-
mäßig angehörigen Bevölkerung des Landes bedingt iſt: ſo dürfen auch jetzt
noch Diejenigen mit aller Strenge behandelt werden, welche die Waffen
gegen einen in das Land eingefallenen Feind ergreifen, ohne zu der ge-
ſetzlich angeordneten und vom Staate anerkannten Kriegsmacht zu gehören.
³⁾ Glücklicherweiſe ſind nicht nur in den letzten europäiſchen Kriegen
keine Kaperbriefe mehr ausgeſtellt worden, ſondern es bildet auch die gegen-
ſeitige Verzichtung auf dieſes Kriegsmittel einen Theil des Pariſer Friedens
von 1856. Allein da wegen der Weigerung der Vereinigten Staaten, dieſer
Verabredung beizutreten, dieſe unſelige Art von Seekrieg doch noch keines-
wegs als ganz aufgegeben betrachtet werden kann, ſo iſt auch jetzt noch die
Literatur über dieſen Gegenſtand zu beachten. Eigene Monographien darüber
ſind: Martens, G. F. de, Essai conc. les armateurs. Goetting.,
1795. — Berg van Middelburgh, F. E., Verhandeling over de
afſchaffing van de kaapvaahrt. Utr., 1828. — Wurm, C. F., in Rot-
tecks und Welckers Staatslexikon, Art. Priſe.
⁴⁾ Das Nähere über die Wegnahme, die Wiedernahme und die ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |