selbst ist nach strengem Rechte gute Beute des Siegers. Wenn dieses Recht nicht in seiner vollen Strenge ausgeübt wird in Beziehung auf Gegenstände, welche nicht zur Kriegführung dienen, so ist dies freiwillige Schonung. Doch gilt muthwillige Zerstörung, namentlich wenn es Werke der Gesittigung betrifft, als roher Mißbrauch der Gewalt, während allerdings die Wegführung als Siegeszeichen gestattet ist. -- Das bewegliche Eigenthum von friedlichen Privatpersonen soll grundsätzlich nicht beschädigt oder weggenommen werden; doch steht es einem in Feindes Land stehenden Heere zu, seine Bedürfnisse durch Auflegung von unentgeltlichen Lieferungen zu decken. Ebenso ist es einem in Feindes Land stehenden Sieger gestattet, die von ihm besetzten Gebietstheile vorläufig zu eigenem Vortheile zu verwalten und namentlich die Steuern für die Kriegskasse einzuziehen. -- Bewegliche Habe von feindlichen Militärper- sonen ist im Falle ihrer Gefangennehmung oder sonstigen Be- mächtigung Beute des Siegers, wenn nicht ausdrücklich eine Ausnahme durch einen Vertrag bedingt ist. Zu bemerken ist dabei, daß eine solche Beute durch vierundzwanzigstündigen Besitz rechtlich in Eigenthum übergeht, so daß es, nach Ablauf dieser Zeit zurückerobert, von dem frühern Eigenthümer dem neuesten Besitzer nicht abverlangt werden kann.
Unbewegliches Eigenthum des Feindes geht für den- selben durch die bloße Thatsache der zeitweisen Besitzergreifung nicht verloren. Privateigenthum dieser Art bleibt in seinem Rechtstitel durch einen feindlichen Einfall ganz unangetastet; und nur insoferne kriegerische Maßregeln eine augenblickliche Besetzung und Benützung erfordern, mag es vorübergehend be- einträchtigt werden; in diesem Falle ist auch gänzliche Umwand- lung und selbst Zerstörung desselben nicht unerlaubt, auch eine Entschädigung dafür nicht üblich. Dasselbe gilt von Staats- eigenthum im engeren Sinne. Das völkerrechtliche Eigen-
ſelbſt iſt nach ſtrengem Rechte gute Beute des Siegers. Wenn dieſes Recht nicht in ſeiner vollen Strenge ausgeübt wird in Beziehung auf Gegenſtände, welche nicht zur Kriegführung dienen, ſo iſt dies freiwillige Schonung. Doch gilt muthwillige Zerſtörung, namentlich wenn es Werke der Geſittigung betrifft, als roher Mißbrauch der Gewalt, während allerdings die Wegführung als Siegeszeichen geſtattet iſt. — Das bewegliche Eigenthum von friedlichen Privatperſonen ſoll grundſätzlich nicht beſchädigt oder weggenommen werden; doch ſteht es einem in Feindes Land ſtehenden Heere zu, ſeine Bedürfniſſe durch Auflegung von unentgeltlichen Lieferungen zu decken. Ebenſo iſt es einem in Feindes Land ſtehenden Sieger geſtattet, die von ihm beſetzten Gebietstheile vorläufig zu eigenem Vortheile zu verwalten und namentlich die Steuern für die Kriegskaſſe einzuziehen. — Bewegliche Habe von feindlichen Militärper- ſonen iſt im Falle ihrer Gefangennehmung oder ſonſtigen Be- mächtigung Beute des Siegers, wenn nicht ausdrücklich eine Ausnahme durch einen Vertrag bedingt iſt. Zu bemerken iſt dabei, daß eine ſolche Beute durch vierundzwanzigſtündigen Beſitz rechtlich in Eigenthum übergeht, ſo daß es, nach Ablauf dieſer Zeit zurückerobert, von dem frühern Eigenthümer dem neueſten Beſitzer nicht abverlangt werden kann.
Unbewegliches Eigenthum des Feindes geht für den- ſelben durch die bloße Thatſache der zeitweiſen Beſitzergreifung nicht verloren. Privateigenthum dieſer Art bleibt in ſeinem Rechtstitel durch einen feindlichen Einfall ganz unangetaſtet; und nur inſoferne kriegeriſche Maßregeln eine augenblickliche Beſetzung und Benützung erfordern, mag es vorübergehend be- einträchtigt werden; in dieſem Falle iſt auch gänzliche Umwand- lung und ſelbſt Zerſtörung deſſelben nicht unerlaubt, auch eine Entſchädigung dafür nicht üblich. Daſſelbe gilt von Staats- eigenthum im engeren Sinne. Das völkerrechtliche Eigen-
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ſelbſt iſt nach ſtrengem Rechte gute Beute des Siegers. Wenn
dieſes Recht nicht in ſeiner vollen Strenge ausgeübt wird in
Beziehung auf Gegenſtände, welche nicht zur Kriegführung
dienen, ſo iſt dies freiwillige Schonung. Doch gilt muthwillige
Zerſtörung, namentlich wenn es Werke der Geſittigung betrifft,
als roher Mißbrauch der Gewalt, während allerdings die
Wegführung als Siegeszeichen geſtattet iſt. — Das bewegliche
Eigenthum von friedlichen Privatperſonen ſoll grundſätzlich
nicht beſchädigt oder weggenommen werden; doch ſteht es einem
in Feindes Land ſtehenden Heere zu, ſeine Bedürfniſſe durch
Auflegung von unentgeltlichen Lieferungen zu decken. Ebenſo
iſt es einem in Feindes Land ſtehenden Sieger geſtattet, die
von ihm beſetzten Gebietstheile vorläufig zu eigenem Vortheile
zu verwalten und namentlich die Steuern für die Kriegskaſſe
einzuziehen. — Bewegliche Habe von feindlichen Militärper-
ſonen iſt im Falle ihrer Gefangennehmung oder ſonſtigen Be-
mächtigung Beute des Siegers, wenn nicht ausdrücklich eine
Ausnahme durch einen Vertrag bedingt iſt. Zu bemerken iſt
dabei, daß eine ſolche Beute durch vierundzwanzigſtündigen
Beſitz rechtlich in Eigenthum übergeht, ſo daß es, nach Ablauf
dieſer Zeit zurückerobert, von dem frühern Eigenthümer dem
neueſten Beſitzer nicht abverlangt werden kann.
Unbewegliches Eigenthum des Feindes geht für den-
ſelben durch die bloße Thatſache der zeitweiſen Beſitzergreifung
nicht verloren. Privateigenthum dieſer Art bleibt in ſeinem
Rechtstitel durch einen feindlichen Einfall ganz unangetaſtet;
und nur inſoferne kriegeriſche Maßregeln eine augenblickliche
Beſetzung und Benützung erfordern, mag es vorübergehend be-
einträchtigt werden; in dieſem Falle iſt auch gänzliche Umwand-
lung und ſelbſt Zerſtörung deſſelben nicht unerlaubt, auch eine
Entſchädigung dafür nicht üblich. Daſſelbe gilt von Staats-
eigenthum im engeren Sinne. Das völkerrechtliche Eigen-
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/501>, abgerufen am 24.11.2024.
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