des Privatgrundbesitzes; 3. aus dem herrenlosen Gute inner- halb der Grenzen. Quidquid est in territorio est de territorio.
Von eigentlichen Bestimmungen über die Erwerbung von Staatsgebiet sind namentlich die Grundsätze über Occupation herrenloser Länder zu bemerken. Eine solche Besitzergreifung ist ein allgemein anzuerkennender Erwerbstitel, und kann nicht blos bei einem etwa neuentdeckten Lande, sondern auch bei einem längst bekannten aber von keiner völkerrechtlich anerkannten Macht besessenen Gebiete stattfinden. Nur als privatberech- tigte, nicht aber als völkerrechtlich anzuerkennende Eigen- thümer werden hierbei (freilich nicht eben zur Ehre der euro- päischen Gesittigung) sogenannte wilde oder barbarische Völ- kerstämme betrachtet 3). Zu einer, völkerrechtliche Ansprüche begründenden, Besitzergreifung gehört jedoch, daß auf dem Lande selbst irgend ein Hoheitsakt, z. B. Aufstellung des Wappens oder einer Flagge, vollzogen und damit die förm- liche Erklärung einer Besitzergreifung verbunden worden ist.
Besitzerwerbung durch Verjährung findet nach dem europäischen Völkerrechte nicht statt.
1) Der Grundsatz, daß das Meer längs der Küste zum Staatsgebiete gehört, ist allgemein anerkannt, aber die Ausdehnung dieses Gebietstheiles streitig. Von den früher beiweitem größeren Ansprüchen ist man schon seit längerer Zeit ziemlich allgemein zu der Beschränkung auf denjenigen Meeresstrich zurückgekommen, welcher vom Ufer aus mit Kanonen bestrichen werden kann. Doch macht z. B. England viel weiter gehende Rechte noch jetzt geltend.
2) Weit bestrittener sind die Grundsätze über das Eigenthumsrecht an ringsum vom Staatsgebiete eingeschlossenen Meeren und an Meerengen. Gewöhnlich bestehen hierüber besondere Verträge, und allgemein anerkannt ist, daß die Durchfahrt durch eine Meerenge, welche zwei offene Meere ver- bindet, nicht untersagt oder mit Bedingungen beschwert werden darf. Eine eigenthümliche Ausnahme bildete das dänische Recht auf den Sundzoll.
3) Die Nichtanerkennung des Eigenthumsrechtes Wilder an ihr Land ist schon in unzähligen Fällen durch Besitzergreifung ganzer Inseln, Länder
des Privatgrundbeſitzes; 3. aus dem herrenloſen Gute inner- halb der Grenzen. Quidquid est in territorio est de territorio.
Von eigentlichen Beſtimmungen über die Erwerbung von Staatsgebiet ſind namentlich die Grundſätze über Occupation herrenloſer Länder zu bemerken. Eine ſolche Beſitzergreifung iſt ein allgemein anzuerkennender Erwerbstitel, und kann nicht blos bei einem etwa neuentdeckten Lande, ſondern auch bei einem längſt bekannten aber von keiner völkerrechtlich anerkannten Macht beſeſſenen Gebiete ſtattfinden. Nur als privatberech- tigte, nicht aber als völkerrechtlich anzuerkennende Eigen- thümer werden hierbei (freilich nicht eben zur Ehre der euro- päiſchen Geſittigung) ſogenannte wilde oder barbariſche Völ- kerſtämme betrachtet 3). Zu einer, völkerrechtliche Anſprüche begründenden, Beſitzergreifung gehört jedoch, daß auf dem Lande ſelbſt irgend ein Hoheitsakt, z. B. Aufſtellung des Wappens oder einer Flagge, vollzogen und damit die förm- liche Erklärung einer Beſitzergreifung verbunden worden iſt.
Beſitzerwerbung durch Verjährung findet nach dem europäiſchen Völkerrechte nicht ſtatt.
1) Der Grundſatz, daß das Meer längs der Küſte zum Staatsgebiete gehört, iſt allgemein anerkannt, aber die Ausdehnung dieſes Gebietstheiles ſtreitig. Von den früher beiweitem größeren Anſprüchen iſt man ſchon ſeit längerer Zeit ziemlich allgemein zu der Beſchränkung auf denjenigen Meeresſtrich zurückgekommen, welcher vom Ufer aus mit Kanonen beſtrichen werden kann. Doch macht z. B. England viel weiter gehende Rechte noch jetzt geltend.
2) Weit beſtrittener ſind die Grundſätze über das Eigenthumsrecht an ringsum vom Staatsgebiete eingeſchloſſenen Meeren und an Meerengen. Gewöhnlich beſtehen hierüber beſondere Verträge, und allgemein anerkannt iſt, daß die Durchfahrt durch eine Meerenge, welche zwei offene Meere ver- bindet, nicht unterſagt oder mit Bedingungen beſchwert werden darf. Eine eigenthümliche Ausnahme bildete das däniſche Recht auf den Sundzoll.
3) Die Nichtanerkennung des Eigenthumsrechtes Wilder an ihr Land iſt ſchon in unzähligen Fällen durch Beſitzergreifung ganzer Inſeln, Länder
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des Privatgrundbeſitzes; 3. aus dem herrenloſen Gute inner-
halb der Grenzen. Quidquid est in territorio est de
territorio.
Von eigentlichen Beſtimmungen über die Erwerbung von
Staatsgebiet ſind namentlich die Grundſätze über Occupation
herrenloſer Länder zu bemerken. Eine ſolche Beſitzergreifung
iſt ein allgemein anzuerkennender Erwerbstitel, und kann nicht
blos bei einem etwa neuentdeckten Lande, ſondern auch bei einem
längſt bekannten aber von keiner völkerrechtlich anerkannten
Macht beſeſſenen Gebiete ſtattfinden. Nur als privatberech-
tigte, nicht aber als völkerrechtlich anzuerkennende Eigen-
thümer werden hierbei (freilich nicht eben zur Ehre der euro-
päiſchen Geſittigung) ſogenannte wilde oder barbariſche Völ-
kerſtämme betrachtet 3). Zu einer, völkerrechtliche Anſprüche
begründenden, Beſitzergreifung gehört jedoch, daß auf dem
Lande ſelbſt irgend ein Hoheitsakt, z. B. Aufſtellung des
Wappens oder einer Flagge, vollzogen und damit die förm-
liche Erklärung einer Beſitzergreifung verbunden worden iſt.
Beſitzerwerbung durch Verjährung findet nach dem
europäiſchen Völkerrechte nicht ſtatt.
¹⁾ Der Grundſatz, daß das Meer längs der Küſte zum Staatsgebiete
gehört, iſt allgemein anerkannt, aber die Ausdehnung dieſes Gebietstheiles
ſtreitig. Von den früher beiweitem größeren Anſprüchen iſt man ſchon
ſeit längerer Zeit ziemlich allgemein zu der Beſchränkung auf denjenigen
Meeresſtrich zurückgekommen, welcher vom Ufer aus mit Kanonen beſtrichen
werden kann. Doch macht z. B. England viel weiter gehende Rechte noch
jetzt geltend.
²⁾ Weit beſtrittener ſind die Grundſätze über das Eigenthumsrecht an
ringsum vom Staatsgebiete eingeſchloſſenen Meeren und an Meerengen.
Gewöhnlich beſtehen hierüber beſondere Verträge, und allgemein anerkannt
iſt, daß die Durchfahrt durch eine Meerenge, welche zwei offene Meere ver-
bindet, nicht unterſagt oder mit Bedingungen beſchwert werden darf. Eine
eigenthümliche Ausnahme bildete das däniſche Recht auf den Sundzoll.
³⁾ Die Nichtanerkennung des Eigenthumsrechtes Wilder an ihr Land
iſt ſchon in unzähligen Fällen durch Beſitzergreifung ganzer Inſeln, Länder
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/487>, abgerufen am 24.11.2024.
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